Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Zweiter Band. (2)

Die Behörden für die Ausübung der ordentlichen Gerichtsbarkeit. (S. 101.) 667 
und bestimmt die ständigen Mitglieder der einzelnen Kammern, sowie für den Fall ihrer 
Behinderung die regelmäßigen Vertreter. Jeder Richter kann zum Mitgliede mehrerer 
Kammern bestimmt werden 1; innerhalb der Kammern verteilt der Vorsitzende die Ge- 
schäfte auf die Mitglieder.? Die Kammern entscheiden in der Besetzung von drei Mit- 
gliedern mit Einschluß des Vorsitzenden; die Strafkammern sind in der Hauptverhandlung 
mit fünf Mitgliedern, in der Berufungsinstanz bei Übertretungen und in den Fällen der 
Privatklage mit drei Mitgliedern, einschließlich des Vorsitzenden, zu besetzen. Letzteres 
gilt auch bei Zuwiderhandlungen gegen das Forstdiebstahlsgesetz und gegen das Feld- 
und Forstpolizeigesetz.“ Im Falle der Behinderung des ordentlichen Vorsitzenden führt 
den Vorsitz in der Kammer dasjenige Mitglied der Kammer, welches dem Dienstalter 
nach, und bei gleichem Dienstalter der Geburt nach das älteste ist; der Präsident wird 
in seinen übrigen Geschäften durch denjenigen Direktor vertreten, welcher dem Dienstalter 
nach, und bei gleichem Dienstalter der Geburt nach der älteste ist. Im Falle der Be- 
hinderung des regelmäßigen Vertreters eines Mitgliedes wird ein zeitweiliger Vertreter 
durch den Präsidenten bestimmt.“ Soweit die Vertretung eines Mitgliedes nicht durch 
ein Mitglied desselben Gerichts möglich ist, erfolgt die Anordnung derselben auf den 
Antrag des Präsidiums durch die Landesjustizverwaltung.“ Die Beiordnung eines nicht 
ständigen Richters (Hilfsrichters) darf, wenn sie auf unbestimmte Zeit erfolgte, solange 
das Bedürfnis, durch welches sie veranlaßt wurde, fortdauert, nicht widerrufen werden, 
und wenn mit der Vertretung eine Entschädigung verbunden ist, so ist diese für die ganze 
Dauer im voraus festzustellen." Die Amtsrichter sind verpflichtet, bei dem Landgerichte, 
in dessen Bezirk sie angestellt sind, die Vertretung eines Richters für einzelne Sitzungen 
oder Geschäfte zu übernehmen; die Einberufung der Vertreter erfolgt durch den Präsi- 
denten des Landgerichts nach einer jährlich vor Beginn des Geschäftsjahres durch das 
Präsidium des Landgerichts festzusetzenden Reihenfolge, und es ist die Einberufung nur 
dann statthaft, wenn die Vertretung des behinderten Mitgliedes durch ein Mitglied des 
Landgerichts nicht möglich ist. 
2. Durch Anordnung des Justizministers kann wegen großer Entfernung des Land- 
gerichtssitzes bei einem Amtsgerichte für den Bezirk eines oder mehrerer Amtsgerichte 
eine Strafkammer gebildet und derselben für diesen Bezirk die gesamte Tätigkeit der 
Strafkammer des Landgerichts oder ein Teil dieser Tätigkeit zugewiesen werden. Diese 
„detachierten Strafkammern“ sind aber nicht Bestandteil des Amtsgerichts, „bei“ dem 
sie, sondern des Landgerichts, von dem sie gebildet sind. 10 Die Besetzung einer solchen 
Strafkammer erfolgt aus Mitgliedern des Landgerichts oder Amtsrichtern des Bezirks, 
für welchen die Kammer gebildet wird; der Vorsitzende wird ständig, die Amtsrichter werden 
auf die Dauer des Geschäftsjahres durch die Landesjustizverwaltung berufen, die übrigen 
Mitglieder werden durch das Präsidium des Landgerichts bezeichnet. 17 
3. Für die Verhandlung und Entscheidung von Strafsachen treten bei den Land- 
gerichten periodisch!? Schwurgerichte zusammen. 13 Dieselben bestehen aus drei richter- 
  
1 F. 62, bl- 1 des D. Gerichtsverf. Ges. * §. 38 des Ausführ. Ges. v. 24. April 1878. 
1 §. 68 a. a. O. 169% Laband III, S. 409. 
2 6. 77 a. a. O. 11 S. 78 des D. Gerichtsverf. Ges., §. 3 des 
* S. 19, Abs. 3 des Forstdiebstahls-Ges. 57. Zirk. Reskr. des Zust. Min. v. 16. Nov. 1879 
15. April 1878 (G. S. 1878, S. 222) und §. (Just. Min. Bl. 1879, S. 454) und Zirk. Restr. 
des Feld= und Forstpolizei-Ge. v. 1. April B des Just. Min. v. 25. Juli 1879 (a. a. O., S. 
(G. S. 1880, S. 230). " 207 ff. . S. auch §. 5 des A. G. zum D. Gerichts- 
s 8. 65 des D. Gerichteverf. (Ges. verf. Ges. 
6 d“ Oerichteverf ff 1 Die Zeit des Beginns der Sitzungsperio- 
-si den der Schwurgerichte bestimmt der Prasident 
"§. 69, Abs. 1 a. a. O. S. dazu Laband III, des Oberlandesgerichts nach Anhörung des Ober- 
S. 412, besonders auch über Wahrnehmung dieser staatsanwalts; vgl. §. 2 des Zirk. Reskr. des 
Funktion durch eine zum Nichteramt nicht be- Just. Min. v. 22. Juli 1879 (Just. Min. Bl. 
fähigte Person gemäß G. V. G., §. 10, die 1879, S. 195). 
Laband für zulässig halt; s. darüber und dagegen 1 18 KS. 79 des D. Gerichtsverf. Ges., Laband Ill, 
Struckmann und Koch II, S. 526. S. 410 f., 439 ff.: „Der gesetzliche Gerichte 
* §. 69, Abs. 2 a. a. O. dienst"; Struckmann und Koch II, S. 533 ff.
	        
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