Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Zweiter Band. (2)

58 Das Staatsbürgerrecht. (8. 51.) 
seitigt. Die Kreisordnung für die östlichen Provinzen wurde durch Gesetz v. 18. Juni 
18761 auch in den drei Stolberger Grafschaften eingeführt und durch dieses Einführungs- 
gesetz den gräflichen Häusern nur vorbehalten: 1. durch Stellvertreter an den Wahlen 
zum Kreistag teilzunehmen; 2. bei der Besetzung der Stellen der Amtsvorsteher in den 
Grafschaften durch den Oberpräsidenten, für die Grafschaft Wernigerode auch derjenigen 
des Landrats durch den König, „gehört“ zu werden. In ähnlicher Art ist durch §. 99 
der westfäl. Kr. O. v. 31. Juli 18862 ein Mitwirkungsrecht der Fürsten von Sayn- 
Wittgenstein-Hohenstein und Sayn-Wittgenstein -Berleburg für die Besetzung der Stellen 
der Amtmänner im Kreis Wittgenstein anerkannt worden, wie auch das Recht der Stell- 
vertretung bei den Wahlen zum Kreistag für alle Standesherren. Letzteres gilt ebenso 
nach der rheinischen Kr. O. v. 30. Mai 18877, §. 99 für die Rheinprovinz; außerdem 
soll der Landrat des Kreises Neuwied nach Anhörung des Fürsten zu Wied, der Landrat 
des Kreises Wetzlar nach Anhörung der Fürsten zu Solms-Braunfels und zu Solms- 
Hohensolms-Lich, sowie die Bürgermeister in den Bezirken der standesherrlichen Besitzungen 
gleichfalls nach Anhörung der genannten Fürsten ernannt werden. 
Die übrigen Standesherren der westlichen Provinzen haben keinerlei Teilnahme an 
den Regierungsrechten mehr. 
3. In betreff der standesherrlichen Gerechtsame in Beziehung auf Kirchen, Schulen 
und milde Stiftungen bestimmen die §§. 52—54 der Instruktion: a) die Standesherren 
haben das Kirchenpatronatrecht und die Bestellung der Schullehrer insoweit als ihnen 
das eine und die andere vor Auflösung des Deutschen Reichs zustand, und darin mittler- 
weile, weder zugunsten einer Privatperson noch der Kirchengemeinde, eine Veränderung 
vorgegangen ist (§. 52 a. a. O.); b) außerdem gebührt ihnen im ganzen Umfange 
ihrer standesherrlichen Bezirke die Aufsicht über Kirchen, Schulen, Erziehungsanstalten 
und milde Stiftungen, insonderheit über gewissenhafte Verwaltung der diesen Gegen- 
ständen gewidmeten Fonds (8§. 53);!" c) im übrigen kommen für die evangelischen 
Kirchengemeinden auch in den standesherrlichen Bezirken die Grundsätze in Anwendung, 
welche die Synodalordnung festsetzt (§. 540.5 Die Rechtsverhältnisse in Schul= und 
Kirchensachen sind vielgestaltig und eigentümlich; in Schulsachen wird allmählich auf 
dem Verwaltungswege die Einheit hergestellt. Die seit 1881 ergangenen Spezialgesetze 
über die finanziellen Verhältnisse der Schulen und Lehrer sind in den Stolberger Graf- 
schaften sämtlich eingeführt, immer aber auf Grund besonderer Vereinbarung mit den 
Grafen; ebenso ist die Kirchengemeinde-und Synodalordnung v. 10. Sept. 1873 auf 
Grund solcher Vereinbarung durch Allerh. Erlaß v. 30. Dez. 1874 in den Grafschaften 
1 G. S., S. 245. Vgl. über die damit her- 1862, §S. 6, Lit. a (Amtsbl. der Regier. zu 
beigeführte Aufhebung der „uralten gräflich obrig= Koblenz, Jahrg. 1863) Vereinbarungen getroffen 
keitlichen Verwaltung“ die Motive zu dem ersten worden, wodurch die betr. Rechte der genannten 
1873 eingebrachten Ges. Entw. im Stenogr. Ber. Fürsten mehrfache Einschränkungen erlitten haben. 
des Abg. H. 1873—74, Anl. 1. Nr. 9, wo das Das Kirchenpatronat und die Aufsicht über Kir- 
Sach= und Rechtsverhältnis klar und scharf dar-- chen, Schulen und milde Stiftungen stehen den 
gelegt ist. Standesherren nach Art. XIV der d. Bundes- 
2 G. S., S. 217. akte zu. Dagegen hat die preuß. Instr. v. 30. Mai 
: G. S. S. 209 1820 (F. 53, Lit. d) ihnen nur die Besetzung 
De der Schullehrerstellen oder eine Mitwirkung 
TDer s§. 53 der Instr. bestimmt zugleich, daß dabei zugestanden, und auf dieser Rechtsgrund- 
die Standesherren diese Aufsicht durch besondere lage haben die erwähnten Verträge dies Recht 
geistliche u. Schulinspektoren ausüben, und daß wiederhergestellt. (Vgll. Twesten, a. a. O., S. 
ihnen auch gestattet ist, ein besonderes Konsistorium 202, und Komm. Ber. v. 16. Jan. 1864, S. 
zu bilden. Außerdem stellt der §. 53 die Be- 27, in den Drucks. des Abg. H. 1864, Nr. 101, 
fugnisse und die Ressortverhältnisse der betr. und in den Stenogr. Ber. desselben 1863—64, 
standesherrl. Beamten und Konsistorien näher fest. Bd. IV, Aktenst. Nr. 71, S. 589). Der Beschl. 
* In betreff der in den S§. 52—54 der Instr. des Abg. H. v. 9. Mai 1865 (Stenogr. Ber. 1865, 
v. 30. Mai 1820 erwähnten Gegenstände sind Bd. II. S. 1408—1409), hat die Wiederher- 
in den mit den Fürsten zu Wied und zu Solmo= stellung des Rechts zur Besetzung oder zur Mit- 
Braunfelse errichteten bereits erwähnten Verträgen wirkung bei der Besetzung von Schullehrerstellen 
(§§. 12 u. 13) und mit dem Fürsten zu Solms= für dem G. v. 10. Juni 1854 nicht entsprechend 
Hohensolms= Lich in dem Vertrage v. 22. Juli erklärt. 
 
	        
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