Die Staatsanwaltschaft. (8. 102.) 679
der Vorgesetzten nachzukommen. Dieses Prinzip hat eine Durchbrechung jedoch
in einem hochwichtigen Punkte erfahren: lehnt die Staatsanwaltschaft einen Antrag auf
Erhebung der Anklage ab oder stellt sie das Verfahren ein, so kann der Antragsteller,
falls er der Verletzte ist, gegen die auf Beschwerde ergangene Bestätigung dieser Maß-
regel durch die höhere Instanz binnen eines Monats gerichtliche Entscheidung beantragen
und das Gericht kann die Staatsanwaltschaft zur Erhebung der Anklage zwingen.: Zu-
ständig zur Erteilung eines solchen Befehls an die Staatsanwaltschaft sind die Ober-
landesgerichte, in den reichsgerichtlichen Sachen das Reichsgericht. Das Amt der Staats-
anwaltschaft wird ausgeübt: a) bei dem Reichsgerichte durch einen Oberreichsanwalt
und durch einen oder mehrere Reichsanwälte; b) bei den Oberlandesgerichten, den
Landgerichten und den Schwurgerichten durch einen oder mehrere Staatsanwälte;
) bei den Amtsgerichten und den Schöffengerichten durch einen oder mehrere Amts-
anwälte, deren Zuständigkeit sich jedoch nicht auf das amtsrichterliche Verfahren zur
Vorbereitung der öffentlichen Klage in denjenigen Strafsachen erstreckt, welche zur Zu-
ständigkeit anderer Gerichte als der Schöffengerichte gehören." Das Gerichtsverfassungs-
gesetz geht von der Auffassung aus, daß die Staatsanwaltschaft in allen ihren Gliedern
eine einheitliche Behörde, jedoch ohne kollegialische Verfassung, darzustellen habe, und die
Bestimmungen der §§. 145 bis 148 des Gesetzes sind nur Konsequenzen dieser Auf-
fassung."“ Besteht die Staatsanwaltschaft eines Gerichts aus mehreren Beamten, so
handeln die dem ersten Beamten beigeordneten Personen als dessen Vertreter; sie sind,
wenn sie für ihn auftreten, zu allen Amtsverrichtungen desselben ohne den Nachweis
eines besonderen Auftrags berechtigt. 3 Die ersten Beamten der Staatsanwaltschaft bei
den Oberlandesgerichten und den Landgerichten sind befugt, bei allen Gerichten ihres Be-
zirks die Amtsverrichtungen der Staatsanwaltschaft selbst zu übernehmen oder mit Wahr-
nehmung derselben einen anderen als den zunächst zuständigen Beamten zu beauftragen.“
Es gelten somit in diesem Punkte für die Staatsanwaltschaft entgegengesetzte Vorschriften
wie für das Gericht. Amtsanwälte können das Amt der Staatsanwaltschaft nur bei
den Amtsgerichten und den Schöffengerichten versehen." Die Beamten der Staats-
anwaltschaft haben den dienstlichen Anweisungen ihres Vorgesetzten nachzukommen, haben
also grundsätzlich nicht die Stellung von Richtern, sondern von Verwaltungsbeamtens;
in denjenigen Sachen, für welche das Reichsgericht in erster und letzter Instanz zuständig
ist, haben alle Beamte der Staatsanwaltschaft den Anweisungen des Oberreichsanwalts
Folge zu leisten.? Das Recht der Aufsicht und Leitung 16 steht zu: a) dem Reichs-
1 Gerichtsverf. Ges., 5§. 151, 147; Struck-
mann u. Koch, Bd. II, S. 565.
Stvnafprozeß-O., §.173, 206; s. dazu Laband,
Bd. III, S. 425 sowie die dort zitierte Literatur.
5 §§. 143, 144 des D. Gerichtsverf. Ges. —
Die sachliche Zuständigkeit der verschiedenen Or.
gane der Staatsanwaltschaft bestimmt sich nach
der Zuständigkeit desjenigen Gerichts, welchem
das Organ der Staatsanwaltschaft zugeteilt ist.
Maßgebend sind diejenigen Normen, welche die
Zuständigkeit der erkennenden Gerichte regeln.
Nach ihnen richtet sich die Zuständigkeit der ver-
schiedenen Organe der Staatsanwaltschaft nicht
nur bei und nach Erhebung der öffentlichen Klage,
sondern auch im Vorverfahren. Im allgemeinen
hat es hierüber keiner auedrücklichen gesenzlichen
Bestimmung bedurft. Da jedoch die Strafprozeß=
O. in dem Verfahren zur Vorbereitung der öffent-
lichen Klage den Amterichter zur Tätigkeit be-
ruft, ohne Rücksicht darauf, welches Gericht bei
und nach Erhebung der öffentlichen Klage das
sachlich zuständige sein wird, so ist zur Vermei-
dung von Zweifeln der letzte Sau des §. 14)
hinzugefügt worden, wodurch indes nicht ausge-
schlossen wird, daß der Amtsanwalt bei einzelnen
vor dem Amterichter stattfindenden Verhand-
lungen in Sachen, welche nicht zur Zuständig-
keit der Schöffengerichte gehören, den zuständigen
Staatsanwalt kraft Auftrags oder Ersuchens ver-
treten kann. (Vgl. die zit. Begründung in den
Stenogr. Ber. a. a. O., S. 79, Sp. 1.)
Vgl. die zit. Begründung zu den S§. 116—119
des Gesetzentw. in den Stenogr. Ber. a. a. O.,
S. 79, Sp. 2.
5 F. 145 des D. Gerichtsverf. Ges. — Auf
das Verhältnis mehrerer Amtsanwälte bezieht
sich diese Bestimmung nur in dem Falle, wenn
nach der Landesgesengebung einem der mehreren
Amtsanwälte die Aufsicht und Leitung zusteht.
(Vgl. die Begründung zu den §5. 116, 117 des
Gesetzentw. in den Stenogr. Ber. a. a. O., S. 79,
Sp. 2.)
6 S. 146, Abs. 1 des D. Gerichtsverf. Ges.
*' S. 146, Abs. 2 a. a. O.
* Gerichtsverf. Ges., §. 149, Abs. 1 für die
Staatsanwälte beim Reichsgericht, §. 61 des pr.
A. G. z. Gerichteverf. Ges. für die Oberstaats-
anwälte und die Staateanwälte.
E. 136, Nr. 1, 147 des D. Gerichtsverf. Ges.
10 S. über den Begriff „Leitung“ Laband,
Bd. III. S. 417 f.