Gesetzlich bevorzugte Staatsbürger. (8. 51.) 59
eingeführt worden. Dagegen ist das Schulaufsichtsgesetz v. 11. März 1872 ohne Zu—
stimmung der Grafen „aus souveräner Macht und Gewalt“ eingeführt; die gräflichen
Konsistorien, sowie die unteren Schulaufsichtsbeamten üben diese Aufsicht dermalen nicht
mehr namens der Grafen, sondern aus Auftrag des Staates.'
4. Über das Verhältnis der standesherrlichen Bezirke zu den Kreisen bestimmt
§. 55 der Instruktion. Die Standesherrschaften bilden danach eigene Bezirke, jedoch
mit Vorbehalt des Rechtes der Staatsregierung, solche zu landrätlichen Kreisen zu ver-
einigen.“ Der Königliche Landrat übt in dem standesherrlichen Bezirke alle den Standes-
herren nicht zugeteilten königlichen Regierungsrechte : in der verfassungsmäßigen Ver-
waltungsordnung aus, und die standesherrlichen Behörden sind verpflichtet, ihn dabei zu
unterstützen. Die neueren Kreisordnungen haben die standesherrlichen Vorrechte dieser
Art durchweg aufgehoben.
5. Die Publikation der Gesetze, sowie der auf die standesherrlichen Bezirke an-
wendbaren Verordnungen der königl. Oberbehörden, geschieht durch die Gesetzsammlung
und die Amtsblätter des Regierungsbezirks (§. 56 der Instr. v. 30. Mai 1820), es be-
steht also auch hier keinerlei Sonderrecht für die Standesherren.
6. Die Standesherren können für ihren Hausstaat, für die Verwaltung ihrer
Domänen und Gerechtsame, für ihre Privat= und Familienangelegenheiten sowie für die
ihnen verbliebenen Regierungsrechte aus ihren Mitteln eigene Diener anstellen und
eidlich verpflichten lassen, auch denselben angemessene Titel beilegen"; auch steht ihnen
frei, solche Beamten in ein Kollegium als Rentkammer oder Domänenkanzlei zu ver-
einigen (8. 60 der Instr. v. 30. Mai 1820); diese Beamten sind als „mittelbare“
Staatsdiener zu betrachten.“
7. Die §§. 57 und 58 der Instruktion normieren die Verhältnisse der Beamten,
welche die Standesherren für die Ausübung ihrer Regierungsrechte ernennen.
sind zugleich als Staatsdiener zu betrachten und bedürfen daher,
auch der Bestätigung derjenigen Staatsbehörden,
gleicher Qualifikation,
die Anstellung der unmittelbaren Beamten gleicher Kategorie abhängt.
Dieselben
mit dem Nachweise
von welchen
In betreff der
Entlassung, Versetzung, Pensionierung, Suspension und Entsetzung stehen sie den betreffenden
Klassen der Staatsbeamten gleich." — Den Standesherren steht keine unmittelbare Ein-
wirkung auf die materielle Geschäftsführung ihrer Beamten und Behörden zu.
1 S. über diese Verhältnisse Bd. III, Schul-
verwaltung.
2 Der F. 24 der Kr. O. v. 13. Juli 1827
für die Rheinprovinz und Westfalen (G. S. 1827,
S. 117) bestimmte, daß in denjenigen Kreisen.
welche aus Mediatgebieten bestehen, der Landrat
die Beschlüsse des Kreistages zuvörderst dem Stan-
desherrn, insofern dieser darin wohnhaft ist, vor-
zulegen hat, und daß der Standesherr seine Er-
innerungen beifügen darf, über welche dann in
gesetzlicher Art zu entscheiden ist. Die Regierung
aber soll die Beschlüsse nicht genehmigen, bevor
solche dem Fürsten vorgelegen haben. Ist der
Standesherr nicht im Kreise wohnhaft, so soll
der Landrat dies im Berichte vermerken und
die Regierung dann wegen Destätigung der a
schlüsse Entschließung fassen. Die Kr. O.
7. Febr. 1829 (G. S. 1829, S. 17) berechtige
die Standesherren, ein Mitglied ihrer Regierung
oder ihren Oberbeamten als Bevollmächtigten zu
den Kreisversammlungen zu deputieren, um sich zu
überzeugen, daß nichts gegen die standesherrlichen
Rechte vorgenommen werde, und die etwaigen Er-
innerungen im Namen des Standesherrn zu
machen. Im Falle der Standesherr von diesem
Rechte Gebrauch machte, bedurfte es der beson-
deren Vorlegung der Kreistagsbe chlüsse an ihn
nicht.
ih Dazu rechnet der §. 55 insbesondere die
Militäraushebungsgeschäfte, sowie die Steuer-
sachen.
* Jede sonstige Titelverleihung von seiten der
Standesherren ist nichtig und daher nicht zu be-
achten (Reskr. des M. d. Inn. v. 11. Sept. 1821,
v. Kamptz, Ann., B-Dd. V, S. 509).
* Soll ein zugleich für den Staatsdienst an-
gestellter standesherrl. Beamter auch im Privat-
dienste beschäftigt werden, so bedarf es dazu der
Genehmigung der vorgesetzten Prov.-Behörde (§.
60 der Instr.). Das Dienstverhältnis solcher
Privatbeamten ist ein rein privatrechtliches (§. 61
a. a. O.).
* S. über diesen Begriff Bd. I, S. 422.
* Nur bei den Subalternen im Kanzlei= und
Registraturdieuste ist diese Bestätigung nicht nötig
(§. 58 zu a). — Die Norm des Amts= und
Diensteides der standesherrl. Beamten enthält die
Verpflichtung der Treue und des Gehorsame gegen
den König und den Standesherrn (§. 57 zu b).
Vgl. übrigens Art. 108 der Verf. Urk.
* Vgl. das Nähere über die Verhältn. der stan-
desherrl. Beamten in F. 58 der Instr.