Die Staatsanwaltschaft. (8. 102.) 681
Strafprozeßordnung. — Die Strafvollstreckung in allen denjenigen Sachen, in welchen
nicht das Amtsgericht (Schöffengericht) in erster Instanz erkannt hat, erfolgt durch die
Staatsanwaltschaft des Landgerichts.“ Im Anschlusse an diese Tätigkeit ist die Staats-
anwaltschaft auch an der Verwaltung der Gefängnisse der Justizverwaltung beteiligt,
indem der Erste Staatsanwalt in der Regel an denjenigen Orten, welche Sitz eines Land-
gerichts sind, die Geschäfte des Vorstehers des Gefängnisses versieht und dem Ober-
staatsanwalte die obere Leitung der Verwaltung der sämtlichen Gefängnisse des Ober-
landesgerichtsbezirks zusteht. Die Staatsanwaltschaft entscheidet auch über Strafaufschub,
Strafteilung und Strafunterbrechung.? Die Staatsanwaltschaft des Landgerichts be-
arbeitet die Begnadigungssachen"; die Staatsanwaltschaft hat bei der vorläufigen Ent-
lassung von Strafgefangenen (§. 23 des Reichsstrafgesetzbuches) mitzuwirken.
2. In bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten wird die Staatsanwaltschaft nur insoweit
tätig, als sie: a) in Ehesachen zur Mitwirkung (Beiwohnung bei der Verhandlung vor
dem erkennenden Gerichte sowie vor einem beauftragten oder ersuchten Richter, gutacht-
liche Äußerung über die zu erlassende Entscheidung, Vorbringen neuer Tatsachen und
Beweismittel zum Zwecke der Aufrechterhaltung einer Ehe) befugt ist und die Nichtig-
keitsklage selbständig erheben oder bei einer von Privatpersonen erhobenen Nichtigkeitsklage
den Rechtsstreit selbständig betreiben kann.“ b) Die Staatsanwaltschaft wird tätig in
Rechtsstreitigkeiten, welche die Feststellung des Rechtsverhältnisses zwischen Eltern und
Kindern zum Gegenstande haben 7; c) ferner in Entmündigungsprozessen, insbesondere
bei Entmündigung wegen Geisteskrankheit oder Geistesschwäche 3; d) endlich bei der An-
fechtung der Todeserklärung.v
3. In Angelegenheiten der nicht streitigen Gerichtsbarkeit umfaßt die Zuständigkeit
der Staatsanwaltschaft nur einzelne, bereits vor dem Inkrafttreten des Deutschen Ge-
richtsverfassungsgesetzes (also vor dem 1. Okt. 1879) zur Zuständigkeit der staatsanwalt-
schaftlichen Behörden gewiesene Angelegenheiten 10, so insbesondere die Pflicht, von den zu
ihrer amtlichen Kenntnis gelangenden Fällen einer unrichtigen, unvollständigen oder unter-
lassenen Anmeldung zum Handelsregister oder Genossenschaftsregister dem Registergerichte
Mitteilung zu machen 11, und verschiedene Angelegenheiten im Bezirke des Oberlandes-
gerichts zu Cöln.12
IV. Die ersten Beamten der Staatsanwaltschaft bei den Oberlandesgerichten sowie
der erste Staatsanwalt am Landgericht Berlin 113 führen den Amtstitel Oberstaats-
anwalt (dem Oberstaatsanwalt am Kammergericht ist durch königl. Erlaß v. 27. Jan.
1906 (G. S., S. 3) der Charakter als Generalstaatsanwalt verliehen worden), die ersten
Beamten der Staatsanwaltschaft bei den Landgerichten den Amtstitel Erster Staats-
anwalt, die übrigen Beamten der Staatsanwaltschaft bei den Oberlandesgerichten und
den Landgerichten den Amtstitel Staatsanwalt.1 Außerdem haben die Abteilungs-
1 §. 483, Abs. 1 der D. Strafprozeß-., Zirk. S. 974 a. a. O.
Reskr. des Justizmin. v. 14. Aug. 1879. Nr. 1 1°% S. 55, A. G. z. Gerichtsverf. Ges.)
(Just. Min. Bl. 1879, S. 237). 11 Art. 3 A. G. z. H. G. B. — Uber die von
* §. 3, Nr. 1, §. 23 des Regl. für die Ge= den Beamten der Staatsanwaltschaft an andere
fängnisse der Zivilverwaltung Just. Min. Bl. Behörden zu machenden Mitteilungen vgl. das
1881, Anl. zu Nr. 11). JZirk. Reskr. des Justizmin. v. 25. Aug. 1879 (Just.
3 Zirk. Reskr. des Justizmin. v. 14. Aug. 1879, Min. Bl. 1879, S. 251) nebst dem abändernden
Nr. 9 tt. Min. Bl. 1879, S. 237). # Zirt Reskr. 22. März 1850 (. u. u- 10.
Nr. a. a. O. S. 58., 6. Jan., 7. u. 12. Juli, 17. Nov.
5 Nr. IV a. a. O. 1 a. u. O. 1881, S. 6, 152, 159, 277).
* SS. 607, 631, 632, (634 der D. Zivil= 1: Vgl. die Begründung des Entw. eines Aus-
prozeß-O. 1 führ. Ges. zum D. Gerichtsverf. Ges., zum §. 50
7* SS. 640, 641 der D. Zivilprozeß-O. (Drucks. des Abg. H., X III. Legislaturper., 2.
Ss. 646, 652, 163, 664, 666, 073, 675, Session 1877—78, Nr. 60). Vgl. die „Gesamten
679, 684, 685, 656 a. a. O. Die Tärigkeit der Matertalien“ zu dem zit. Gesetze (Berlin, 1873),
Staatsanwaltschaft im EumtmündigungeverfahrenS. 697.
wegen Geisteskrankheit ist im einzelnen noch 483 Allerhöchster Erlaß v. 19. März 1894 G. S.,
näher bestimmt in der allgem. Verfügung des! S. 27.
Justizministers v. 2. Nov. 1891 Just. Min. B.., 14 §. 50 des Ausführ. Ges. v. 24. April 1878.
S. 3#, insbesondere den §§. 1—10. — Die Oberstaatsanwälte gehöoren zur druten,
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