Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Zweiter Band. (2)

684 Die Staatsbehörden. (8. 103.) 
Die Gerichtsschreiber haben bei den gerichtlichen Verhandlungen durch Führung des Pro— 
tokolls mitzuwirken 1; ihnen liegt selbständig die Aufnahme von Klagen beim Amtsgerichte, 
gewisser Gesuche und Anträge ob? und es ist ihnen eine Reihe selbständiger Dienst- 
verrichtungen übertragen. Besonders wichtig sind hierunter: die Erteilungen von Aus- 
fertigungen, Auszügen, Abschriften, besonders vollstreckbarer Ausfertigungen und von Zeug- 
nissen über die Rechtskraft von Urteilen ", die Wahrnehmung der in der Grundbuchordnung 
den Grundbuchführern zugewiesenen Geschäfte 5, die Aufnahme von Wechselprotesten, sowie 
die Vornahme von Siegelungen, Entsiegelungen und Inventuren. 
II. Das Ausführungsgesetz v. 24. April 1878 zum Deutschen Gerichtsverfassungs- 
gesetze hat (im §. 68) vorgeschrieben, daß die Dienstverhältnisse der Gerichtsschreiber 
durch Gesetz, die Geschäftsverhältnisse derselben dagegen durch den Justizminister zu be- 
stimmen sind. Das auf Grund dieser Vorschrift erlassene Gesetz v. 3. März 1879, be- 
treffend die Dienstverhältnisse der Gerichtsschreiber', hat dann angeordnet, daß zum Ge- 
richtsschreiber nur ernannt werden kann, wer a) das 21. Lebensjahr vollendet hat, b. die 
aktive Dienstpflicht im stehenden Heere oder in der Flotte erfüllt hat oder von derselben 
für die Friedenszeit ensgültig befreit ist, und c) eine Prüfung bestanden hat, von welcher 
indes Referendare befreit sind, wenn sie im richterlichen Vorbereitungsdienste seit mindestens 
zwei Jahren beschäftigt gewesen sind (§. 1 des Gesetzes v. 3. März 1879). Der Prüfung 
muß ein zweijähriger Vorbereitungsdienst vorangehen 3; wer aber die erste juristische 
Prüfung bestanden hat, kann nach sechsmonatiger Beschäftigung im Gerichtsschreiber- 
dienste zur Prüfung zugelassen werden (§. 2 a. a. O.). Die Prüfung wird bei den 
Oberlandesgerichten oder bei Landgerichten, welche der Justizminister bezeichnet?, abgelegt 
(§. 3, Abs. 1 a. a. O.). Die Prüfung ist eine schriftliche und eine mündliche; sie ist 
darauf zu richten, ob der Bewerber die für sämtliche Zweige des Gerichtsschreiberdienstes 
und des Bureaudienstes bei den Staatsanwaltschaften erforderliche Kenntnis und praktische 
Gewandtheit sich erworben hat0 (§. 3, Abs. 2 a. a. O.). Neben den Gerichtsschreibern 
können Gerichtsschreibergehilfen ernannt werden, welche die Prüfung als Gerichtsschreiber 
oder eine besondere Prüfung 11 bestanden haben müssen, und welche zur Wahrnehmung der 
Gerichtsschreibergeschäfte mit der Maßgabe befähigt sind, daß zu gewissen besonders wich- 
tigen Verrichtungen nur Gehilfen, welche das 21. Lebensjahr vollendet und die Gerichts- 
schreiberprüfung bestanden haben, verwendet werden dürfen (8§. 4, 5 a. a. O.). Die 
Vorschriften über die Befähigung zur einstweiligen Wahrnehmung der Gerichtsschreiber- 
geschäfte sind vom Justizminister zu erlassen (§. 9 a. a. O.).12 Die Gerichtsschreiber und 
Gerichtsschreibergehilfen werden von dem Justizminister ernannt, welcher die Ernennungs- 
  
1 5§S. 163, 165 der D. Zivilprozeß-O., §§. 166, 
186, 271 der D. Strafprozeß-O. 
2 88. 496, 44, 104, 118, 381, 386, 383, 
339, 406, 486, 569, 920, 947 Zivilprozeß-O.; 
§. 71 Ausführ. Ges. z. Gerichtsverf. Ges. 
3 Eine Ubersicht über die gesamte Tätigkeit 
des Gerichtsschreibers gibt die Begründung des 
Entwurfs eines Gesetzes, betr. die Dienstverhält- 
nisse der Gerichtsschreiber, im §. 5 (Drucks. des 
H. H. 1878—79, Nr. 26, Stenogr. Ber. des H. 
H. 1578—79, Anl. Bd., Aktenst. Nr. 26, S. 93). 
“ SS. 299, 724, 725, 733, 706 der D. Zivil- 
prozeßO., §. 483, Abs. 1 der D. Strafprozeß-O. 
5 Ausführ. Ges. zur Grundbuchordnung v. 
27. Sept. 1890 (G. S., S. 307), Art. 4, 6, 7. 
6 §S. 70 a. a. O. Solchen Geschäften sollen sich 
die Gerichtoschreiber nur auf Anordnung des 
Richters unterziehen. 
(G. S. 1879, S. 90 ff. — Agl. den Entw. 
dieses Gesetzes nebst Begründung in den Stenogr. 
Ver. des H. H. 1878—79, Anl. Bd., Aktenst. 
Nr. 26, S. 9 ff., die Plenarverhandl. darüber 
  
in den Stenogr. Ber. des H. H. 1878—79, Bd. I. 
S. 57 ff., 138, Bericht der Komm. des Abg. H. 
v. 29. Jan. 1879 (Stenogr. Ber. des Adg. H. 
1878—79, Anl. Bd. II, Aktenst. Nr. 204, S. 
1418 ff.) und die Plenarverhandl. darüber in 
den Stenogr. Ber. des Abg. H. 1878—79, Bd. I. 
S. 509 ff. und Bd. II, S. 1082—84 und S. 
1139—1141. 
* Vgl. hierzu das Zirk. Reskr. des Justizmin. 
v. 5. Sept. 1879, betr. den Vorbereitungsdienst, 
die Prüfung und die Anstellung der Gerichts- 
schreiber (Just. Min. Bl. 1879, S. 317 ff.) und 
(abänderndes) Zirk. Restkr. v. 5. Mai 1882 (Just. 
Min. Bl. 1882, S. 132). 
* Zurzeit nur bei dem Landgerichte zu Hechingen 
(§+. 8 des Zirk. Reskr. des Justizmin. v. 5. Sept. 
1879, Just. Min. Bl. 1879, S. 317). 
10 Über die Prüfung vgl.] die näheren Bestim- 
mungen in den §§. 9—14 des zit. Zirk. Reskr. 
v. 5. Sept. 1879. 
11 Vgl. hierüber die 88. 18—21 a. a. O. 
1 Vgl. hierüber die 8§. 23, 24 a. a. O.
	        
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