Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Zweiter Band. (2)

686 Die Staatsbehörden. (8. 103.) 
Kassen= und Asservatenwesen, die Aufstellung der Etatsentwürfe und der jährlichen Bau- 
etats, sowie die Feststellung von Defekten betreffen.! 
Die in Angelegenheiten der streitigen und der nicht streitigen Gerichtsbarkeit vor- 
kommenden Kalkulaturgeschäfte werden von den Gerichtsschreibern und Gerichtsschreiber- 
gehilfen wahrgenommen. Bei Amtsgerichten von bedeutendem Umfange können nach Be- 
dürfnis besondere Kalkulatoren bestellt werden. Die Bestellung erfolgt aus dem Kreise 
der zum Gerichtsschreiberamte befähigten Personen durch den Präsidenten des Oberlandes- 
gerichts in Gemeinschaft mit dem Oberstaatsanwalte auf Widerruf gegen Gewährung 
der aufkommenden Kalkulaturgebühren." 
V. Über die Fälle, in welchen Dolmetscher zu gerichtlichen Verhandlungen zu- 
zuziehen sind, und über das hierbei zu beobachtende Verfahren sind die wesentlich über- 
einstimmenden Vorschriften für Angelegenheiten der ordentlichen streitigen Gerichtsbarkeit 
in den §§. 187—193 des Deutschen Gerichtsverfassungsgesetzes, für andere Angelegen- 
heiten in den 8S. 4—8 des Gesetzes v. 28. Aug. 1876, betreffend die Geschäftssprache 
der Behörden, Beamten und politischen Körperschaften des Staates 3, enthalten. In den- 
jenigen Landesteilen, in welchen ein Teil der Bevölkerung eine fremde Sprache spricht 
(nämlich in den Oberlandesgerichtsbezirken Königsberg, Marienwerder, Stettin, Berlin, 
Posen, Breslau, Kiel, Cöln) sind besondere Dolmetscher angestellt. Zum Dolmetscher 
kann nur ernannt werden, wer als Gerichtsschreiber oder Gerichtsschreibergehilfe auf 
Lebenszeit angestellt ist und (nach Zurücklegung eines mindestens sechsmonatigen Vor- 
bereitungsdienstes) die Dolmetscherprüfung bestanden hat. Dieselbe wird bei einem hierzu 
bestimmten Landgerichte abgelegt, ist eine schriftliche und mündliche und darauf gerichtet, 
ob der Anwärter für die Verrichtungen des Dolmetschers sich die erforderliche Kenntnis 
und praktische Gewandtheit erworben hat. Die Dolmetscher werden von dem Präsidenten 
des Oberlandesgerichts in Gemeinschaft mit dem Oberstaatsanwalte für die Dauer der 
Bekleidung der Gerichtsschreiber= oder Gerichtsschreibergehilfenstelle bei dem betreffenden 
Gerichte ernannt und beziehen eine stellenmäßige Gehaltszulage. Im Falle einer erforder- 
lichen Aushilfe oder Stellvertretung können gewisse minder gqualifizierte Kategorien von 
Personen zu Hilfsdolmetschern bestellt werden, welche eine widerrufliche Remuneration 
erhalten. Dolmetscher und Hilfsdolmetscher sind auf treue und gewissenhafte Ausführung 
der ihnen anvertrauten Ubertragungen im allgemeinen zu beeidigen.“ 
VI. Bei den Gerichtsschreibereien der Oberlandesgerichte und der Landgerichte, 
den Staatsanwaltschaften und denjenigen Landgerichten, bei welchen die Beschaffung des 
Schreibwerks nicht den Gerichtsschreibern obliegt, sondern für Rechnung der Staatskasse 
erfolgt, sind Kanzleien eingerichtet. Das Kanzleipersonal besteht aus Kanzleibeamten 
und Lohnschreibern. Bei den Amtsgerichten erfolgt die Besorgung des Schreibwerks in 
der Regel nur durch Lohnschreiber. Als Kanzleibeamter darf nur angestellt werden, wer 
mindestens einen Monat als Lohnschreiber beschäftigt worden ist und seine Befähigung 
für den Kanzleidienst durch eine Prüfung dargetan hat. Die Kanzleibeamten werden 
gegen festes Gehalt auf Lebenszeit oder gegen Diäten unter Vorbehalt der Kündigung 
durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts in Gemeinschaft mit dem Oberstaatsanwalte 
angestellt 5, die Lohnschreiber von dem Präsidenten beziehungsweise dem Oberstaatsanwalt, 
Ersten Staatsanwalt, aufsichtführenden Amtsrichter angenommen. 
  
1 Zirk. Reskr. des Instizmin. v. 29. Okt. 1879 
mit der Geschäftsanweisung für die Rechnungs- 
revisoren v. 30. Okt. 1879 (Just. Min. Bl. 1879, 
S. 427 ff.) und die abändernden und ergänzen- 
den Zirk. Reskr. des Justizmin. v. 15. Juli 1880 
(a. a. . 1880, S. 185) und v. 8. Jan. und 
29. Sept. 1881, S§. 10 (a. ua. L. 1880, S. 7 und 
213); allgem. Verf., betr. die Dienst= und Ge- 
schäftverhältnisse der Rechnungsrevisoren, v. 
20. Juni 1885 Jnst. Min. Bl., S. 221) und v. 
11. Sept. 1886 „Just. Min. Bl., S. 248). 
* Zirk. Reskr. des Justizmin. v. 30. Sept. 
1879 (Just. Min. Bl. 1879, S. 301). 
* G. S. 1876, S. 389. 
* Dolmetscherordnung v. 18. Dez. 1899 Juft. 
Min. Bl. 1399, S. 856 ff.). Siehe ferner die 
allgem. Verfügung v. 14. März 1900 (Just. Min. 
Bl., S. 80). 
5 Demjenigen Kanzlisten bei dem Oberlandes 
gerichte, welcher die Kanzleiinspektorgeschäfte wahr- 
nimmt, können die Vorstandsbeamten den Tuel 
„Kanzleiinspektor"“ verleihen (Zir Restkr. des 
Iustizmin. v. 18. Febr. 1881, vgl. Müller, Die 
preust. Justizverwaltung, S. 203). 
* §§. 1—3, 18, 20, 21—23 der Bestimmungen 
über die Beschaffung des Schreibwerks bei den 
 
	        
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