Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Zweiter Band. (2)

Die Gerichtsunterbeamten. (8. 103.) 687 
B. Gerichtsvollzieher. 
Mit den Zustellungen, Ladungen und Vollstreckungen sind besondere Beamte, die 
Gerichtsvollzieher, betraut, deren Dienst= und Geschäftsverhältnisse beim Reichsgerichte 
durch den Reichskanzler, bei den Landesgerichten durch die Landesjustizverwaltung be- 
stimmt werden. Zur Ausführung dieser Bestimmung hat der Justizminister die Gerichts- 
vollzieherordnung v. 31. März 1900? und die Geschäftsanweisung für die Gerichtsvoll- 
zieher v. 1. Dez. 1899 nebst Zusatzverfügung v. 17. Febr. 1900“ erlassen. 
Die Gerichtsvollzieher besorgen die sämtlichen Zustellungen im Auftrage der Parteien, 
oder — bei Zustellungen von Amts wegen — der Justizbehörden.5 Durch die Ge- 
richtsvollzieher erfolgt ferner die Zwangsvollstreckung, soweit sie nicht den Gerichten zu- 
gewiesen ist 5, und sie haben dieselbe im Auftrage des Gläubigers zu bewirken.?" Außer- 
dem sind die Gerichtsvollzieher zuständig, Wechselproteste aufzunehmen, freiwillige Ver- 
steigerungen von Mobilien, von Früchten auf dem Halm und von Holz auf dem Stamm 
vorzunehmen, Siegelungen, Entsiegelungen und Inventuren im Auftrage des Gerichts 
oder des Konkursverwalters zu erledigen 38, das tatsächliche Angebot einer Leistung zu be- 
urkunden, öffentliche Verpachtungen an den Meistbietenden im Auftrage des Gerichts vor- 
zunehmen.“ Sie sind ferner zuständig, die Aufgabe des an eine Hinterlegungsstelle ein- 
zusendenden Geldes zur Post zu beurkunden. 10 Sie sind verpflichtet, Aufträge jeder Art, 
welche ihrer dienstlichen Stellung entsprechen und ihnen von den Gerichten oder Staats- 
anwaltschaften erteilt werden, auszuführen, auch auf Anordnung der Anstellungsbehörde 
den inneren Dienst bei den Sitzungen des Amtsgerichts wahrzunehmen.1 
Die Gerichtsvollzieher werden bei den Amtsgerichten angestellt, sie haben ihren amt- 
lichen Wohnsitz am Orte des Amtsgerichts. Ihre örtliche Zuständigkeit umfaßt den 
Landgerichtsbezirk, zu welchem der Bezirk des Amtsgerichts gehört.! Sind bei einem 
Amtsgerichte mehrere Gerichtsvollzieher angestellt, so werden die Geschäfte, welche von 
Amts wegen angeordnet oder im Auftrage der Parteien unter Vermittlung des Gerichts- 
schreibers den Gerichtsvollziehern übertragen werden, im voraus, tunlichst nach örtlich. 
begrenzten Bezirken, verteilt. 13 
Zum Gerichtsvollzieher kann nur ernannt werden, wer das 25. Lebensjahr vollendet 
hat, die aktive Dienstpflicht im stehenden Heere oder in der Flotte erfüllt hat, oder von 
derselben für die Friedens zeit endgültig befreit ist, die für den Gerichtsvollzieherdienst er- 
forderliche körperliche Rüstgkeit besitzt, sich in geordneten Vermögensverhältnissen befindet 
und eine Prüfung bestanden hat. Dieser muß ein sechsmonatiger Vorbereitungsdienst 
  
Justizbehörden v. 4. Sept. 1879 (Just. Min. Bl. der Tätigkeit des Gerichtsvollziehers in Swaf- 
1879, S. 309) und Zirk. Reskr. des Justizmin. sachen siehe §§S. 37, 38, 219, 426, 495 Straf- 
v. 2. Juli 1381 (Just. Min. Bl. 1881, S. 148); 
Kanzleiordnung v. 9. Febr. 1895 (Just. Min. B.., 
S. 40), allgem. Verfügungen v. 18. Jan., v. 
26. April, v. 8. Mai 1897 (Just. Min. Bl., 
S. 21, 98, 105) und vom 30. Mai 13899 (Just. 
Min. Bl., S. 159). 
1 Vgl.: Das Gerichtsvollzieheramt nach den 
Reichsgesetzen und den preuß. Ausführungsgesetzen. 
Bearbeitet und erläutert von Gerichtsbeamten. 
-. Aufl. (Limburga; a. b. V., Inn2); Struckmann 
u. Koch, Bd. II, 56. fi. 
1 S. 155 des 2 Gerichtsverf. Ges., §. 73 des 
Ausführ. Ges. v. 24. April 1878: dazu über die 
Gebühren der Gerichtsvollzieher G. v. 21. März 
1882 (G. S., S. 129), v. 27. Sept. 1899 (G. S., 
S. 3177. 
:2 Just. Min. Bl. 1900, S. 345. 
4 Just. Min. Bl. 1899, S. 629: 1900, 
S. 59. 
5 8S. 166 ff. der Zivilprozeß O., welche Vor- 
schriften nach §. 37 der D. Strafvrozeß O. auch 
in Strassachen, nach §. 72 der D. Konkurs-O. 
in Konkurssachen Anwendung finden. 
  
31. 
Bezüglich 
prozeß-O. 
* Dies ist nur hinsichtlich einiger Arten der 
Zwangsvollstreckung, nämlich derjenigen in das 
unbewegliche Vermögen, in Forderungen und an- 
dere unkörperliche Vermögensstücke, sowie zur Er- 
wirkung von Handlungen und Unterlassungen 
und bezüglich gewisser Zwischenfälle bei den son- 
stigen Zwangsvollstreckungen der Fall. Zuständig 
ist in der Regel nicht das Prozeßgericht, sondern 
das „Vollstreckungsgericht". Siehe die SF. 791, 
887, S88, 890, 764, 930 Zivilprozeß-O. 
7 S. 753 der D. Zivilprozeß-O. 
5 §. 74 des Ausführ. Ges. v. 24. April 1878. 
Art. 130 des preusß. Ges. über die freiwil- 
lige Gerichtsbarkeit v. 21. Sept. 1899 (G. S., 
S. 240 
10 S. 17 der Dinterlegungs T. v. 14. März 
1879 G. S. 1379, 24. 
11 8. 19, 20 der Cerichtevollzieher O v. 
31. März 19000 „Just. Min. Bl., S. 0 
17 der 
Marz; 1900. 
13 S. 22 a. a. O. 
12 SS. 10, Gerichtovollzieher S. v.
	        
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