Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Zweiter Band. (2)

(88 Die Staatsbehörden. (S. 103.) 
bei einem Amtsgerichte (bestehend in Beschäftigung bei einem Gerichtsvollzieher und einem 
Gerichtsschreiber; vorangehen. Die Prüfung, welche bei hierzu bestimmten Landgerichten 
abgelegt wird, ist eine schriftliche und eine mündliche und ist darauf zu richten, ob der 
Anwärter die für sämtliche Zweige des Gerichtsvollzieherdienstes erforderliche Kenntnis 
und praktische Gewandtheit sich erworben hat.G Die Ernennung zum Gerichtsvollzieher, 
welcher in der Regel die einstweilige selbständige Wahrnehmung der Geschäfte eines Ge- 
richtsvollziehers während der Dauer von mindestens drei Monaten vorangehen soll, er 
folgt von dem Präsidenten des Oberlandesgerichts in Gemeinschaft mit dem Oberstaats- 
anwalte auf Lebenszeit. Die Gerichtsvollzieher gehören zu den Subalternbeamten 
und sind auf Gebühren" gestellt. 
Im Falle einer erforderlichen Aushilfe oder Vertretung können mit der einstweiligen 
Wahrnehmung von Gerichtsvollziehergeschäften auch gewisse minder qualifizierte Kategorien 
von Personen beauftragt werden, sofern sie sich nur in geordneten Vermögensverhölt- 
nissen befinden. Auf diese Gerichtsvollzieher kraft Auftrags finden die Vorschriften über 
die Gerichtsvollzieher nur teilweise Anwendung.? Bei Gefahr im Verzuge ist der Amté- 
richter ermächtigt, mit der Wahrnehmung einzelner dem Gerichtsvollzieher zugewiesener 
Geschäfte jede von ihm für geeignet erachtete Person zu beauftragen.“ Mit der Vor- 
nahme solcher Zustellungen und Zwangsvollstreckungen, welche von Amts wegen angeordnet 
werden, können besondere Personen' als Hilfsgerichtsvollzieher widerruflich beauftragt 
werden. Gerichtsdiener sind zur Übernahme dieser Geschäfte verpflichtet. 
C. Gerichtsdiener. 
Für die Wahrnehmung des inneren Dienstes einschließlich des Sitzungsdienstes und 
die Besorgung gewisser einfacher Aufträge in gerichtlichen Angelegenheiten werden bei den 
Gerichten Gerichtsdiener angestellt, welche auch den Dienst bei der Staatsanwaltschaft 
wahrzunehmen haben. Nach Reichsrecht sind sie als Hilfsorgane bei der Zustellung von 
Amts wegen berufen?, im übrigen ist die Bestimmung ihrer Tätigkeit ganz dem Landes- 
recht überlassen. Zum Gerichtsdiener kann nur ernannt werden, wer das 25. Lebens- 
jahr vollendet hat, die aktive Dienstpflicht im stehenden Heere oder in der Flotte erfüllt 
hat, oder von derselben für die Friedenszeit endgültig befreit ist, die erforderliche körper- 
liche Rüstigkeit besitzt und durch eine sechsmonatige Probezeit seine Befähigung dargetan 
hat. Die Gerichtsdiener werden von dem Präsidenten des Oberlandesgerichts in Ge- 
meinschaft mit dem Oberstaatsanwalte ernannt. Die Ernennung erfolgt gegen festes 
Gehalt auf Lebenszeit, kann aber auch gegen Diäten auf Kündigung erfolgen. Die Ge- 
richtsdiener sind Hilfsgerichtsvollzieher für gewisse Geschäfte; sie sind verpflichtet, die 
Geschäfte eines Hilfsgerichtsvollziehers in vollem Umfange und die eines Gefangenauf- 
sehers zu übernehmen. Bei größeren Gerichten werden erste Gerichtsdiener bestellt, 
  
1 S§S. 2—11 a. a. O. vierteljährlich ein Pauschauantum (§§. 23—25 der 
: S. 12, 13 a. a. O. Gerichtsvollzieher-O. v. 31. März 1900). Siebe 
s 8. 29 a. a. O 
Diese werden nach Maßgabe der Gebühren— 
O. v. 24. Juni 1878 (R. G. Bl. 1878, S. 166). 
abgeändert durch Art. 3 des Ges. v. 29. Juni 
1881 (R. G. Bl. 1881, S. 178), in neuer Fassung 
R. G. Bl. 1898, S. 683, und Art. 18 ff. des Ge- 
setzes, enthaltend die landesgesetzlichen Vorschrif- 
ten über die Gebühren der Rechtsanwälte und 
der Gerichtsvollzieher v. 27. Sept. 1899 (G. S., 
S. 317), in neuer Fassung G. S. 1899, S. 
325, 381, berechnet und erhoben. Außerdem be- 
steht eine Anzahl besonderer gesetzlicher und regle- 
mentarischer Vorschriften über die Gebühren der 
Gerichtevollzieher. Die Gebühren für Amtshand- 
lungen im Parteiauftrage erwerben die Gerichts- 
vollzieher ganz; für die Amtshandlungen, welche 
von Amts wegen angeordnet werden, erhalten sie 
  
die allgem. Verfügung des Justizministers v. S. De. 
1899, betr. die nicht durch Gesetz bestimmten Ge- 
bühren der Gerichtsvollzieher, sowie die Gebüdren 
der Gerichtsvollzieher im Verwaltungezwangs- 
verfahren (Just. Min. Bl., S. 721). 
5 S& 41—47 der Gerichtsvollzieher-O. v. 
31. März 1900. 
% S. 48 a. a. O. 
7 S§F, 49—52 a. a. O. 
* Gewisse Geschäfte können durch bestimmt 
Beamtenkategorien als Hilfsgerichtsvollzieher auch 
ohne ausdrückliche Bestellung als solche vorge- 
nommen werden. Vgl. 88. 53, 54 der Gerichte- 
vollzieher-O. v. 31. März 1900. 
°* SKS. 211, 212 Zivilprozeß = O.; §. 37 Snaf- 
prozeß-O.
	        
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