Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Zweiter Band. (2)

Die Rechtsanwaltschaft. (8. 104.) 697 
übung der Staatshoheit, sie bekleiden nicht nur ein öffentliches Amt, sondern sie sind 
auch zwar nicht mehr wie früher vom Staate angestellte, aber doch vom Staate durch 
die „Zulassung“ bestellte Beamte für gesetzlich bestimmte Aufgaben der Rechts— 
pflege, d. i. der Staatshoheit; Zulassung wie Disziplin sind vom Staate gesetzlich nach 
den Grundsätzen des Beamtenrechtes, wenn auch in besonderer Weise, geordnet. Und 
darin, daß auch für die freie rechtsberatende Tätigkeit der Rechtsanwälte die Vorschriften 
des gesetzlichen Disziplinarrechtes für Rechtsanwälte maßgebend sind, tritt der das ganze 
Rechtsinstitut beherrschende Gedanke scharf hervor. 
Staatshoheit und Gewerbe sind ein begrifflicher Gegensatz; wohl aber können zur 
Staatshoheit gewerbliche Gesichtspunkte hinzutreten, wie auch ein die staatliche Unterrichts- 
hoheit wahrnehmender Beamter Privatunterricht erteilen kann. Dadurch wird aber das 
rechtliche Wesen der Stellung, die Erfüllung einer staatlich geordneten Dienstpflicht, nicht 
verändert. „Geschäfte, die in der objektiven Rechtsordnung des Staates als notwendig 
zur Durchführung der staatlichen Aufgaben vorausgesetzt oder begründet sind“ 1, sind 
Amtsgeschäfte, nicht Gewerbe; wer dauernd zur Erfüllung solcher Geschäfte berufen 
ist, sei es durch staatliche Anstellung, sei es durch staatliche Zulassung, ist Be- 
amter. „Die staatliche Aufgabe der Handhabung des Rechtsschutzes soll 
und kann nach Maßgabe des bestehenden Rechtes nur unter Mitwirkung 
von Rechtsanwälten realisiert werden. Die berufsmäßige Tätigkeit 
der Rechtsanwälte ist demnach für den Staat notwendig; sie ist ein 
durch die staatliche Rechtsordnung selbst erforderter Faktor der Rechts- 
pflege.“ Durch diese scharfe und zutreffende Begriffsbestimmung Labands ist der ge- 
werberechtliche Gesichtspunkt für die staatsrechtliche Konstruktion ausgeschlossen und auf 
die Bedeutung eines begrifflich nicht entscheidenden Anhangs eingeschränkt. Die Rechts- 
anwaltschaft ist somit ein notwendiger Bestandteil der deutschen Gerichtsverfassung. Daraus 
allein erklären sich die gesetzlichen Vorschriften über die Zulassung, über die Disziplinar= 
gewalt, über die Verpflichtung zur Annahme von Amtsfunktionen. Wer „amtliche 
Obliegenheiten hat, die er unter gewissen Umständen auch wider seinen Willen erfüllen 
muß“ und „„einer Disziplinargewalt unterworfen ist“ für seinen ganzen Beruf, ja in der 
Pflicht des achtungswürdigen Verhaltens selbst außerhalb des Berufs?, also genau wie 
die Staatsbeamten im vollen Sinne des Wortes, einer Disziplinargewalt, „welche sich 
in ihrem Begriff und Wesen von der Disziplinargewalt über Beamte in nichts unter- 
scheidet“ 3, der erfüllt eine ihm vom Staate übertragene „Dienstpflicht“ und ist dem- 
gemäß Beamter, auch wenn er nicht vom Staate ernannt, sondern nur nach Maßgabe 
gesetzlich feststehender Vorschriften über die Befähigung „zugelassen“ wird und nicht der 
allgemeinen Beamtendisziplin, sondern einer besonders geordneten Disziplinargewalt unter- 
stellt ist. Demgemäß werden auch die Rechtsanwälte auf ihr Amt vereidigt und in eine 
Gerichtsliste eingetragen; erst mit dieser Eintragung ist das Recht auf Ausübung des 
Amtes erworben." 
So ergeben sich aus den Vorschriften des geltenden Rechtes zwingende Schluß- 
folgerungen für den Beamtencharakter der Rechtsanwälte, und zwar ganz in gleicher 
Weise, ob man mit Laband die dauernde Dienstpflicht oder mit anderen die dauernde 
Ausübung von Staatshoheitsrechten für das wesentliche Moment des Beamtenbegriffs 
hält. Freilich sind die Rechtsanwälte nicht Staatsbeamte im strengen Sinne des Wortes, 
und sowohl die Literatur wie die Spezialgesetzgebung 5 betrachten die Rechtsanwälte über- 
haupt nicht als Beamte. Gleichwohl müssen die oben dargelegten Gesichtspunkte als 
zwingend angesehen werden und die Grundlage für die weitere Ausgestaltung des positiven 
Rechtes geben. 
  
1 Laband, Bd. III, S. 427. * Laband, Rd. III, S. 436. 
* Rechtsanwalts-O., §. 28; vgl. auch den weit- 4 Rechtsanwalts-O., S§. 17, 20. 
gehenden §. 64. 5 S. bes. Reichsstrafgesetzb., 88. 300, 352, 356.
	        
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