Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Zweiter Band. (2)

698 Die Staatsbehörden. (F. 105.) 
Dritter Titel. 
Die besonderen Gerichte. 
8. 105. 
Die besonderen Zivilgerichte.1 
A. Allgemeines. 
I. Das Deutsche Gerichtsverfassungsgesetz hat im §. 14 bestimmt, daß neben den 
ordentlichen (im §. 12 des Gesetzes aufgeführten) Gerichten auch noch besondere Gerichte, 
nämlich solche Gerichte zugelassen sind, welche eine Gerichtsbarkeit ausüben, die an sich 
den ordentlichen Gerichten zustehen würde, durch besondere gesetzliche Vorschrift aber an 
deren Stelle anderen Gerichten mit abweichender Organisation übertragen ist. Die be- 
sonderen Gerichte aber, welche der §. 14 a. a. O. zugelassen hat, sind folgende: 1. die 
auf Staatsverträgen beruhenden Rheinschiffahrts= und Elbzollgerichte; 2. Gerichte, welchen 
die Entscheidung von bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten bei der Ablösung von Gerechtigkeiten 
oder Reallasten, bei Separationen, Konsolidationen, Verkoppelungen, gutsherrlich-bäuerlichen. 
Auseinandersetzungen und dergleichen obliegt, sog. „Agrargerichte"“ (s. Ges. v. 18. Febr. 
1880 in der Fassung der Bekanntmachung v. 10. Okt. 1899 (G. S., S. 403 ff.); 
3. Gemeindegerichte; solche bestehen zurzeit nur in Württemberg und Baden, und 4. Ge- 
werbegerichte. Auch die Konsular= und Kolonialgerichte sind besondere Gerichte, aber 
des Reiches; sie gehören demgemäß lediglich in den Zusammenhang des Reichsstaats- 
rechtes. Ebenso gehört die im Kriegsfalle nach Maßgabe des Reichsgesetzes v. 3. Mai 
1884 (R. G. Bl., S. 49) einzurichtende Prisengerichtsbarkeit lediglich dem Reichsrechte 
an. — Die hiernach reichsgesetzlich zugelassene besondere Gerichtsbarkeit kann auch den 
ordentlichen Landesgerichten durch die Landesgesetzgebung übertragen werden, und es darf 
alsdann die Übertragung nach anderen als den durch das Deutsche Gerichtsperfassungs- 
gesetz vorgeschriebenen Zuständigkeitsnormen erfolgen, und die Landesgesetzgebung kann in- 
soweit ein von den deutschen Prozeßordnungen abweichendes Verfahren gestatten. Auch 
kann die Gerichtsbarkeit letzter Instanz in den in Rede stehenden Sachen auf Antrag des 
betreffenden Einzelstaates mit Zustimmung des Bundesrats durch kaiserliche Verordnung 
dem Reichsgerichte übertragen werden.? 
Abgesehen von den nach §. 14 des Deutschen Gerichtsverfassungsgesetzes zugelassenen 
besonderen Gerichten sind reichsgesetzlich auch noch zugelassen: 
a) besondere Gerichte, namentlich auch Austrägalgerichte, für das Verfahren gegen 
die Mitglieder der landesherrlichen Familien, sowie gegen die Mitglieder der fürstlichen 
Familie Hohenzollern. Der §. 5 des Einführungsgesetzes zum Deutschen Gerichtsver- 
fassungsgesetze hat nämlich vorgeschrieben, daß die Bestimmungen dieses Gesetzes in An- 
sehung der Landesherren und der Mitglieder der landesherrlichen Familien, sowie der 
Mitglieder der fürstlichen Familie Hohenzollern nur insoweit Anwendung finden, als 
nicht besondere Vorschriften der Hausverfassungen oder der Landesgesetze abweichende Be- 
stimmungen enthalten. In bezug auf die Gerichtsverfassung ist die Bedeutung dieser 
Bestimmung hauptsächlich die, daß die Gerichtsbarkeit über die gedachten Familien durch 
Sondergerichte, insbesondere auch durch Austräge oder eximierte Gerichtsstände ausgeüdt 
werden darf.5 
  
1 Laband, R-Pd. III, S. 360 ff., 387 ff. und der fürstlichen Familie Hohenzollern durch 
* §S. 3, Abs. 1 u. 2 des Einführ. Ges. zum einen mit dem Kammergerichte verbundenen de- 
Gerichtsverf. Ges., §. 3, Abs. 2 des Einführ. Ges.sonderen Gerichtshof ausgeübt, welcher den Namen 
zur D. Zivilprozeß-O., §. 3, Abs. 2 des Einführ. „der Geheime Justizrat“ führt und aus Mu:- 
Ges. zur D. Strafprozeß-O. gliedern des Kammergerichts besteht. Bgl. oben. 
3 In Preußen wird die streitige Gerichtsbar-S. 23 zu i, unten, F, S. 711 f. 
keit über die Mitglieder des Königlichen Hauses
	        
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