Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Zweiter Band. (2)

712 Das Staatsbürgerrecht. (8. 105.) 
Geheimen Justizrate.1 Derselbe besteht aus zwölf Mitgliedern des Kammergerichts, von 
denen fünf die erste, sieben die zweite Instanz bilden und welche von dem Justizminister 
bei der jedesmaligen Bildung der Senate bestimmt werden. Nach §. 5 des Einführungs- 
gesetzes zum Deutschen Gerichtsverfassungsgesetze wird die Gerichtsbarkeit des Geheimen 
Justizrats durch das letztere nicht berührt, und der §. 18 des Ausführungsgesetzes v. 
24. April 1878 hat es bei der bisherigen Einrichtung belassen und nur bestimmt, daß 
der Geheime Justizrat unter entsprechender Anwendung des Art. III des Gesetzes v. 
26. April 1851 bei dem Oberlandesgerichte zu Berlin, dem Kammergerichte, zu bilden 
sei. Die Vorschriften der Deutschen Zivilprozeßordnung und des Einführungsgesetzes zu 
derselben finden auch auf die bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten Anwendung, welche vor dem 
Geheimen Justizrate verhandelt werden. Die erste Instanz desselben gilt hierbei als Land- 
gericht, die zweite als Oberlandesgericht?; es finden jedoch die Bestimmungen der Deutschen 
Zivilprozeßordnung keine Anwendung, insoweit besondere Vorschriften der Hausverfassungen 
oder der Landesgesetze abweichende Bestimmungen enthalten, und es darf für vermögens- 
rechtliche Ansprüche Dritter die Zulässigkeit des Rechtsweges nicht von der Einwilligung 
des Landesherrn abhängig gemacht werden." 
Die Gerichtsbarkeit dritter Instanz in den zur Zuständigkeit des Geheimen Justiz- 
rats gehörigen Rechtsstreitigkeiten wurde früher nach der allgemeinen Regel von dem 
Obertribunal ausgeübt. Infolge der Aufhebung dieses Gerichtshofs durch den §. 12, 
Ziffer 1 des Ausführungsgesetzes v. 24. April 1878 zum Deutschen Gerichtsverfassungs- 
gesetze bedurfte dieselbe einer anderweiten Regelung. Nach §. 3, Abs. 2 des Einführungs- 
gesetzes zum Deutschen Gerichtsverfassungsgesetze kann die Gerichtsbarkeit letzter Instanz 
in den Angelegenheiten, für welche besondere Gerichte zugelassen sind, auf Antrag des 
betreffenden Einzelstaates mit Zustimmung des Bundesrats durch kaiserliche Verordnung 
dem Reichsgerichte übertragen werden. Zu den besonderen Gerichten im Sinne dieser 
Bestimmung gehört auch der Geheime Justizrat, weil derselbe kraft des im §. 5 des 
Einführungsgesetzes zum Deutschen Gerichtsverfassungsgesetze enthaltenen Vorbehaltes 
gleich den im §. 14 des Deutschen Gerichtsverfassungsgesetzes aufgezählten Gerichten als 
besonderer, auf Landesrecht beruhender Gerichtshof für die Mitglieder der königlichen 
Familie und des Fürstenhauses Hohenzollern zugelassen ist. Von jenem reichsgesetzlichen 
Vorbehalte hat die preußische Staatsregierung auf Grund der Ermächtigung im §. 18 
des Ausführungsgesetzes v. 24. April 1878 Gebrauch gemacht und die Übertragung der 
erwähnten, bisher dem Obertribunale zustehenden Gerichtsbarkeit auf das Reichsgericht 
veranlaßt, welches demzufolge zuständig ist zur Verhandlung und Entscheidung über die 
Rechtsmittel der Revision und der Beschwerde gegen die von dem Geheimen Justizrate 
als Oberlandesgericht erlassenen Entscheidungen. 
Rücksichtlich der Rechtsstreitigkeiten unter Mitgliedern der königlichen Familie, so- 
wie der nicht streitigen Rechtsangelegenheiten der zur königlichen Familie gehörigen Per- 
sonen, namentlich in betreff der Testamentserrichtungen, Nachlaßregulierungen, Familien- 
schlüsse, Ehesachen, Vormundschafts= und ähnlichen Angelegenheiten sind die Hausgesetze 
maßgebend. Ebendies gilt von der fürstlichen Familie Hohenzollern." 
  
1 Über die Entstehung und frühere Verfassung 
desselben vgl. die Reskr. v. 17. Dez. 1746 und 
4. April 1748 (Mylius, C. C. M., Cont. IV, 
Nr. 90 u. N. N. C., Tom. III, pag. 1263), 
Gymmens Jur. Beitr., Samml. II, S. 150 u. 
191, Starke, Beitr. zur Kenntnis der bestehen- 
den Gerichtsverf., Tl. II, Abt. 2, S. 8 u. 90. 
Uber die grundsätzliche Frage der Gerichtsbarkeit 
über den Landesherrn und das landesherrliche 
Haus s. Laband, Bd. III, S. 369. 
* G. v. 26. April 1851, Art. III (G. S. 
1851, S. 181), Verordnung v. 26. Juni 1867 
für Schleswig-Holstein §. 7, für Nassau F. 25, 
für Hessen-Kassel §. 26 (G. S. 1367, S. 1073, 
1094, S. 1035). 
  
* §. 9 des Ausführ. Ges. v. 24. Märg 1879 
zur D. Zivilprozeß-O. (G. S. 1879, S. 2831. 
* §F. 5 des Einführ. Ges. zur D. Zivilprozeß-O LO 
5 §. 2 der kaiserl. Verordnung v. 26. Sem. 
1879 (R. G. Bl. 1879, S. 287). Für privat- 
rechtliche Angelegenheiten der Fürsten von Waldeck 
und Pyrmont sowie der Mitglieder des fürn- 
lichen Hauses ist in erster Instanz das Ober- 
landesgericht zu Kassel, in zweiter dasjenige zu 
Frankfurt a. M., in dritter das Reichsgericht zu- 
ständig (Art. 2 des Waldeckschen Ges. v. 1. Sept. 
1879, G. S. 1879, S. 619, §. 2 der kaiserl. 
Verordn. v. 26. Sept. 1879, R. ð. Vi. 1875, S.205. 
* Art. III, Ziffer 1, Abs. 3 des Ges. v. 
26. April 1851 (G. S. 1851, S. 182). — Die
	        
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