Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Zweiter Band. (2)

716 Das Staatsbürgerrecht. (8. 106.) 
gerichtsstand in allen Angelegenheiten der bürgerlichen Gerichtsbarkeit und auch in An- 
sehung der bis dahin vor das Kriegskonsistorium gewiesenen Ehescheidungs-, Sponsalien- 
und Alimentationssachen unehelicher Kinder auf und behielt denselben nur noch in An- 
gelegenheiten der Strafgerichtsbarkeit und in den Injuriensachen aller im Dienste befindlichen 
Offiziere, Unteroffiziere und Soldaten, ingleichen wirklicher Militärpersonen, die nicht 
Offiziere, Unteroffiziere und Soldaten sind, sowie der inaktiven und pensionierten Offi= 
ziere bei. Insoweit hiernach der Militärgerichtsstand der Militärpersonen und deren 
Angehörigen aufgehoben wurde, traten dieselben unter die Zivilgerichtsbarkeit. Den 
Militärgerichten verblieb nur die Gerichtsbarkeit in Strafsachen über 
die Militärpersonen und außerdem in Zivilsachen die Vollstreckung der Exekutionen 
gegen dieselben, mit Ausnahme der Fälle, wo Grundstücke oder ausstehende Forderungen 
des Schuldners in Beschlag genommen werden sollten.: Infolgedessen blieb zwar das 
Generalauditoriat in seiner amtlichen Stellung im wesentlichen bestehen, das Kriegs- 
konsistorium dagegen wurde aufgehoben und die üÜübrigen Militärgerichte wurden ander- 
weitig organisiert.? Die Gouvernementsgerichte und Kommandanturgerichte der Festungen 
wurden beibehalten, im übrigen aber Brigadegerichte errichtet, an deren Stelle indes nach 
kurzer Dauer mit veränderter Einrichtung Korps= und Divisionsgerichte traten. Das 
Strafgesetzbuch für das Heer v. 3. April 1845 hat hiernächst (im Ti. II, Tit. 1) 
anderweitige Bestimmungen über die Einrichtung und Kompetenz der Militärgerichte er- 
teilt, welche die Grundlage der Organisation derselben bildeten", bis durch die Reichs- 
  
Nr. 86, Rabe, Samml., DBd. X, S. 121. — 
Aus den Bestimmungen dieser Kabinettsorder und 
der Reskr. v. 18. Sept. 1810 (Rabe, Samml., 
Bd. X, S. 415), v. 21. Aug. 1809 (a. a. O., 
S. 136) und v. 7. Febr. 1810 (a. a. O., 
S. 271), sowie der Verordnung v. 21. Febr. 
1811 (G. S. 1811, S. 351) sind demnächst 
die §§. 12—20 des Anh. zur A. G. O., Teil 1, 
Tit. 2 entstanden. 
1 Instr. für die Militärgerichte v. 15. Sept. 
1809 (G. S. 1806—10, S. 581, Preuß. Militär- 
LHesetsamml. S. 72 ff.). Val. Anh. zur A. G. O., 
Teil 1, Tit. 24, §§. 149, 150. Auch diese Aus- 
nahme wurde demnächst aufgehoben und nur noch 
vorgeschrieben, daß bei Exekutionen gegen Militär= 
personen, sofern sie nicht Gehaltsabzüge betreffen, 
der Erlaß einer Anweisung des Militärgerichts an 
den der Zwangsvollstreckung Unterliegenden sich 
nach der Verfügung des Zivilgerichts zu achten, der 
Exekutionsvollstreckung durch letzteres vorangehen 
soll (Kab. O. v. 4. Jan. 1822, G. S. 1822, S. 209, 
Kab. O. v. 9. Jan. 1823, G. S. 1823, S. 18). 
Über die Vollstreckung der Exekution in den Ka- 
sernen und militärischen Dienstgebäuden vgl. die 
Kab. O. v. 4. Jan. 1833 (G. S. 1833, S. 3). — 
Die D. Zivilprozeß-O. bestimmt jetzt in dieser 
Beziehung im §. 752: „Gegen eine dem aktiven 
Heere oder der aktiven Marine angehörende Mi- 
litärperson darf die Zwangsvollstreckung erst be- 
ginnen, nachdem von derselben die vorgesetzte 
Militärbehörde Anzeige erhalten hat. Dem Gläu- 
biger ist auf Verlangen der Empfang der An- 
zeige von der Militärbehörde zu bescheinigen“; 
ferner im §. 790;: „Soll die Zwangsvollstreckung 
gegen eine dem aktiven Heere oder der aktiven 
Marine angehörende Person des Soldatenstandes 
in Kasernen und anderen militärischen Dienst- 
ebäuden oder auf Kriegsfahrzeugen erfolgen, so 
hat auf Antrag des Gläubigers das Vollstreckungs- 
gericht die zuständige Militärbehörde um die 
Zwangsvollstreckung zu ersuchen. Die gepfände- 
ten Gegenstände sind einem von dem Gläubiger 
  
zu beauftragenden Gerichtsvollzieher zu übergeben“, 
und im §. 912: „Soll die Haft gegen eine dem 
aktiven Heere oder der aktiven Marine angehörende 
Militärperson vollstreckt werden, so hat das Ge- 
richt die vorgesetzte Militärbehörde um die Boll- 
streckung zu ersuchen.“ 
* Regul. v. 21. Jan. 1812, betr. die Reorgani- 
sation der Militärgerichte (Militärgesetzsamml., 
S. 91 ff.). 
* G. S. 1845, S. 287 ff. 
4 Das G. v. 11. Aug. 1848 (G. S. 1848, 
S. 261), welches den eximierten Gerichtsstand 
in Untersuchungs- und Injuriensachen allgemein 
für aufgehoben erklärte, bestimmte (§. 1), daß 
dessenungeachtet die Vorschriften über die Militär- 
gerichte fortbestehen sollten, und die Verordnung 
v. 2. Jan. 1849 (G. S. 1849, S. 1), welche gleich- 
falls (§. 10) den Militärgerichtsstand aufrecht er- 
hält, stellt nur in Aussicht, daß darüber ander- 
weitige Bestimmungen erlassen werden sollten. 
Die oktroyierte Verf. Urk. v. 5. Dez. 1848 spricht 
gleichfalls im Art. 36 den Grundsatz aus, „daß 
das Heer im Kriege und im Dienste unter der 
Militärkriminalgerichtsbarkeit und unter dem 
Militärstrafgesetzbuche, außer dem Kriege und dem 
Dienste dagegen unter Beibehaltung der Militär- 
gerichtsbarkeit unter den allgemeinen Strafgesetzen 
steht", und fügt sodann hinzu, „daß die Be- 
stimmungen über die militärische Disziplin im 
Kriege und Frieden, sowie die näheren Fest- 
setzungen über den Militärgerichtsstand Gegen- 
stand besonderer Gesetze bleiben“. Dagegen hatte 
der Verf.-Ausschuß der Nat. Vers. die Beseitigung 
des Militärgerichtsstandes auch in Strassachen 
verlangt und wollte nur den Erlaß besonderer 
Gesetze über die militärische Disziplin im Kriecge 
und Frieden vorbehalten (Art. 31 des Entw. der 
Verf. Komm. der Nat. Vers.), weil „das Prinzip 
der Gleichheit vor dem Gesetze erfordere, daß jede 
ausnahmsweise Stellung des Militärs, sowohl 
in betreff des Gerichtsstandes und der Art des 
Verfahrens, als der Strafen selbst, aufhöre“ (vol.
	        
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