Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Zweiter Band. (2)

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III. Die Militärgerichtsbarkeit 1 der preußischen Militärstrafgerichtsordnung v. 
3. April 18452, auf deren Grundlage heute die Militärgerichtsbarkeit des gesamten Reichs- 
heeres aufgebaut ist, war folgendermaßen geordnet — die Bestimmungen sind zwar jetzt 
außer Kraft getreten, bilden aber die rechtshistorische Unterlage des geltenden Rechtes —: 
A. Umfang der Militärgerichtsbarkeit. 
1. Derselben waren unterworfen: a) sämtliche Personen des Soldatenstandes und die 
Militärbeamten, welche zum preußischen Heere oder zur kaiserlichen Marine gehörten?; 
b) die im §. 2 des Einführungsgesetzes zum Militärstrafgesetzbuche v. 20. Juni 1872 
für das Deutsche Reich " näher bezeichneten Offiziere à la suite; c) die Landgendarmen; 
d) alle mit Inaktivitätsgehalt entlassenen, alle zur Disposition gestellten und alle mit 
Pension verabschiedeten Offiziere; e) die Militärlehrer und Zöglinge der militärischen 
Bildungsanstalten, soweit darüber nicht durch besondere Vorschriften ein anderes bestimmt 
ist; 1) die dem Militärstande nicht angehörigen Personen, welche auf einem Schiffe der 
kaiserlichen Marine angestellt sind. 
2. Die Militärgerichtsbarkeit über die Militärpersonen umfaßte alle Strafsachen 
mit Einschluß der Injurien, soweit letztere der gerichtlichen Bestrafung unterlagen. Den 
Zivilbehörden blieb nur die Untersuchung und Entscheidung der übertretungen der Finanz- 
und Polizeigesetze und der Jagd= und Fischereiverordnungen, sofern dieselben bloß mit 
Geldbuße oder Konfiskation belegt waren, wogegen auch hier die Untersuchung und Ent- 
scheidung ausschließlich den Militärgerichten zustand, wenn im Gesetze die Ubertretung nur 
oder alternativ mit Freiheitsstrafe bedroht war, oder mit der Ubertretung ein anderes Ver- 
brechen zusammentraf.“ 
3. In Kriegszeiten erstreckte sich die Militärgerichtsbarkeit, außer den zu 1 be- 
zeichneten Personen, auch auf! a) alle Personen, welche sich in irgendeinem Dienst- 
oder Vertragsverhältnisse bei dem kriegführenden Heere befinden oder sich sonst bei dem- 
selben aufhalten oder ihm folgen; b) die zu dem kriegführenden Heere zugelassenen aus- 
ländischen Offiziere und deren Gefolge; c) die Kriegsgefangenen; d) alle Ausländer oder 
Deutsche, welche während eines gegen das Deutsche Reich ausgebrochenen Krieges auf 
Das Staatsbürgerrecht. (S. 106.) 
  
1 Neben der militärgerichtlichen ist bei Dienst- 
vergehen die Disziplinarbestrafung der Militär- 
personen zugelassen, und zwar auch für die leich- 
teren im Militärstrafgesetze vorgesehenen Fälle 
(vgl. 8. 3 des Einführ. Ges. v. 20. Juni 1872 
zum Militärstrafgesetzb. für das D. Reich, R. G. 
Bl. 1872, S. 173). Die näheren Vorschriften 
hierüber erläßt der Kaiser (§. 8 des Reichsmilitär- 
ge. v. 2. Mai 1874, R. G. Bl. 1872, S. 47). 
Infolge dieser Ermächtigung hat der Kaiser die 
Disziplinarstrafordnung für das Heer v. 31. Okt. 
1872 (Armeeverordn. Bl. 1872, S. 330) erlassen. 
ber die Dieziplinarbestrafung in der Marine 
ist die Disziplinarstraf-O. für die Marine v. 
23. Nov. 1872 (Marineverordn. Bl. 1872, Bei- 
lage zu Nr. 22) ergangen. Unabhängig von den 
Militärgerichten bestehen die sogen. Ehrengerichte 
der Offiziere, welche den Zweck haben, die gemein- 
same Ehre der Genossenschaft, sowie die Ehre 
des Einzelnen zu wahren. Unter Aufhebung aller 
bisherigen Bestimmungen über das ehrengericht- 
liche Verfahren ist der Gegenstand durch die Ver- 
ordnung v. 2. Mai 1874 neu geregelt worden. 
* G. S. 1845. S. 329, dazu die Nachträge 
in Fleck, Preuß. Militärstrafprozeßordnung (1873). 
— Die Organisation der Marinegerichte beruht 
auf einer Reihe einzelner Verwaltungsvorschriften 
(vgl. bei Fleck a. a. O., bezw. bei Keller, Fort- 
setzung der Ausgabe des Militärstrafgesetzbuchs 
von Fleck, Tl. II, Berlin, 1880). 
  
* Vgl. die Anlage zum §. 5 des Militärstraf 
gesetzbuchs für das Deutsche Reich v. 20. Jum 
1872 und die der Militärstrafgerichtsordnung als 
Anlage A beigefügte „Klassifikation“ (Fleck, 
a. a. O., S. 107), endlich bezüglich der Militar- 
beamten die Verordnung v. 29. Juni 1880 (R. 
G. Bl. 1880, S. 169). Die zum Beurlaubten- 
stande gehörenden Personen des Soldatenstandes 
sind während ihrer Beurlaubung auch in Straf 
sachen den Zivilgerichten untergeordnet; nur wenn 
sie sich in militärischer Beziehung eines Bergehens 
oder Verbrechens, z. B. des Ungehorsams oder 
gar Widersetzung gegen einen rechtmäßigen Be- 
fehl in militärischen Angelegenheiten oder der 
Fahnenflucht, schuldig machen, sind die Militär- 
gerichte zuständig. Wenn beurlaubte Versonen 
des Soldatenstandes zu dienstlichen Zwecken ein- 
berufen werden, so sind sie während der Einbe- 
rufungszeit dem Militärgerichtsstande unterworfen 
(vgl. Militärstrafgesetzbuch für das Deutsche Reich, 
88. 42, 68. 69, 101, 113, 126 und Preuß-= 
Militärstrafgerichtsordnung, §. 6, Nr. 5). 
H»R. G. Bl. 1872, S. 173. 
5 Die Kab. O. v. 19. Aug. 1847 bestimmt, 
daß die Kontraventionen der Militärpersonen 
gegen militärpolizeiliche Anordnungen vor die 
Militärgerichte gehören (G. S. 1847, S. 334;. 
* Militärstrafgesetzb., Tl. II, §§s. 2 u. 3. 
7 Militärstrafgesetzbuch für das Deutsche Reich, 
88. 1õ5, 167, 168, 160, 161, 166.
	        
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