Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Zweiter Band. (2)

720 Das Staatsbürgerrecht. (§. 106.) 
keine Einwirkung zu. Alle namens des Gerichts zu erlassenden Verfügungen wurden 
von ihm und dem Auditeur (untersuchungführenden Offizier) vollzogen, welch letzterer 
ihm zur Besorgung der gerichtlichen Geschäfte als richterlicher Beamter zugeordnet war 
und die Geseslichkeit der im Namen des Gerichts zu erlassenden Verfügungen zu ver- 
treten hatte.1 
Die Untersuchung gegen Militärpersonen wurde von einem besonderen Untersuchungs- 
gerichte geführt, welches in jedem einzelnen Falle von dem Militürbefehlshaber, dem die 
Gerichtsbarkeit über den Angeschuldigten zustand, ernannt wurde.? 
In denjenigen Strafsachen, welche zur höheren Gerichtsbarkeit gehörten, bestand das 
Untersuchungsgericht aus dem Auditeur? als Inquirenten und einem oder zwei zur Unter- 
suchung kommandierten Offizieren, je nach dem Range des Angeschuldigten; in den zur 
niederen Gerichtsbarkeit gehörenden Sachen aus dem Auditeur oder dem untersuchung- 
führenden Offizier und einem Leutnant." 
Die Spruchgerichte waren Kriegs= oder Standgerichte, je nachdem die Straffälle zur 
höheren oder niederen Gerichtsbarkeit gehörten. Sie waren von dem Befehlshaber an- 
zuordnen, dem die Bestellung des Untersuchungsgerichts zustand. Das Kriegsgericht 
bestand aus fünf Richterklassen in verschiedener Rangordnung, je nach dem Grade des 
Angeschuldigten, und aus dem Auditeur als Referenten; der letztere hatte nur eine beratende 
Stimme." Die Mitglieder des Kriegsgerichts wurden durch den Auditeur vereidigt.7 
Jede Klasse hatte für sich besonders abzustimmen; die unterste Klasse machte den Anfang, 
der Vorsitzende den Schluß. Das Urteil wurde nach Stimmenmehrheit gefaßt.? Die 
Standgerichte bestanden ebenfalls aus fünf Richterklassen in verschiedener Rangordnung, 
je nach dem Grade des Angeschuldigten, und aus einem Auditeur oder untersuchung- 
führenden Offizier als Referenten.? Die besondere Vereidigung der Mitglieder war hier 
nicht erforderlich.!0 Gegen die Erkenntnisse der Kriegs= und Standgerichte fand kein 
Rechtsmittel statt; die Entscheidungen bedurften aber zur Rechtsgültigkeit der Bestätigung!1 
und wurden erst, wenn diese erfolgt war, publiziert und vollstreckt. ? Vor der Bestätigung 
eines kriegsgerichtlichen Erkenntnisses mußte allemal ein Gutachten über die Gesetzmäßig- 
keit desselben eingeholt werden; dies Gutachten wurde in den Fällen, wo die Bestätigung 
des Königs oder des Kriegsministers erforderlich war, von dem Generalauditoriate, in den 
übrigen Fällen von einem Auditeur erstattet. 13 Bei standrechtlichen Erkenntnissen bedurfte 
es dieser Begutachtung nicht. 14 
Andere Bestimmungen galten für den Fall, wenn der Angeschuldigte nicht dem 
Soldatenstande angehörte, sondern Militärbeamter war. In diesen Fällen hatten nämlich 
nicht die Kriegs= oder Standgerichte, sondern Instanzengerichte zu erkennen. 15 Das 
  
verordn. Bl. 1867, S. 55 und 1871, S. 365) 
1 Militärstrafgeserb. Tl. II, §§. 77 u. 78. 
: A. a. O., 8. 
: Dieser Endee- *# einen im Richteramte 
stehenden oder zum höheren Richteramte guali- 
fizierten Ziviljustizbeamten vertreten werden (§F. 48 
a. a. O.). 
4 A. a. O., S§S. 45—50. 
5 A. a. O., SS. 61, 62, 89. 
A. a. O., §s. CGt. — Über die Abweichungen 
in betreff der Bildung des Kriegsgerichts über 
einen General vgl. 8. 65 a. a. O. 
7 A. a. O., 8. 129. 
s A. a. O., 88. 136—142. 
* A. a. O., §#§. 66 u. 67. 
% A. a. O., §. 202. 
11 Diese erfolgte, wenn das Erkenntnis gegen 
einen Offizier oder ein Mitglied des Sanitäts- 
offizierkorps ergangen, oder wenn auf Todes- 
strafe, oder lebenslängliche Freiheitsstrafe, oder 
wegen militärischer Verbrechen auf mehr als zehn- 
jährige Freiheitsstrafe erkannt worden war, und in 
einigen anderen Fällen (Allerhöchster Erlaß v. 
1. Juni 1867, Nr. 7 und 3. Nov. 1871, Armee- 
  
durch den König; in den übrigen Fällen gebührte 
sie, ie nach der Höhe der Strafe, entweder dem 
Kriegsminister oder dem kommandierenden General 
(bezw. den Gouverneuren von Berlin und Me), 
oder dem Divifionskommandeur (Militärstrafgesetnz 
buch, Tl. II, §5. 150—161, 205—206). In 
betreff der Marine übte deren Oberbefehlshaber 
das Bestätigungsrecht in den den kommandieren- 
den Generalen zugewiesenen Grenzen aus: der 
Marineminister hatte das Bestätigungsrecht in 
gleichem Umfange, wie solches nach §. 155, Tl. 1I 
des Militärstrafgesetzbuchs dem Kriegsminister bei 
der Landarmee zustand, und in den Fällen des 
#§. 154 a. a. O. wurden die Erkenntnisse dem 
Könige zur Bestätigung vorgelegt (ogl. §. 9 des 
Regul. v. 30. April 1861, M. Bl. d. i. Berw. 
1861, S. 154). 
11 Militärstrafgesetzb. v. 3. April 1845, Tl. II. 
§#S. 176—181, 207. 
18 A. a. O., §§. 164 ff. 
14 A. a. O., §S. 206. 
15 A. a. O., §. 61. — Die Disziplinarunter-
	        
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