Die Militärgerichtsbarkeit. (8. 106.) 725
Oberkriegsgerichtsräten; s. über deren Rechtsstellung 8. 93 ff., ferner Einführ.-Ges.,
8§§. 20, 21). Die Offiziere müssen bereits seit mindestens einem Jahre dem aktiven Dienste
angehören (§. 40). Entscheidungen in der Schuldfrage gegen den Angeklagten können nur
mit Zweidrittel der Stimmen gefällt werden (§. 323). Die Ernennung der militärischen
Mitglieder der Gerichte und die Bestimmung der Reihenfolge ihres Gerichtsdienstes wird
vor Beginn des Geschäftsjahres für dieses festgestellt (§. 41, dazu 8§. 53, 68). Die
Richter werden bei Antritt des Richteramtes gemäß §. 42 besonders vereidigt.
Die einzelnen Gerichte sind:
1. Standgerichte, zuständig für Strafsachen der niederen Gerichtsbarkeit (§. 45),
bestehend aus einem Stabsoffizier, einem Hauptmann (Kapitänleutnant), einem Oberleutnant
(§. 38 ff.); ihre Strafkompetenz reicht bis zu sechs Wochen Freiheitsstrafe und 150 Mark
Geldstrafe, im Feld und an Bord bis zu drei Monaten und 300 Mark (§. 47).
2. Kriegsgerichte, zuständig als erste Instanz für alle nicht zu Ziffer 1 ge-
hörigen Strafsachen, sowie als Berufungsinstanz gegen alle Urteile der Standgerichte;
besetzt mit einem Kriegsgerichtsrat und vier Offizieren (§. 49). Ist anzunehmen, daß
Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten oder Todesstrafe erkannt wird, so hat der
Gerichtsherr das Gericht mit zwei Kriegsgerichtsräten und drei Offizieren zu besetzen.
Der Rang der Offiziersrichter hat sich zu richten nach dem Rang des Angeklagten ge-
mäß den genauen Vorschriften der §§. 50, 51. Der rangälteste Offizier führt im Ge-
richt den Vorsitz, der dienstälteste Kriegsgerichtsrat leitet die Verhandlung (§. 61). Die
Kriegsgerichte sind erste Instanz in den nicht vor die Standgerichte gehörigen Sachen,
in den letzteren Berufungsinstanz, außerdem sind ihnen noch bestimmte Entscheidungen
durch besondere gesetzliche Vorschriften zugewiesen (§. 62).
3. Die Oberkriegsgerichte sind, abgesehen von einzelnen ihnen gesetzlich be-
sonders zugewiesenen Funktionen, nur Berufungsinstanz gegen die erstinstanzlichen Urteile
der Kriegsgerichte; sie werden gebildet bei den Generalkommandos der Armeekorps und
bei dem Oberkommando der Marine (§F. 65); sie bestehen aus zwei Oberkriegsgerichts-
räten und fünf Offizieren (F. 66), letztere entsprechend dem Range des Angeklagten ge-
mäß den näheren Vorschriften des §. 67.
4. Oberste Revisionsinstanz für das gesamte Reichsheer ist das in Senate geteilte
Reichsmilitärgericht in Berlin (88§. 71, 72, 77); die bayerischen Sachen werden
in einem besonderen vom König von Bayern zu besetzenden Senate (§F. 1), der jedoch
ordentlicher Bestandteil des Reichsmilitärgerichts ist, bearbeitet. Alle Sachen werden
in Senaten entschieden, die aus sieben Richtern, einschließlich des Vorsitzenden, bestehen,
und zwar in der Regel aus vier militärischen und drei juristischen Mitgliedern; der rang-
Aälteste Offizier führt den Vorsitz, der Senatspräsident leitet die Verhandlung (§. 83).
Wird die Revision auf Verletzung einer Prozeßvorschrift oder einer solchen des bürger-
lichen Rechtes gestützt, so setzt sich der Senat aus vier juristischen und drei militärischen
Mitgliedern zusammen (§. 84). Uber Plenarentscheidungen behufs Wahrung einheitlicher
Rechtsprechung s. 8§. 85, 86.
E. Außer dieser ordentlichen Militärgerichtsbarkeit kennt das Gesetz noch eine
außerordentliche: a) im Felde, b) an Bord (88§. 48, 64). Beide Kategorien stellen
gegenüber der ordentlichen Gerichtsbarkeit eine Art summarischen Verfahrens dar ?, auch
ist die Besetzung des Gerichts wesentlich vereinfacht. Im übrigen bleibt auch für diese
außerordentliche Gerichtsbarkeit der oben C. dargelegte vierfache Instanzenzug mit der
Maßgabe bestehen, daß die niedere Gerichtsbarkeit wesentlich erweitert ist — im einzelnen
Falle kraft Zuweisung des Gerichtsherrn —, und daß demgemäß auch die Standgerichte
im Feld und an Bord wesentlich höhere Strafen verhängen können (die genauen gesetzlichen
1 G. v. 9. März 1899 (R. G. Bl., S. 135). * Dazu Einführ. Ges. z. Mil. St. G. O., §§. 5, 6
Sind in einer Sache bayerische Soldaten und die nähere Erläuterung.
Angehörige anderer Kontingente beteiligt, so treten * Das Nähere bes. Mil. St. G. O., §§. 419 ff.
der bayerische und ein anderer Senat zur Ent-
scheidung zusammen (s§. 2, Abfs. 2).