Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Zweiter Band. (2)

Die Disziplinarbehörden. (8. 107.) 733 
B. Für die Beamten des mittelbaren Staatsdienstes, d. i. die Kommunal-- 
beamten der Selbstverwaltung in Stadt= und Landgemeinden, Kreis und Provinz, ist 
das Disziplinarrecht durch die neuere Gesetzgebung dahin geordnet, daß auch für diese 
Beamten grundsätzlich das allgemeine Disziplinargesetz v. 21. Juli 1852 gilt; dasselbe 
hat jedoch eine Reihe von Modifikationen für diese Beamtenkategorien dahin erfahren, 
daß die Verwaltungsgerichte, Bezirksausschuß und Oberverwaltungsgericht, als Dis- 
ziplinarbehörden, sei es als erste Instanz, sei es im Rechtsmittelverfahren, einzutreten 
haben. 
C. Die gewählten Mitglieder der Kreis= und Provinzialausschüsse 
sowie der Provinzialräte stehen unter besonders geordneter Disziplinargewalt. 
D. Für die Entscheidung über Entfernung aus dem Amte, einschließlich der Frage 
über die Tatsache der Dienstunfähigkeit, insoweit diese durch die neuere Gesetzgebung dem 
Oberverwaltungsgericht zugewiesen ist, ist durch Gesetz v. 8. Mai 1889 (G. S., S. 107) 
ein besonderer Disziplinarsenat gebildet, bestehend aus zwei Präsidenten und sieben 
Mitgliedern des Gerichtshofes unter Vorsitz des Präsidenten; für die Entscheidung über 
Ordnungsstrafen, die die Gesetze dem Oberverwaltungsgerichte zuweisen, ist dessen erster 
Senat zuständig. 
E. Was die Oberrechnungskammer betrifft, so übt diese die Disziplinar- 
gewalt über ihre Beamten aus; für Präsident und Mitglieder der Oberrechnungs- 
kammer ist der große Disziplinarsenat des Kammergerichts zuständig; für erstere gilt das 
Disziplinargesetz für die nicht richterlichen Beamten, für letztere das Richterdisziplinar- 
gesetz.? 
IV. Besondere Vorschriften gellen für die Notare. In dem Geltungsbereiche 
des Gesetzes über das Verfahren bei der Aufnahme von Notariatsinstrumenten v. 11. Juli 
1845, umfassend die Oberlandesgerichtsbezirke Königsberg, Marienwerder, Berlin, Stettin, 
Posen, Breslau, Naumburg, Kiel, Hamm, Kassel und Frankfurt a. M., war der Dis- 
ziplinarsenat des Oberlandesgerichts das zuständige Disziplinargericht erster Instanz; auf 
das Disziplinarverfahren fanden die Vorschriften, welche über das Verfahren gegen richter- 
liche Beamte gelten, Anwendung", der große Disziplinarsenat bei dem Oberlandesgerichte 
zu Berlin (dem Kammergerichte) war zweite Instanz. In der Provinz Hannover be- 
stand derselbe Rechtszustand auf Grund des Art. V, §. 67 der Verordnung v. 23. Sept. 
18675 in Verbindung mit den allgemeinen Vorschriften des Gesetzes v. 9. April 1879 
und dem §. 8 des Gesetzes v. 8. März 1880.“ Im Begzirke des Oberlandesgerichts 
zu Cöln bildete die Zivilkammer des Landgerichts die erste Instanz; Berufungs= und 
Beschwerdeinstanz war derjenige Senat des Oberlandesgerichts, in welchem der Präsident 
den Vorsitz führte.7 Jetzt sind allgemein maßgebend die Vorschriften des preußischen 
Gesetzes über die freiwillige Gerichtsbarkeit v. 21. Sept. 1899 (G. S., S. 249), Art. 
93 und 94. Danach sind bezüglich des Verfahrens die Vorschriften des §. 21 des 
Richterdisziplinargesetzes für die ganze Monarchie in Kraft gesetzt. Disziplinargericht 
erster Instanz ist der Disziplinarsenat des Oberlandesgerichts, Berufungsgericht der große 
Disziplinarsenat beim Kammergericht. 
  
1 Vgl. das Nähere bei Schön, Recht der 
Komm. Verb., S. 157 ff. (städtische Beamte), 
S. 199 (Landgemeinden), S. 348 (Gutsvorsteher), 
S. 354 (Amtmänner und Landbürgermeister in 
Westfalen und der Rheinprovinz), S. 407 (Kreis- 
beamte), S. 4588 (Provinzialbeamte); dazu für 
Hessen-Nassau Städteordnung und Landgemeinde- 
ordnung, beide v. 4. Aug. 1897 (G. S., S. 282, 
340), Städteordn., §. 91, Landgemeindeordn., 
§. 115. 
* Für die Kreis= und Provinzialausschüsse 
s. Schön, a. a. O., S. 402, 452. VWgl. 
  
L. V. G., §. 14 (Provinzialrat), §. 39 (Kreis- 
ausschuß). 
* G. v. 27. März 1872 (G. S., S. 278), 
88. 5, 6, G. v. 8. April 1879 (G. S., 
S. 347), s§. 5. Vgl. Laband, Bd. I, S.393, N. 7. 
#§. 21 des Ges. v. 9. April 1879. 
G. S. 1867, S. 1615. 
G. S. 1880, S. 177. 
Art. 50 der Verordnung v. 25. April 1822 
(G. S. 1822, S. 115), Kab. O. v. 21. Juli 
1826, Ziffer 4 (G. S. 1826, S. 71), G. v. 
9. April 1879, §. 11 (G. S. 1879, S. 347). 
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