Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Zweiter Band. (2)

740 Die Staatsbehörden. (8. 108.) 
von welchen wenigstens drei der Schiffahrt kundig sein müssen. Der Vorsitzende und 
ein schiffahrtskundiger Beisitzer werden vom Kaiser ernannt; für das Amt der übrigen 
Beisitzer bringen die Regierungen der Bundesseestaaten je drei sachkundige Personen für 
je drei Jahre in Vorschlag, aus denen der Vorsitzende für jeden Beschwerdefall fünf 
Beisitzer auswählt. Das Oberseeamt verhandelt und entscheidet in öffentlicher Sitzung.1 
III. Die Verwaltungsgerichte der allgemeinen Verwaltung in Preußen 
haben folgende, jetzt in der ganzen Monarchie durchgeführte Organisation: 
1. Als Verwaltungsgericht unterer Instanz besteht für den Bezirk des Kreises der 
Kreisausschuß, für selbständige Stadtkreise der Stadtausschuß in der regel- 
mäßigen Zusammensetzung (s. darüber oben, S. 363), jedoch mit besonderen Vorschriften 
für das Verfahren, das „Streitverfahren“, gegenüber dem gewöhnlichen Beschlußverfahren; 
der Kreis= beziehungsweise Stadtausschuß als Verwaltungsgericht hat zu entscheiden in 
allen, aber auch nur in denjenigen Angelegenheiten, die durch besondere gesetzliche Vor- 
schrift dem Streitverfahren überwiesen sind W; mangels einer solchen besonderen gesenzlichen 
Vorschrift tritt immer das Beschlußverfahren ein; als Verwaltungsgericht ist der Kreis 
ausschuß vollkommen unabhängig und kann von keiner vorgesetzten Behörde angewiesen 
werden. 
2. Als höhere Instanz der Verwaltungsgerichtsbarkeit besteht für jeden Regicrungs- 
bezirk, sowie für den Bezirk der Stadt Berlin ein Bezirksausschuß, beziehungs- 
weise für Berlin, die Regierungsbezirke Düsseldorf und Arnsberg je zwei Bezirksausschüsse 
mit geographischer Gliederung. Die Zusammensetzung der Bezirksausschüsse als Verwal- 
tungsgerichte ist die gleiche wie als Beschlußbehörden (s. oben, S. 544); das Verfahren 
ist auch hier ein verschiedenes, ebenso wie beim Kreisausschuß; zuständig als Verwaltungs- 
gericht, im „Streitverfahren“, ist der Bezirksausschuß, teils als erste Instanz, teils 
als Berufungsinstanz über den Kreis= und Stadtausschüssen, aber gleichfalls immer 
nur in. den gesetzlich hierfür bestimmten Fällen (s. oben, Ziff. 1). Außerdem sind den 
Bezirksausschüssen noch in weitem Umfange disziplinarische Entscheidungen bezüglich der 
Selbstverwaltungsorgane der Stadt= und Landgemeinden, Kreise und Provinzen über- 
tragen (s. oben, S. 733). 
Auch die Bezirksausschüsse sind als Verwaltungsgerichte vollkommen unabhängig 
und können nicht angewiesen werden. 
3. Als oberste Instanz der Verwaltungsgerichtsbarkeit in Preußen bestcht das 
Oberverwaltungsgericht“, das nur im Streitverfahren tätig wird. Uber Zusammen- 
setzung und verwaltungsrechtliche Stellung s. oben, S. 367. Das Oberverwaltungs- 
gericht ist in einzelnen Sachen erste Instanz, in der Regel Beschwerde-, Berufungs- 
oder Revisionsinstanz über den unteren Verwaltungsgerichten. Uber den besonderen und 
durch besonderes Gesetz geschaffenen Disziplinarsenat beim Oberverwaltungsgericht s. oben, 
S. 733. 
IV. Dazu treten als besondere Verwaltungsgerichte für einzelne Zweige 
der Verwaltung: 
1. Für Armenstreitsachen die Bezirksausschüsse mit dem Instanzenzug an dos 
Bundesamt für Heimatwesen; s. oben, S. 738. 
2. Für Untersuchung von Seeunfällen der Handelsschiffe die Seeämter mit dem 
Instanzenzug an das Reichsoberseeamt; s. oben, S. 739. 
3.Für landwirtschaftliche Streitsachen die Generalkommissionen mit dem Instanzen- 
zug an das Oberlandeskulturgericht; s. oben, S. 415, 416, 514. 
  
1 §5. 27, 29— 31 a. a. O. — Agl. die Ge- 7 L. V. G., §§. 7, 36 f.; s. oben, S. 363, 633. 
schäftsordnung für das Oberseeamt v. 3. Mai 4 In dem Verwaltungsgerichtsges. v. 3. Jule 
1878 nebst Nachtrag v. 10. Mai 1879 (Zen-1875, §. 1, war dies besonders ausgesprochen. 
tralbl. für das D. R. 1878, S. 276, u. 1879, 5 L. V. G., §§. 7, 28 ff.; s. oben, S. 544 f. 
S. 371). " Verwaltungsgerichtsges. v. 3. Juli 18375, S.17 f. 
* G. Meyer-Anschütz, S. 667 ff. und die (G. S. 1880, S. 328). 
dort zitierte Literatur.
	        
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