Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Zweiter Band. (2)

Die Verwaltungsgerichte. (S. 108.) 741 
V. Die Behörden zur Entscheidung von Kompeten zkonflikten.# 
1. Das Deutsche Gerichtsverfassungsgesetz v. 27. Jan. 1877 hat im §. 17, Abs. 1 
ausgesprochen, daß grundsätzlich die Gerichte über die Zulässigkeit des Rechtsweges ent- 
scheiden; die preußische Gesetzgebung hat jedoch von der der Landesgesetzgebung im Abs. 2 
des §. 17 a. a. O. erteilten Ermächtigung?, die Entscheidung von Streitigkeiten zwischen 
den Gerichten und Verwaltungsbehörden oder Verwaltungsgerichten über die Zulässigkeit 
des Rechtsweges besonderen Behörden zu übertragen, unter Wahrung der reichsgesetzlichen 
Normativbestimmungen für solche Behörden, durch Erlaß der Verordnung v. 1. Aug. 1879, 
betreffend die Kompetenzkonflikte zwischen den Gerichten und den Verwaltungsbehörden?s, 
Gebrauch gemacht. Die Entscheidung von Streitigkeiten über die Zulässigkeit des Rechts- 
weges erfolgt danach im Falle der Erhebung des Kompetenzkonflikts durch den Gerichts- 
hof zur Entscheidung der Kompeten zkonflikte." Dieser Gerichtshof kann also 
Landesgerichte immer endgültig für zuständig erklären, nicht aber das Reichsgericht. 
2. Dem Verfahren bei Kompetenzkonflikten nachgebildet ist das Verfahren, wenn 
gegen einen Zivil= oder Militärbeamten wegen einer in Ausübung oder in Veranlassung 
der Ausübung seines Amtes vorgenommenen Handlung oder wegen Unterlassung einer 
Amtshandlung eine gerichtliche Verfolgung im Wege des Zivil= oder Strafprozesses ein- 
geleitet worden ist. In diesem Falle steht, zufolge der Bestimmung des §. 1 des Ge- 
setzes v. 13. Febr. 1854, betreffend die Konflikte bei gerichtlichen Verfolgungen wegen 
Amts= und Diensthandlungen", der vorgesetzten Provinzial= oder Zentralbehörde des 
Beamten, wenn sie glaubt, daß derselbe sich einer Uberschreitung seiner Amtsbefugnisse 
oder der Unterlassung einer ihm obliegenden Amtshandlung nicht schuldig gemacht habe, 
die Befugnis zu, den Konflikt zu erheben. Das Gesetz v. 13. Febr. 1854, dessen 
Wirksamkeit durch den Art. IV der Verordnung v. 16. Sept. 18677 auch auf die im 
Jahre 1866 neuerworbenen Landesteile ausgedehnt worden ist?, hatte die Entscheidung 
über solche Konflikte dem in Gemäßheit des Gesetzes v. 8. April 1847 errichteten Kom- 
petenzgerichtshofe übertragen. Diese Bestimmung ist durch den §. 11 des Einführungs- 
gesetzes v. 27. Jan. 1877 zum Deutschen Gerichtsverfassungsgesetze? abgeändert worden, 
welcher (Abs. 2) vorgeschrieben hat, daß die landesgesetzlichen Vorschriften, durch welche 
die Verfolgung der Beamten entweder im Falle des Verlangens einer vorgesetzten Be- 
hörde — so in Preußen — oder unbedingt an die Vorentscheidung einer besonderen 
Behörde gebunden ist, nur mit der Maßgabe in Kraft bleiben, daß die Vorentscheidung 
auf die Feststellung beschränkt ist, ob der Beamte sich einer überschreitung seiner Amts- 
befugnisse oder der Unterlassung einer ihm obliegenden Amtshandlung schuldig gemacht 
habe, und daß in den Bundesstaaten, in welchen ein oberster Verwaltungsgerichtshof be- 
steht, die Vorentscheidung diesem, in den anderen Bundesstaaten dem Reichsgerichte zu- 
steht. Demzufolge erfolgen in Preußen die in Rede stehenden Vorentscheidungen durch 
  
1 Vgl. G. Meyer-Anschütz, Staatsrecht,G. v. 25. Febr. 1878 (G. S., S. 97); s. oben, 
S. 662 ff.; Nadbyl in Stengels Wörterbuch. S. 367. 
Bd. l. S. 808 ff.; Droop, Der Rechisweg in 5 S. zu dieser interessanten Streitfrage Struck- 
Preußen (1899); Stölzel, Rechtsweg und Kom-mann u. Koch, Bd. II. S. 502; Meyer-An- 
vetenzkonflikt 1001; derselbe, Rechtsprechung des sch ütz, S. 666, N. 13. Der Streit ist jetzt im 
Gerichtehofs zur Entscheidung der Kompetenz= Siinne des Reichsgerichts erledigt durch pr. G. 
konflikte 1597, Nachträge dazu im Preuß. Verw. Bl., v. 22. Mai 1902 (G. S., S. 145); danach ist 
Bd. XXl. S. ff., /77 ff.; Oppenhoff, Die die Entscheidung des Reichsgerichts über Zustän- 
Gesetze über die Ressortverhältnisse, 2. Aufl., 104., digkeit oder Unzuständigkeit der Gerichte unbedingt 
Historisches (Instr. v. 10. Febr. 1756) bei Löning maßgebend. 
im Verw. Arch., Bd. II, S. 266 ff. % G. S. 1854, S. 86; s. dazu Meyer-An- 
: S. dazu Struckmann u. Koch, Komment., schü , S. 631 f. 
Bd. II. S. 490 ff. *7 G. S. 1867, S. 1516. 
* G. S. 1879, S. 573. * Für das vormalige Herzogtum Lauenburg 
4 Uber die Organisation dieses Gerichtshofes jetzt Kreis Herzogtum Lauenburg) gilt das Ge- 
und das Verfahren bei demselben vgl. das Nähere setz v. 13. Febr. 1854, zusolze des - 3 des Ges. 
G. v. S. April 1847 (G. S., S. 170), auoge= v. 25. Febr. 1878 6. . 1878, S. 99). Vgl. 
dehnt auf die neuen Provinzen durch die Ver-= Rd. I, S. 106. S. 521, Note 1. 
ordnung v. 16. Sept. 1867, auf Lauenburg durch R. G. Bl. 1877, k 73.
	        
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