Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Zweiter Band. (2)

72 Das Staatsbürgerrecht. (§. 52.) 
nichts geändert; vielmehr hat der Abs. 2 von Art. 58 des Einf. G. denselben ausdrück- 
lich aufrechterhalten, sowohl für den vormaligen Reichsadel, als den diesem gleichgestellten 
landsässigen Adel. Voraussetzung und Schranke aber ist auch hier wie bei den Standes- 
herren die Bestimmung: „nach Maßgabe der Landesgesetze“. Als besondere Vorrechte 
des Adels als solchen sind nicht zu betrachten die Rechte, welche einzelne adlige Familien 
oder Kategorien von solchen bezüglich der Vertretung im Herrenhause haben.? So bildet 
der niedere Adel juristisch keinen besonderen Stand mehr, sondern nur noch einen sozialen 
Interessenverband und eine (freilich keineswegs mehr homogene) Gesellschaftsschicht mit 
besonderer Titulatur. 
II. Die besonderen Rechte des Adels bestehen, wie sich aus der obigen Erörterung 
ergibt, jetzt im wesentlichen nur noch in der Befugnis zur Führung des adligen Namens 
und Wappens und der damit verbundenen Titel und Prädikate. In dieser Beziehung 
bestimmt nämlich das Allgem. Landrecht, Tl. II, Tit. 9, §§. 14 und 15, daß niemand, 
welcher den Adelsstand nicht durch Geburt oder landesherrliche Begnadigung erhalten hat, 
adlige Prädikate und Vorrechte sich anmaßen,“ und daß ebensowenig jemand aus dem 
niederen Adel Rechte oder Prädikate der höheren Stufen sich eigenmächtig beilegen darf. 
Auch bestimmt der §. 16 a. a. O., daß niemand sich eines adligen Familienwappens? 
  
  
ihre privatrechtliche Bedeutung behalten, und sind 
durch den Art. 4 nicht für aufgehoben zu er- 
achten. Daher sind namentlich die Gesetze über 
die autonomischen Befugnisse gewisser Familien 
des rheinischen und westfälischen Adels (s. unten) 
durch den Art. 4 nicht beseitigt worden, wie dies 
auch von dem Justizminister mit Recht bemerkt 
worden ist (vgl. Stenogr. Ber. des Abg. H. 1855 
—56, S. 607—608). Das Eheverbot wegen 
Ungleichheit des Standes (A. L. R. II, §&. 30 
—33) wurde im Verfolge dieser Entwicklung 
durch G. v. 22. Februar 1869 (G. S. 365) 
mit allen seinen Folgen aufgehoben, s. dazu Drucks. 
d. Abg. H. 1868—69, Stenogr. Ber. II, S. 
1157 ff. 
1 S. S. 50. 
* S. dazu Bd. I, S. 281. 
* In den auf dem linken Rheinufer belegenen 
Landesteilen hatte die fremdherrl. Gesetzgebung 
allen Erbadel abgeschafft, und die Dekrete der 
französ. Regierung v. 18. Juni 1790 u. v. 6. 
Fruktidor II (23. Aug. 1794) (s. in v. Da- 
niels, Handb., Bd. I, S. 216, Bd. II, S. 607) 
hatten verboten, neben dem Familiennamen noch 
andere Namen oder Beinamen oder Prädikate, 
die sich auf Lehnwesen oder Adel beziehen, zu 
führen. Allein die K. O. v. 13. Jan. 1826 
(G. S., S. 17) hat diese Gesetze außer Kraft 
gesetzt und die Familien, welche vor der Ab- 
schaffung des Adels berechtigt gewesen sind, Titel, 
Prädikate und Wappen des Adels zu führen, darin 
wiederhergestellt. 
Die Gerichte (Staatsanwalte) sollen bei ver- 
meintlicher Anmaßung des Adels oder einer 
höheren Adelsstufe sich ins Einvernehmen setzen 
mit der seit 1354 zur „Bearbeitung“ von Adels- 
sachen durch königl. Kab. O. v. 16. Aug. (G. S. 
516) errichteten, dem Haueministerium unter- 
stellten Behörde, dem Heroldsamt, s. über dessen 
verwaltungserechtliche Stellung Kekule von 
Stradonitz im Arch. f. öff. R., Bd. 13, S. 
191 ff. Amtliche Befehlsgewalt hat das Herolds- 
amt nicht, da es keinem Staatsminister unter- 
stellt ist. Verf. d. Just. Min. v. 12. Juni 1355 
(J. M. B., S. 175), sowie die S. 77 Note 2 
  
S. 78 Note 5 zit. Erkenntnisse der obersten preuß. 
Gerichte. — Bartolomäus beantwortet die 
Frage: „Wer entscheidet rechtsgültig über den 
Adelsstand einer Person im Gebiet des preuß. 
allgem. Landrechts?“ Alrch. f. öff. R. 12, S. 276ff. 
dahin, es sei dies allein möglich durch Urteil der 
ordentlichen Gerichte 1. im Prozeß gegen eine 
Privatwerson (setzt namentlich aus §. 12 B. G. B.) 
oder 2. im Strafprozeß auf die Anklage nach 
#§. 368, Nr. 8 R. Str. G. B.; durch Verfügung 
der Verwaltungsbehörden könne der Staat nie- 
mand den Adel entziehen, denn der niedere Adel 
geht nach Preuß. R. jetzt nur noch 1. durch 
Adoption mit dem Namen eines unadligen Baters 
(§. 83, II, 9 A. L. N.), 2. durch Heirat mit einem 
unadligen Mann, §. 89 das., aber durch nichts 
anderes verloren. Jetzt gelten S§. 1758, 1772 
B. G. B. Auch das Reichsgericht hat in der 
E. v. 30. Nov. 1903 (Jur. Wochenschr. 1904, 
S. 53, Seuff. Arch. 59, S. 305) erklärt, die Ent- 
scheidung darüber, ob jemand dem Adelsstande 
angehört, sei dem ordentlichen Rechtswege ent- 
zogen, nicht aber die Entscheidung darüber, ob 
jemand Mitglied einer adligen Familie ist. — 
Eine Adelsmatrikel gibt es in Preußen nicht. 
Im HKönigreich Sachsen ist am 19. Sept. 1902 
das Gesetz betr. die Einrichtung eines Adels- 
buchs und die Führung des Adels und der Adels- 
zeichen (G. u. V. Bl., S. 381) ergangen. Es 
wurde insbesondere damit begründet, daß die be- 
sondere soziale Wertschätung des Adels es mit 
sich bringe, daß er von vielen erstrebt werde, 
denen er nicht zukomme; daß die Begründung 
von Adelsansprüchen oft auf sehr zweifelhaften 
Unterlagen beruht und gelegentlich selbst Fäl- 
schungen unterlaufen: daß endlich der Erwerb 
des Adels nicht selten auf Wegen gesucht und 
dargeboten wird, die zum Mißbrauch und zur 
Herabwürdigung der ganzen Einrichtung führen 
müssen. Vgl. v. Einsiedel, Kgl. sächs. Adels- 
gesetz, 1902. 
5 Nur das einer vorhandenen Familie eigen 
tümliche Wappen darf sich niemand beilegen; 
sonst ist die Annahme und Führung eines 
Wappens eine res merae facultatis, worauf
	        
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