78 Das Staatsbürgerrecht. (8. 52.)
gemeine Landrecht (II, 9, §§. 91, 92) bestimmte auch, daß jemand wegen grober Ver-
brechen des Adels entsetzt werden könne und die Kriminalgesetze enthielten die Bestim-
mungen darüber, in welchen Fällen darauf erkannt werden müsse. Es wird indes nach
Maßgabe des Reichsstrafgesetzbuches jetzt nicht mehr auf den Verlust des Adels er-
kannt und ebensowenig tritt der Verlust infolge einer Verurteilung zur Zuchthausstrafe
oder zu einer mit dem Verluste der bürgerlichen Ehrenrechte verbundenen Freiheitsstrafe
ein. Die früheren Bestimmungen sind durch die Vorschriften der 9§. 31 ff. des Reichs-
strafgesetzbuches beseitigt worden. — Der Adel geht auch nicht durch bloßen Nichtgebrauch
verloren 1; wohl aber kann dem Adel entsagt werden.? Hat eine adelige Familie sich in
zwei Geschlechtsfolgen ihres Adels nicht bedient, so muß derjenige, welcher davon wieder
Gebrauch machen will, die Befugnis dazu besonders nachweisen. ?
VI. Die Erneuerung des Adels kann von demjenigen, der oder dessen Vorfahren
denselben verloren haben, bei dem Könige nachgesucht werden.“
VII. Seit dem Untergange des alten Reiches ist der Adel in Deutschland ledig-
lich und ausschließlich Sache der Einzelstaaten; daran ist durch Aufrichtung des neuen
Reiches keine Anderung erfolgt. Als eine notwendige Folge der Aufrichtung des Reiches
aber erscheint es, daß jeder Deutsche den ihm landesrechtlich zustehenden Adel überall
im Gebiete des Deutschen Reiches zu führen befugt ist; herkömmlich wird dies auch für
nichtdeutschen Adel zugestanden?; daß in letzterer Richtung Einschränkungen oder Ver-
bote zulässig sind, ist zweifellos; für deutsche Adelsprädikate aber wird dies als den
Grundlagen des Reiches sowie den Vorschriften über Staatsangehörigkeit und Freizügig-
keit widersprechend erachtet werden müssen; aus dem Grundsatze, daß jeder Deutsche in
jedem Einzelstaat als Inländer anzusehen und rechtlich zu behandeln ist — Reichsverf.
Art. 3, Abs. 1 —, muß auch die Befugnis zur Führung deutscher Adelsprädikate im
Gesamtgebiete des Deutschen Reiches gefolgert werden, was nicht ausschließt, daß in
einem Einzelstaat für die Annahme eines von einem anderen Einzelstaate verliehenen
Adelsprädikates eine besondere landesherrliche Genehmigung für die eigenen Staats-
angehörigen, wie in Preußen nach A. L. R. II, 9, §. 13 und Anh. 8S. 118 gefordert
wird. Im übrigen aber „gibt es in Preußen keine Vorschrift, nach welcher das Herolds-
amt berechtigt wäre, einem in Preußen lebenden Nichtpreußen die Führung des ihm von
seinem Landesherrn verliehenen Adelsprädikates zu untersagen; es gibt ferner auch keine
Vorschrift, nach welcher eine solche Adelsführung ohne eine derartige Untersagung als
unbefugt angesehen werden könnte“ (Urt. des Kammerger. v. 2. Mai 1904).
Zu §. 52 vgl. jetzt das während des Druckes erschienene Werk von Herm. Rehm:
„Prädikat= und Titelrecht der deutschen Standesherren“ (München 1905), bes. 8§. 44—49,
sowie die Nachträge zu Bd. II.
1 A. L. N., II, 9, §. 94. Al. L. R., II, 9, §. 966. — Durch eine solche
à Für eine solche Entsagung ist keine Form
vorgeschrieben, weshalb es weder einer Bestätigung
derselben, noch einer öffentlichen Bekanntmachung
bedarf „Reskr. des Justizmin. v. 20. Juli 1816
im Einverständnis mit dem- M. d. Inn., v.
Kampt, Jahrb., Bd. VIII, S. 31. Das Restkr.
v. 28. Sept. 1816 (a. a. O., S. 243) hält eine
solche Entsagung für unwiderruflich und nimmt
an, daß die Erneuerung des Adels nur auf die
im §. 96 A. L. R., II, 9 vorgeschriebene Weise
erfolgen könne.
2* A. L. R., II, 9, §. 95 und Anh. §. 120.
— Der Nachweis muß jetzt bei dem Min. des
königl. Hauses geführt werden. Vgl. Reskr. v.
16. Febr. 1838 (v. Kampt, Jahrb., Bd. LI,
S. 177) und die Abhandl. in der Jur. Wochen-
schr. 1840, 468, desgl. das Z. R. des Justiz-
min. v. 13. Jum 1855, betr. das Heroldsamt
(J. M. Bl. 1855., S. 175)|.
Erneuerung werden die besonderen Vorrechte des
alten Adels, ohne ausdrückliche Erklärung des
Königs, nicht wieder hergestellt (§. 97 a. a. O.).
5 Vgl. über diesen Punkt Störk in Holtzen=
dorffs Handb. d. Völkerrechts, Bd. 2, S. 612 f.;
v. Bar, Internat. Priv. R., I, S. 415; v.
Martens-Bergbohm, Völkerrecht II, S. 296 f.;
dieser Ansicht hat sich auch das Kammergericht im
Urteil v. 2. Mai 1904 angeschlossen. Daraus
folgert das Kammergericht, daß nichtpreußischer
Adel ein Bestandteil des Namens u. demgemäß
eine Feststellungeklage aus B. G. B., §. 12 zu-
lässig sei. Mgl. Goetze, Das preußische Herolds-
amt und §. 12 B. G. B. in Iherings Jahrb.
Bd. 48 (1904) S. 399 und auch sächs. G. v. 19.
Sept. 1902 (G. u. V. Bl., S. 381) §. 7, Abs. 1.
— Eine nicht publ. Kab. O. v. 31. März 1872
gestattet grundsäunlich Ausländern, die Preußen
werden, die Fortführung ihres bisherigen Adels.