Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Zweiter Band. (2)

80 Das Staatsbürgerrecht. (F. 53.) 
Staatsangehöriger und Untertan sind identische Begriffe; die Unter- 
tanenschaft ist der Inhalt der Staatsangehörigkeit, sie ist demnach auch 
qualitativ immer gleich: das Prinzip der Gleichheit aller vor dem Gesetz 
(s. §. 50). Ouantitativ aber stuft sich das Untertanenverhältnis in sehr ver- 
schiedener Weise ab: nach Geschlecht vor allem und nach Alter der Menschen; dazu 
kommen noch die besonderen privilegierten Verhältnisse, die oben zu betrachten waren und 
teils aus dem Wesen des monarchischen Staates sich ergeben, teils als rechtshistorische 
Bildungen früherer Zeit noch dem heutigen Staatsrecht angehören (§. 51). 
Jene quantitativen Verschiedenheiten erscheinen im bürgerlichen Rechte als der Be- 
griff der „Rechtsfähigkeit"" und finden in diesem Rahmen ihre eingehende Würdigung; 
für das Gebiet des Strafrechtes tritt hier der besondere Begriff der „Strafmündigkeit“ 
ein. Für das Gebiet des Staatsrechtes sind jene quantitativen Verschiedenheiten gleich- 
falls in weitem Umfange vorhanden: das weibliche Geschlecht hat seiner Natur nach 
keinen Anteil an derjenigen staatsrechtlichen Grundpflicht, die, weil sie unter Umständen 
den Einsatz und die Aufopferung des Lebens fordert, als die höchste erscheint: der Militär- 
pflicht; schon daraus, um von anderen Gesichtspunkten hier abzusehen, ergibt sich die 
notwendige Rechtsfolge, daß das Weib auch keinen Anteil haben kann an den Rechten, 
welche den Untertanen nach heutiger Entwicklung bezüglich der Leitung des Staates durch 
Regierung und Verwaltung eingeräumt sind, während für das Gebiet des bürgerlichen 
Erwerbslebens allerdings diese quantitative Verschiedenheit mehr und mehr beseitigt worden 
ist. Die Verschiedenheit der Pflichten und Rechte nach Maßgabe des menschlichen Alters 
ist für bürgerliches und öffentliches Recht teils in gleicher Weise normiert — von be- 
sonderer Wichtigkeit, wenn auch keineswegs allein maßgebend ist hier das durch §. 2 
des B. G. B. auf das vollendete 21. Lebensjahr normierte Alter der Volljährigkeit —, 
teils enthält die Spezialgesetzgebung verschiedene Vorschriften, so für Wehr= und Militär- 
pflicht, Wahlrecht und Wählbarkeit u. a. m. 
Gesetzliche Minderungen der Untertanenpflichten und Rechte — das Gegenstück zu 
den vorerwähnten gesetzlichen Bevorzugungen (s. §§. 49—51) — enthält die Spezial- 
gesetzgebung nach verschiedenen Richtungen, sowohl für das Gebiet des bürgerlichen, als 
des Straf= und Staatsrechtes. Die besonderen staatsrechtlichen Vorschriften dieser Art 
tragen keinen selbständigen Charakter, sondern schließen sich in der Hauptsache dem bürger- 
lichen und Strafrechte an oder sind die Folgen besonderer Rechtsverhältnisse zum Staat; 
nur die erstere Gruppe — und auch diese mit Ausnahmen (Geisteskrankheit, Verschollen- 
heit) —, hat zugleich den Charakter einer Ehrenminderung, der capitis deminutio 
im Sinne des Römischen Rechtes. Diese Rechtsminderungen sind auch verschieden dem 
Umfange nach; hierüber bestimmt die Spezialgesetzgebung. Die Grenze dieser Rechts- 
minderung bildet nur: das Recht auf den Staat selbst. Der Gedanke der „Acht- 
erklärung“ ist dem modernen und insbesondere unserem deutschen Rechte fremd geworden. 
Keinem Deutschen kann das Vaterland aberkannt, kein Deutscher kann dem- 
gemäß des Vaterlandes verwiesen oder aus dem Vaterland an eine fremde 
Regierung ausgeliefert werden!; die Ausnahmen von diesem großen Prinzip der 
modernen Kulturwelt, die die Gesetzgebung des Deutschen Reiches festhält ??, sind bei 
näherem Zusehen keine Ausnahmen, sondern lediglich notwendige Folgerungen aus dem 
Prinzip.? — 
Uber das Verhältnis von Staatsangehörigkeit und Indigenat im heutigen deutschen 
Bundesstaate gemäß Reichsverf. Art. 3 s. B. I, S. 604. 
1 Laband l, S. 140 f.; v. Martitz in Hirths der Reichsgrenzen stattfinden. Freizügigkeitsgesetz 
Ann. 1875, S. 800. Internationale Rechts= v. 1. Nov. 1867, §§. 3—5; auch das preuß. G. 
hilfe 1, S. 113 ff. v. 31. Dez. 1842 gilt noch, soweit es sich um 
: Staatsangeh. G., §§. 20 u. 22, vgl. Bd. I, Ausweisung gewisser vorbestrafter Personen handelt. 
S. 621 ff. Vgal. über die Notwendigkeit einer Kontrolle einzel- 
Aus armenrechtlichen Gründen kann staatlichen Ausweisungsrechts durch das Reich 
allerdings eine Beschränkung des Aufenthalts, Bornhak, Die Ausweisung fremder Staatsan- 
Ausweisung und Abweisung, aber nur innerhalb gehörigen 1900, S. 15. 
 
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.