Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Dritter Band. Erste Abteilung. (3_1)

96 Die Gesetzgebung. 
G. 118.) 
a) Streitig geworden ist, ob das Herrenhaus sich mit keinem anderen Staatshaus- 
haltsgesetzentwurfe beschäftigen darf als mit demjenigen, welchen das Abgeordnetenhaus. 
beschlossen hat, und ob es nur diesen im ganzen annehmen oder ablehnen darf — 
oder ob das Herrenhaus auch mit dem von der Staatsregierung zuerst dem Abgeordneten- 
hause vorgelegten Staatshaushaltsgesetzentwurfe befaßt wird und das Recht hat, diesen 
letzteren, unter Ablehnung des von dem Abgeordnetenhause beschlossenen, im ganzen 
anzunehmen. 
Während das Herrenhaus die letztere Ansicht für die richtige erachtet 
und demgemäß sich für berechtigt gehalten hat, nicht bloß den von dem Abgeordneten- 
hause beschlossenen Staatshaushaltsgesetzentwurf abzulehnen, sondern auch statt desselben 
den von der Staatsregierung vorgelegten Staatshaushaltsgesetzentwurf (im ganzen) an- 
zunehmen, hat das Abgeordnetenhaus in dem zweiten Teile dieses Beschlusses des 
Herrenhauses eine Verfassungsverletzung gefunden und denselben durch einen seinerseits 
gefaßten Beschluß für null und nichtig erklärt, mit dem Zusatze, daß die Staatsregierung 
aus jenem Beschlusse des Herrenhauses keine Rechte herzuleiten berechtigt sei. Die 
  
kämpfe von 1862—66 geben, sind keine Ver- 
änderungen vorgenommen worden. Über das 
Recht des Herrenhauses, den Etatsentwurf der 
Regierung anzunehmen, s. oben S. 18, Note 1. 
1 Das H. H. hat in der 22. Sitz. vom 
11. Okt. 1862 folgende Beschlüsse gefaßt: a) den 
Gesetzentwurf, betr. die Feststellung des Staats- 
haushaltsetats für das Jahr 1862, in derjenigen 
Fassung, in welcher er aus den Beratungen des 
Hauses der Abgeordneten hervorgegangen ist, ab- 
zulehnen; b) denselben Gesetzentwurf, wie er 
von der königl. Staatsregierung durch Allerh. 
Ermächtigung v. 25. Mai 1862 den beiden 
Häusern des Landtages zur verfassungsmäßigen 
Beschlußnahme vorgelegt ist, anzunehmen (ogl. 
Stenogr. Ber. des H. H. 1862, Bd. II, S. 167 
—222, und den Komm. Ber. des H. H. v. 7. Okt. 
1862,. nebst dem Verbesserungsantrage des Grafen 
v. Arnim-Boytzenburg v. 9. Okt. 1862 lwelcher 
dem Beschl. v. 11. Okt. 1862 zugrunde liegt] in 
den Stenogr. Ber. des H. H. 1862 im Anl. Bd., 
Aktenst. Nr. 31, S. 134—207 und in der Drucks. 
des H. H. 1862, Nr. 82 u. 84). Dagegen hat 
das A. H. in der 65. Sitz. v. 13. Okt. 1862 
(Stenogr. Ber. desselben 1862, Bd. IV, S. 35 
—2246) beschlossen: „der von dem H. H. in seiner 
Sitz. v. 11. Okt. 1862 in Ansehung des Staats- 
haushaltsetats für 1862 gefaßte Beschluß — in- 
sofern er sich nicht darauf beschränkt, den der 
Beratung des H. H. allein unterliegenden Be- 
schluß des A. H. v. 3. Okt. 1862 über die Budget- 
vorlage der Regierung anzunehmen oder zu ver- 
werfen, vielmehr nach Verwerfung des Beschlusses 
des A. H. die Budgetvorlage der Regierung an- 
nimmt, mit welcher das H. H. gar nicht befaßt 
gewesen ist — verstößt gegen den klaren Sinn und 
Wortlaut der Verfassung Art. 62 und ist deshalb 
null und nichtig. Die Staatsregierung kann 
daher keine Rechte aus diesem Beschlusse herleiten.“ 
Dieser Beschluß ist im A. H. einstimmig gefaßt 
worden, nachdem die im wesentlichen damit über- 
einstimmenden Anträge der Abgeordn. Simson 
u. Gen. und Gneist u. Gen. (Drucks. des A. H. 
1862, VII. Legisl. Per., Bd. V. Nr. 175, 
und Stenogr. Ber. 1862, Bd. VIII, Aktenst. 
Nr. 158, S. 1710—1711) zurückgezogen worden 
waren. 
In der Sitz. Per. 1863—64 faßte das H. H. 
in der Sitz. v. 23. Jan. 1864 folgende Beschlüsse: 
  
a) dem Beschlusse des A. H. v. 16. Jan. 1864, 
betr. den von der königl. Staatsregierung vorge- 
legten Gesetzentwurf des Staatshaushaltsetats für 
das Jahr 1864 im ganzen die Zustimmung zu ver- 
sagen; b) dagegen diesen Gesetzentwurf, wie derselbe 
von der königl. Staatsregierung durch Allerh. 
Ermächtigung v. 12. Nov. 1863 den beiden Häusern 
des Landtages zur verfassungsmäßigen Beschluß- 
nahme vorgelegt ist, im ganzen anzunehmen (ogl. 
Stenogr. Ber. des H. H. 1863—64, S. 158— 
159 und Ber. der Budgetkomm. des H. H. v. 
21. Jan. 1864, a. a. O., Anl. Bd., Aktenst. Nr. 15, 
S. 60 ff. und Drucks. des H. H. 1863—64, Nr. 44). 
Dagegen hat das A. H. in der Sitz. v. 25. Jan. 
1864 folgende Beschlüsse gefaßt: a) der Beschluß 
des H. H. v. 23. Jan. 1864, durch welchen das- 
selbe nach Ablehnung des von dem A. H. be- 
schlossenen Staatshaushaltsetatsgesetzes für das 
Jahr 1864 den dem Herrenhause verfassungsmäßig 
nicht vorliegenden Budgetentwurf der königl. 
Staatsregierung im ganzen angenommen hat, ver- 
stößt gegen Art. 62 der Verfassung und ist deshalb 
null und nichtig; b) das H. H. hat durch diesen 
Beschluß das wichtigste Recht des A. H. verletzt, 
und gleichzeitig durch die Ablehnung des von dem 
A. H. beschlossenen Staatshaushaltsetats der 
königl. Staatsregierung die verfassungsmäßige 
Befugnis entzogen, die darin bewilligten Aus- 
gaben zu leisten; c) die königl. Staatsregierung 
macht sich eines offenen Verfassungsbruches schul- 
dig, wenn dieselbe fortfährt, ohne Zustimmung 
beider Häuser des Landtages über die Mittel des 
Staates eigenmächtig zu verfügen (Stenogr. Ber. 
des A. H. 1863—64, Bd. II, S. 924—931). 
In der Sitz. Per. 1864—65 hat das H. H. 
in der Sitz. v. 16. Juni 1865 beschlossen: a) den 
Gesetzentwurf, betr. die Feststellung des Staats- 
haushaltsetats für das Jahr 1865, wie solcher aus 
den Beschlüssen des A. H. hervorgegangen ist, 
abzulehnen; b) von einem Beschlusse auf An- 
nahme des von der königl. Staatsregierung vor- 
gelegten Gesetzentwurfs über den Staatshaus- 
haltsetat für 1865 für diesmal abzusehen; und 
I) die Staatsregierung zu ersuchen, die zur Fort- 
führung der Staatsverwaltung erforderlichen Aus- 
gaben als Verwaltungsnorm festzustellen und 
diese, wie auch die Staatseinnahmen für das Jahr 
1865, zur öffentlichen Kenntnis zu bringen (vgl. 
Stenogr. Ber. des H. H. 1865, Bd. 1, S. 328
	        
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