Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Dritter Band. Erste Abteilung. (3_1)

114 Die Gesetzgebung. (8. 118.) 
das Reichshaushaltsetatsgesetz Bestimmung getroffen werden. Der Art. 69 der Reichs- 
verfassung bestimmt nämlich (entsprechend dem Art. 99 der preußischen Verfassungsurkunde), 
daß alle Einnahmen und Ausgaben des Reiches für jedes Jahr veranschlagt und auf den 
Reichshaushaltsetat gebracht werden müssen, welcher vor Beginn des Etatsjahres durch 
ein Gesetz festzustellen ist. Der Art. 5 der Reichsverfassung schreibt aber vor, „daß die 
Reichsgesetzgebung durch den Bundesrat und den Reichstag ausgeübt wird“. Insoweit 
also die Reichsfinanzgewalt reicht, ist hiernach die Mitwirkung der preußischen Landes- 
gesetzgebung bei der Feststellung des Staatshaushaltsetats teils vollständig aufgehoben und 
auf die gesetzgebenden Organe des Reiches (den Bundesrat und den Reichstag) über- 
gegangen, teils eine eingeschränktere geworden. Inwieweit dies aber der Fall ist, ergibt 
sich aus den betreffenden Bestimmungen der Reichsverfassung. Nach Art. 70 der letzteren 
fließen nämlich in die Reichskasse die gemeinschaftlichen Einnahmen aus den Zöllen und 
den gemeinschaftlichen Verbrauchssteuern" und aus dem Post= und Telegraphenwesen. 
Da nun nach Art. 48 a. a. O. das Post= und das Telegraphenwesen für das gesamte 
Reichsgebiet als einheitliche Staatsverkehrsanstalten eingerichtet sind s und verwaltet 
werden, und da nach Art. 49 a. a. O. die betreffenden Einnahmen für das Reich (mit 
Ausnahme von Bayern und Württemberg)“ gemeinschaftliche sind, auch die entsprechenden 
Ausgaben aus diesen gemeinschaftlichen Einnahmen bestritten werden, so entzieht sich der 
gesamte Etat der Post= und Telegraphenverwaltung der Mitwirkung der zur Feststellung 
des preußischen Staatshaushaltsetats berufenen Faktoren. Dagegen ist dies nicht in 
gleichem Umfange der Fall bezüglich der gemeinschaftlichen Einnahmen des Reiches aus 
den Zöllen und den gemeinschaftlichen Verbrauchssteuern. Denn der Art. 36 der Reichs- 
verfassung bestimmt, daß die Erhebung und Verwaltung der Zölle und der gemeinschaft- 
lichen Verbrauchssteuern jedem Bundesstaate innerhalb seines Gebietes verbleibt, und nach 
Art. 38 der Reichsverfassung fließt nur der Reinertrag aus der gesamten von den Zöllen 
und den gemeinschaftlichen Verbrauchsabgaben aufkommenden Einnahme in die Reichskasse. 
Daraus ergibt sich, daß die Mitwirkung der für Feststellung des preußischen Staats- 
haushaltsetats berufenen Faktoren in bezug auf den Etat der Zölle und der gemeinschaft- 
lichen Verbrauchsabgaben durch die Reichsverfassung nicht vollständig ausgeschlossen ist. 
Nur insoweit findet eine vollständige Ausschließung statt, als die Gesetzgebung über die 
Zölle und die gemeinschaftlichen Verbrauchsabgaben (nach Art. 4, Nr. 2 und Art. 35 
der Reichsverfassung) ausschließlich auf das Reich, also den Bundesrat und den Reichs- 
tag übergegangen ist, folglich eine Mitwirkung der Faktoren der preußischen Gesetzgebung 
hierbei nicht mehr stattfindet, so daß also die Feststellung der Einnahmen aus den Zöllen 
und den gemeinschaftlichen Verbrauchsabgaben sich der Mitwirkung der preußischen Kam- 
mern unbedingt entzieht. Nicht aber ist dies der Fall hinsichtlich der entsprechenden 
Verwaltungsausgaben. Die bei weitem wichtigste Beschränkung der bei dem Zustande- 
kommen des preußischen Staatshaushaltsetats beteiligten Faktoren bezieht sich aber auf 
die Etats der Militär= und der Marineverwaltung 5, bei welchen der preußischen Landes- 
vertretung nach der Reichsverfassung eine Mitwirkung überall nicht mehr zusteht. Was 
insbesondere die Reichskriegsmarine betrifft, welche nach Art. 53 a. a. O. eine einheitliche 
unter dem Oberbefehle des Kaisers ist, so bestimmt der angeführte Artikel (in Abs. 3), 
daß der zur Gründung und Erhaltung der Kriegsflotte und der damit zusammenhängen- 
den Anstalten erforderliche Aufwand aus der Reichskasse zu bestreiten ist. Daraus er- 
gibt sich, daß die Feststellung des Ausgabeetats der Marine lediglich zur Kompetenz des 
Bundesrates und des Reichstages gehört, mithin der Mitwirkung der preußischen Landes- 
vertretung gänzlich entzogen ist. Da ferner nach Art. 11 der Reichsverfassung der 
Kaiser das Reich völkerrechtlich vertritt und die Reichsgesandten ernennt und beglaubigt, 
  
4 Vgl. die Verhandl. des A. H. in der Sitz. 
v. 6. Mai 1867 (Stenogr. Ber. 1867, Bd. I, 
S. 27). 
2 Art. 35 der R. Verf. 
* Das Post= und Telegraphenwesen unterliegt 
nach Art. 4, Nr. 10 der R. Verf. der Beaufsich- 
tigung und Gesetzgebung des Reiches. 
" Art. 52 der Reichsverfassung. 
5 Das Militärwesen des Reiches und die Kriegs- 
marine unterliegen nach Art. 4, Nr. 14 der R. Verf. 
der Beaufsichtigung und Gesetzgebung des Reichs. 
  
 
	        
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