Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Dritter Band. Erste Abteilung. (3_1)

Staatshaushaltsetat und Kontrolle der Finanzverwaltung. (8. 118.) 115 
so sind die Kosten des Ministeriums der auswärtigen Angelegenheiten, einschließlich der 
Reichsgesandtschaften und der Reichskonsulate, auf den Reichshaushaltsetat übernommen, 
weshalb auch bezüglich dieses Etats die Mitwirkung der preußischen Landesvertretung in 
Wegfall kommt. Da endlich in Art. 70 der Reichsverfassung bestimmt ist, daß die- 
jenigen gemeinschaftlichen Ausgaben des Reiches, welche aus den aus Zöllen und gemein- 
schaftlichen Steuern, aus dem Eisenbahn-, Post= und Telegraphenwesen sowie aus den 
übrigen Verwaltungszweigen fließenden gemeinschaftlichen Einnahmen nicht gedeckt werden, 
durch Beiträge der einzelnen Bundesstaaten nach Maßgabe ihrer Bevölkerung (Matrikular- 
umlagen) aufzubringen sind, welche in Höhe des budgetmäßigen Betrages durch den 
Reichskanzler ausgeschrieben werden, so ergibt sich, daß die Feststellung des Betrages 
dieser Beiträge Preußens der Mitwirkung der preußischen Landesvertretung entzogen und 
also auch insoweit das Budgetrecht der letzteren eingeschränkt ist.? 
B) Pflicht der Regierung zur etatsgemäßen Verwaltung der Einnahmen 
und Ausgaben. 
I. Aus der Bestimmung des Art. 99 der Verfassungsurkunde, daß alle Einnahmen 
und Ausgaben des Staates für jedes Jahr im voraus veranschlagt und auf den Staats- 
haushaltsetat gebracht werden müssen, und daß dieser Etat (vor Beginn des Etatsjahres) 
durch ein Gesetz festgestellt werden soll, in Verbindung mit der Bestimmung des Abs. 2 
des Art. 104, daß die allgemeine Rechnung über den Staatshaushalt jedes Jahres den 
Kammern zur Entlastung der Staatsregierung vorzulegen ist, folgt von selbst, daß die 
Staatsregierung die Verpflichtung hat, die Einnahmen und Ausgaben des Staates nach 
Maßgabe des Staatshaushaltsgesetzes und des Staatshaushaltsetats zu verwalten. Dem 
Staatshaushaltsetat aber sind in dieser Beziehung diejenigen Gesetze gleich zu achten, 
welche denselben abändern oder ergänzen, oder welche für das laufende Etatsjahr oder 
nach Abschluß des Etatsgesetzes für das nächstfolgende Etatsjahr eine Einnahme oder 
Ausgabe anordnen. Der Staatshaushaltsetat nebst den Etats= und Finanzgesetzen bildet 
mithin die gesetzliche Norm für die gesamte der Staatsregierung übertragene Finanz- 
verwaltung; sie ist verpflichtet, die Befolgung der ihr hierdurch gegebenen Anweisungen 
nicht bloß in finanzieller Beziehung, sondern auch in der Richtung bei der ihr nach Be- 
endigung des Etatsjahres obliegenden Rechnungslegung den Kammern nachzuweisen, daß 
sie für jede Abweichung von der festgestellten Norm verantwortlich bleibt, bis sie dieselbe 
gerechtfertigt hat. 
Es ist nun unmöglich, den Staatshaushaltsetat in der Weise im voraus fest- 
zustellen, daß Abweichungen von ihm nicht eintreten können; da seine Feststellung vor 
Beginn des Etatsjahres erfolgen muß, so ergibt sich von selbst, daß sowohl Einnahmen 
als Ausgaben vorkommen können, welche sich zur Zeit des Erlasses des Etatsgesetzes nicht 
vorhersehen ließen, indem sie durch tatsächliche Verhältnisse bedingt waren. Die von dem 
Art. 99 der Verfassungsurkunde angeordnete Aufnahme aller Einnahmen und Ausgaben 
des Staates in den Staatshaushaltsetat hat daher zunächst nur den Sinn, daß die 
voraussichtlichen Einnahmen und Ausgaben des Rechnungsjahres auf Grund der vor- 
geschriebenen Veranschlagung in den Staatshaushaltsetat aufgenommen werden müssen. 
Keineswegs aber folgt daraus, daß Abweichungen von dem Voranschlage des Etats über- 
haupt nicht vorkommen dürfen. Die Höhe sowohl der veranschlagten Einnahmen als der 
veranschlagten Ausgaben kann sich durch nicht vorhergesehene Tatsachen in mehrfacher 
Beziehung anders gestalten, als vorausgesehen war; es können Mehr= oder Minder- 
einnahmen wie auch Mehr= oder Minderausgaben gegenüber dem Voranschlage eintreten, 
es können aber auch Gattungen von Einnahmen wie Ausgaben eintreten, welche in dem 
  
  
1 In der Fassung des Ges. v. 14. Mai 1904. 
2 Der Betrag der auf Preußen fallenden 
Matrikularbeiträge zu den Ausgaben des Deut- 
schen Reiches erscheint in dem Staatshaushalts- 
ausgabeetat des preuß. Staates unter den Staats- 
verwaltungsausgaben in dem Abschnitt: „Allge- 
meine Finanzverwaltung“ nur im ganzen und 
bildet lediglich eine der selbständigen Festsetzung 
der preuß. Landesvertretung entzogene Rechnungs- 
position. 
  
  
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