Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Dritter Band. Erste Abteilung. (3_1)

122 Die Gesetzgebung. (8. 118.) 
durch den Abs. 1 des §. 19 des Gesetzes v. 27. März 1872 betreffend die Einrich- 
tung und die Befugnisse der Oberrechnungskammer entschieden. Danach sind Etats- 
überschreitungen im Sinne des Art. 104 der Verfassungsurkunde alle Mehrausgaben, 
welche gegen die einzelnen Kapitel und Titel des nach Art. 99 a. a. O. festgestellten 
Staatshaushaltsetats oder gegen die von der Landesvbertretung genehmigten Titel der 
Spezialetats stattgefunden haben, soweit nicht einzelne Titel in den Etats als übertrag- 
bar ausdrücklich bezeichnet sind und bei solchen die Mehrausgaben bei einem Titel durch 
Minderausgaben bei anderen ausgeglichen werden; unter dem Titel eines Spezialetats 
ist hier aber jede Position zu verstehen, welche einer selbständigen Beschlußfassung der 
Volksvertretung unterlegen hat und als Gegenstand einer solchen im Etat erkennbar 
gemacht worden ist. 
10. Nach dem Abs. 1 des Art. 104 der Verfassungsurkunde ist zu Etatsüber- 
schreitungen die nachträgliche Genehmigung beider Kammern erforderlich. Hieraus, in 
Verbindung mit dem Grundsatze, daß eine Kontinuität der Beschlüsse der Kammern 
nicht statthaft ist, folgt aber, daß die „nachträgliche Genehmigung“ nur in einer 
und derselben Session erfolgen kann, nicht aber in zwei verschiedenen Sessionen 
in der Art, daß das eine Haus in der einen, das andere in einer anderen Session 
seine Genehmigung erteilt.! Die Prüfung und nachträgliche Genehmigung der Etats- 
überschreitungen und die Entlastung der Staatsregierung wegen der allgemeinen Rech- 
nung müssen übrigens scharf auseinandergehalten werden; denn bevor nicht die Ge- 
nehmigung beider Häuser zu den Etatsüberschreitungen erfolgt ist, kann die Entlastung 
über die allgemeine Rechnung nicht erteilt werden, da die Etatsüberschreitungen ein 
integrierender Teil der allgemeinen Rechnung sind und das Abgeordnetenhaus den 
Entschlüssen des Herrenhauses über die Genehmigung der Etatsüberschreitungen nicht 
vorgreifen darf. 
Die Form, in welcher die nachträgliche Genehmigung der Kammern zu vorgekom- 
menen Etatsüberschreitungen erteilt wird, ist die, daß die diese Genehmigung aussprechen- 
den Beschlüsse der Kammern dem Staatsministerium zugefertigt werden.? 
11. Auf diejenigen Fonds, die im Etat ganz oder zum Teil als Dispositionsfonds, Fonds 
zu unvorhergesehenen Ausgaben oder mit ähnlichen allgemeinen Zweckbestimmungen bezeichnet 
sind, dürfen, sofern nicht in einem Spezialetat dies für einen besonderen Fall bestimmt 
ist, keine Ausgaben angewiesen werden, die unter einen anderen Etatstitel fallen (Gesetz 
v. 11. Mai 1898, §. 32). 
12. Ausgabebeträge, über welche von einem bestimmten Zeitpunkt ab oder nach 
Eintritt eines bestimmten Ereignisses nicht weiter verfügt werden darf, sind im Etat 
als künftig wegfallend zu bezeichnen (ebenda §. 33, dazu die näheren Ausführungsvor- 
schriften §§. 34, 35). 
  
Meinungsverschiedenheit, welche jetzt nicht mehr in verschiedenen Sessionen geschehen könne. Der 
von praktischem Interesse ist, vgl. die besonderen letzteren Meinung auch Arndt, Verf. Urk., S. 356. 
Mitteilungen in der 3. Aufl. dieses Werkes, Bd. 1, 2 Die nachträgliche Genehmigung vorgekomme- 
Abt. 1, §. 66, zu II, S. 420—424. — Vgll. ner Etatsüberschreitungen ist rechtlich eine das 
auch die Motive zu den §§. 17 u. 18 des Entw. abgelaufene Budgetgesetz ergänzende und ab- 
der Ob. Rechn. K., Ges. v. 27. März 1872, in ändernde Vereinbarung der Kammern mit der 
den Stenogr. Ber. des A. H. 1871—72, Anl. Staatsregierung, und es würde daher der richtige 
Bd. I, Aktenst. Nr. 21, S. 110, und den Ber. We%g der sein, diese Vereinbarung der drei Faktoren 
der Komm. des A. H. v. 30. Jan. 1872, in den der Gesetzgebung in der Form eines das Etats- 
Stenogr. Ber. desselben 1871—72, Aktenst. Nr. gesetz ergänzenden Nachtragsgesetzes auszusprechen 
148, S. 839, Sp. 2 u. S. 856 ff. und zu publizieren. Diese Ansicht hat auch die 
1 Diesen Grundsatz hat die Budgetkomm. des Budgetkomm. des A. H. in dem Ber. v. 16. Mai 
A. H. in dem Ber. v. 16. Mai 1863 (Drucks. 1863 (Drucks. 1863, VII. Legisl. Per., 1. Session, 
1863, VII. Legisl. Per., 1. Session, Bd. IV, Zd. IV, Nr. 170, und Stenogr. Ber. 1863, Bd. V, 
Nr. 170, und Stenogr. Ber. 1863, Bd. V, Anl. Anl. Nr. 137, S. 1167) für die richtige ange- 
Nr. 138, S. 1176) angenommen, wogegen der nommen jedoch einstweilen davon Abstand genom- 
Kommissar des Fin. Min. die Ansicht aussprach, men, einen Antrag in dieser Rücksicht zu stellen. 
daß die Staatsregierung sich mit jedem der beiden Über die entgegengesetzte Ansicht der Staats- 
Häuser besonders vereinbaren, und daß dies auch regierung vgl. oben S. 121, Note 4. 
 
	        
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