Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Dritter Band. Erste Abteilung. (3_1)

Staatshaushaltsetat und Kontrolle der Finanzverwaltung. 135 
(S. 118.) 
zuzugeben, daß ein großer Teil der in den Etat eingestellten Einnahmen und Ausgaben 
des Staates keineswegs ausschließlich auf ihrer etatsmäßigen Feststellung beruht, sondern 
materiell bereits in anderen Gesetzen bzw. in gesetzlich bestehenden Einrichtungen und 
Organisationen 1 begründet ist, ferner, daß für die den Etat gesetzlich feststellenden Fak- 
toren die staatsrechtliche Verpflichtung besteht, ihr Budgetrecht nur unter Innehaltung 
der hieraus sich ergebenden Schranken auszuüben. Die Staatsregierung erhält nur 
durch das zustande gekommene Staatshaushaltsgesetz die staatsrechtliche Vollmacht 
und die verfassungsmäßige Berechtigung zur Erhebung der darin eingestellten Ein- 
nahmen und zur Leistung der darin vereinbarten Ausgaben. Art. 99 der Verfassungs- 
urkunde hat — entsprechend dem Grundsatze des konstitutionellen Staatsrechtes — die 
Regelung der Ausgaben und Einnahmen des Staates der gesetzgebenden Gewalt 
übertragen. Hierbei sind drei gesonderte Geschäfte der Finanzgewalt zu unterscheiden, 
erstens die Prüfung der Bedürfnisse des Staates und die Feststellung der für notwendig 
zu erachtenden Ausgaben, zweitens die Gestattung der Verwendung der Staatsmittel zur 
Befriedigung der anerkannten Bedürfnisse, drittens die Unterhaltung der vorhandenen und 
nötigenfalls die Gewährung neuer Einnahmequellen. Obschon diese drei Geschäfte be- 
stimmend aufeinander einwirken, so sind sie doch getrennte und ihr Zusammenhang be- 
steht nur darin, daß in einem wohlgeordneten Staatshaushalte möglichst alle anerkannten 
Bedürfnisse berücksichtigt und die Ausgaben genau nach den Einnahmen bemessen werden 
sollen. Dies ist aber die Aufgabe des nach Art. 99 der Verfassungsurkunde für jedes 
Etatsjahr vor dessen Beginn zu vereinbarenden Staatshaushaltsgesetzes. Es sollen für 
jedes Finanzjahr sämtliche Einnahmen und Ausgaben des Staates im voraus ver- 
anschlagt und es soll diese Veranschlagung in der Form eines Gesetzes festgestellt wer- 
den, und erst dann, wenn dies geschehen ist, dürfen die in dem Vorschlage bezeichneten 
Ausgaben aus den darin gleichfalls bezeichneten Einnahmen bestritten werden. Die 
Staatsregierung aber, welcher die Verwaltung der in dem Staatshaushaltsetat bezeich- 
neten Einnahmen und Ausgaben zusteht und obliegt, darf hierbei keineswegs nach ihrem 
einseitigen Ermessen handeln, sondern sie erhält durch das Staatshaushaltsgesetz ihre 
Instruktion und die staatsrechtliche Ermächtigung, die ihr durch das gedachte Gesetz 
überwiesenen Einnahmequellen zu benutzen und aus denselben die gleichfalls durch das- 
selbe anerkannten veranschlagten Ausgaben zu leisten. Was die bestehenden Steuern 
und Abgaben betrifft, so tritt allerdings bezüglich dieser die der preußischen Verfassung 
eigentümliche Bestimmung des Art. 109 der Verfassungsurkunde in Anwendung, daß 
diese forterhoben werden dürfen, bis eine Abänderung durch ein Gesetz eintritt 4; auch 
ergibt der Art. 100 der Verfassungsurkunde, daß die Staatsregierung verfassungsmäßig 
das Recht hat, zu verlangen, daß alle diejenigen Steuern und Abgaben, welche „auf 
besonderen Gesetzen“ beruhen, auch in den Staatshaushaltsetat in Einnahme aufge- 
nommen werden, so daß also den Kammern insoweit verfassungsmäßig nirgends die 
Befugnis zusteht, diesen Steuern und Abgaben die Aufnahme unter den Einnahme- 
positionen des Staatshaushaltsetats zu versagen.5 Bezüglich der gesetzlich be- 
  
1 In dieser Beziehung darf nicht übersehen 
werden, daß keineswegs in allen Fällen feststeht, 
ob und wieweit eine staatliche Einrichtung oder 
Organisation durch das bestehende Gesetz gedeckt 
wird, und daß keineswegs die für das eine Jahr 
festgestellten Budgetansätze auch für das folgende 
Jahr oder die folgenden Jahre als bestehendes 
Recht betrachtet werden können. 
2 Die Staatsregierung, d. i. das Ministerium 
war auch schon zur Zeit des Bestehens der ab- 
soluten Monarchie verpflichtet, sich zur General-= 
verfügung über die Finanzmittel des Staates nach 
Maßgabe des vom Könige genehmigten Etats 
eine königliche Vollmacht zu verschaffen (vgl. 
die Verordn. v. 3. Nov. 1817 [G. S. 1817, 
S. 2921 und die Kab. O. v. 17. Jan. 1820 (G. S. 
1820, S. 20 u. 24) oben §. 118, S. 92). An 
die Stelle der königlichen Vollmacht ist jetzt, 
zufolge des Art. 99 der Verf. Urk., das mit Zu- 
stimmung der beiden Häuser des Landtages in 
der Gestalt des Staatshaushaltsetats zu erlassende 
Gesetz getreten, welches für die Staatsregie- 
rung (das Staatsministerium) ein „Ermächti- 
gungsgesetz“ für die Verwaltung bildet. 
3 Vgl. auch Lasker, Zur Verfassungsgeschichte 
Preußens, S. 357 ff. 
4 Uber die Streitfrage, ob unter den „be- 
stehenden Steuern und Abgaben des Art. 109 
der Verf. Urk. nur die zur Zeit des Erlasses 
der Verf. Urk. gesetzlich bestandenen, oder auch 
die durch neuere Gesetze ohne Zeitbeschränkung 
eingeführten zu verstehen sind, vgl. unten §. 119. 
5 Art. 100 der Verf. Urk. lautet: „Steuern 
und Abgaben für die Staatskasse dürfen nur, so-
	        
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