Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Dritter Band. Erste Abteilung. (3_1)

138 Die Gesetzgebung. (8. 118.) 
der Verfassungsurkunde, auf welchen jener Beschluß sich gründet, in keiner Weise zutrifft. 
Denn aus diesem Artikel ergibt sich gerade das Gegenteil der daraus gezogenen 
Folgerung, nämlich daß, da er die Staatsregierung nur zur Forterhebung der Ein— 
nahmen ermächtigt, ihr daraus das Recht zur Fortleistung der Ausgaben eben— 
deshalb nicht zusteht, weil die Verfassungsurkunde ihr hier u einen anderweitigen Rechts- 
titel als das vorher zu vereinbarende Budgetgesetz nicht gewährt. Die Staatsregierung 
hat auch in dem späteren Stadium des Konflikts die Unhaltbarkeit des Staatsministerial- 
beschlusses v. 16. Dez. 1850 ausdrücklich selbst anerkannt und erklärt, daß sie diesen 
Standpunkt verlassen habe.2 
Es ergibt sich hieraus, daß, solange das von der Verfassung geforderte Staats- 
haushaltsgesetz nicht zustande gekommen ist, die Staatsregierung der Instruktion und der 
Vollmacht zur Verwaltung des Staatshaushaltes entbehrt und daher verfassungs- 
mäßig hierzu nicht berechtigt ist. Es kann folglich eine verfassungsmäßige Staats- 
regierung nicht bestehen, ohne ein Staatshaushaltsgesetz zur Vereinbarung gebracht zu 
haben, und dies ist eben die finanzielle und politische Bürgschaft, welche der Art. 99 
der Verfassungsurkunde für die fortwährende Herrschaft der Verfassung gewährt. Was 
aber die Frage betrifft, welches die staatsrechtlichen Folgen sind, wenn es dem bestehen- 
den Staatsministerium nicht gelingt, das verfassungsmäßig notwendige Budgetgesetz mit 
den gesetzgebenden Körperschaften zu vereinbaren, so ergibt sich unzweifelhaft, daß dann 
das Staatsministerium, falls es nicht zurücktritt, die Verwaltung führt bzw. fortführt, 
ohne die von der Verfassung für unbedingt notwendig erklärte Legitimation von seiten 
  
1 Wenn die Berufung auf den Art. 109 wirk- allgemeinen Rechts= und Vertragsbruch gegen- 
lich zutreffend wäre, so sind alle übrigen von der über den dem Staate obliegenden Verbindlich- 
Staatsregierung angeführten Erwägungsgründe keiten konstituieren, sondern sie würde mit den 
des Staatsmin. Beschl. v. 16. Dez. 1850 voll= Lebensfunktionen auch das Leben des Staates in 
kommen überflüssig, und die in demselben dennoch Frage stellen, wozu keine der Staatsgewalten 
wieder festgestellten Einschränkungen sind dann berechtigt ist, weil alle diese Gewalten nur Rechte 
nicht die konsequente Folge des vorweg aus dem im Staate und durch den Staat, nicht über 
Art. 109 gezogenen (unrichtigen) Schlusses. — denselben und seine Existenz hinaus haben — 
Wenn übrigens von einer Rechtfertigung des weil der Staat das absolute Rechtssubjekt ist, 
gedachten Beschlusses überhaupt die Rede sein das nicht in Frage gestellt werden kann. Der 
könnte, so leuchtet ein, daß solche weit eher aus durch eine Budgetverwerfung erstrebte Zweck ist 
der absoluten Notwendigkeit der Fortleistung der nur der, die gegenwärtige Staatsregierung zu 
fortlaufenden, insbesondere der auf Rechtsver= zwingen, entweder selbst zurückzutreten oder zu 
bindlichkeiten beruhenden Ausgaben herzuleiten versuchen, auf verfassungsmäßigem Wege die 
sein würde, welche allerdings durch den uner= Majorität in der Landesvertretung zu erlangen. 
läßlich notwendigen Fortbestand einer geordneten Eine Staatsregierung nun, welche einem ver- 
Staatsverwaltung geboten wird, und daß unter worfenen Budget gegenübersteht oder dieses vor 
Bezugnahme auf diese Notwendigkeit ein Be= Ablauf des gesetzlich festgestellten letzten Budgets 
schluß gerechtfertigt werden könnte, die Fort= nicht zustande gebracht hat, hat nicht das Recht, 
zahlung der laufenden Ausgaben unter Verant= irgendwelche Ausgaben zu leisten; sie hat nur 
wortlichkeit des Gesamtministeriums zu leisten, hier= Pflichten hinsichtlich der von ihr anzuordnen- 
nächst aber diese Maßregel den Kammern zur den Ausgaben und Leistungen. Sie hat — so- 
nachträglichen Genehmigung und behufs Er= lange sie im Amte bleibt — die Pflicht, das 
teilung der Indemnität zu unterbreiten. Staatswesen aufrechtzuerhalten und vor Scha- 
Der Abgeordn. Reichensperger spricht sich den zu bewahren. Sie hat zugleich die mit der 
in seiner dem A. H. überreichten Denkschrift vom vollen persönlichen Verantwortlichkeit verbundene 
22. Jan. 1866 (Stenogr. Ber. des A. H. 1866, Pflicht, keine Ausgabe anzuweisen, welche nicht 
Anl. Bd. Nr. 20, S. 41 ff.) über die Stellung eventuell der gerichtlichen Anerkennung ihrer 
der Staatsregierung gegenüber einem von einer Notwendigkeit sicher ist; sie hat endlich die Pflicht, 
Kammer verworfenen Budget und über ihre kein verfassungsmäßiges Mittel unbenutzt zu 
Befugnis zur Leistung von Ausgaben in einem lassen, welches geeignet ist, den verfassungswidrigen 
solchen Falle in folgender Art aus: „Obgleich Zustand der Dinge zur Lösung zu bringen.“ 
es dann der Staatsregierung an jedem Rechts- 2 V . jor 
K . Z gl. die Erklärung des Regierungskomm. 
titel zur Leistung irgendeiner Ausgabe (Geh. Ob.-Fin.-Rat Mölle) in der Budgetkomm. 
fehlt, so kann daraus doch nicht der Schluß ge- des A. H. (Stenogr. Ver. des A. H. 1866—67 
zogen werden, daß der Wille derjenigen Kammer, Anl Bd II Nr rer S 7 i des l. die Er-- 
welche das Budget verworfen hat, oder gar der »«"«. ’« ’g’ ,«« 
. 2 klärung des Regierungskomm. (Geh. Ob.-Fin.= 
Wille der der Landesvertretung jenes Budgetrecht Rat Wollny) in der Sitz. des A. H. v. 25. Jan- 
verleihenden Verf. Urk. selber dahin gehe, alle y * "«’ « 
"0ve ..«- 1867 (Stenogr. Ber. des A. H. 1866—67, Bd. 
Ausgaben für den Staat sistiert zu sehen. Denn III, S. 1677) 
eine solche Sistierung würde nicht bloß einen 4 "5“ 
 
	        
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