Die Aufsicht über die Religionsgesellschaften.
G. 124.) 179
3. Die dritte Ausnahme betrifft die Anstellung von Geistlichen beim Militär und
an öffentlichen Anstalten. Auch bezüglich dieser soll es bei den bisherigen Bestimmungen
bewenden und die Aufhebung des Ernennungsrechts, soweit der Art. 18 solche ausspricht,
darauf nicht bezogen werden.
IV. Indem die Verfassungsurkunde von dem in Art. 15 niedergelegten Grund-
satz der Autonomie der Religionsgesellschaften ausgeht, hat sie zugleich (Art. 17) die
Aupfhebung des mit diesem Grundsatz nicht vereinbaren Kirchenpatronates? in Aus-
sicht gestellt.
unter welchen dasselbe aufgehoben werden
Art. 17 bestimmt, daß über das Kirchenpatronat und die Bedingungen,
kann, ein besonderes Gesetz ergehen wird.3
v. 20. Mai 1824 (G. S. für Hannover 1824,
Bd. I, S. 87). Die Verf. Urk. ist in diesen
Landesteilen am 1. Okt. 1867 in Kraft getreten.
Vgl. die oben zitierten Werke von Hinschius
und Stutz.
1 Der Schlußsatz des Art. 18 ist dadurch
veranlaßt worden, daß die kathol. Bischöfe das
Recht in Anspruch nahmen, Militärgeistliche an-
zustellen, ohne vorher mit den Staatsbehörden
Rücksprache genommen zu haben. Der Min. d.
geistt. Ang. beantragte daher die Aufnahme
dieses Zusatzes zum Art. 18 mit dem Bemerken,
daß die Staatsregierung sich dadurch nichts wei-
ter vorbehalten wolle, als das bisherige Ver-
fahren; sie wolle das Recht haben, die Geist-
lichen, die sie beim Militär oder bei ihren An-
stalten zuziehen wolle, zu bestimmen und den
Bischöfen freizustellen, von ihrem geistlichen
Standpunkte aus etwaige Einwendungen zu
machen bzw. die Zulassung zum Amte zu er-
teilen (Erklär. des Min. v. Ladenberg in den
Stenogr. Ber. der 2. K. 1849—50, Rd. II,
S. 1179, und der 1. K., Bd. III, S. 1024).
Die Kammern sind dem beigetreten und es er-
geben die darüber stattgefundenen Verhandlun-
gen, daß man damit einverstanden gewesen ist,
daß eine gemeinschaftliche Wirksamkeit der
katholischen Bischöfe und des Staates bei Be-
setzung der katholischen geistlichen Amter beim
Heer und bei den öffentlichen Anstalten stattfin-
den müsse, so daß die eigentliche Ernennung
(sog. institutio canonica) allerdings nur von
den geistlichen Behörden erfolgen könne, jedoch
unter der Voraussetzung, daß die geistliche und
weltliche Behörde über die Besetzung einverstan-
den seien. — Uber die weitere Entwicklung das
Nähere bei Langhaeuser, Das Militärkirchen-
wesen im kurbrandenburgischen und königlich
preußischen Heer, 1912, S. 120 ff., bes. 194 ff.;
Freisen, Das Militär-Kirchenrecht in Heer und
Marine des Deutschen Reiches, 1913, S. 69 ff.;
Niedner, Die Bedeutung des Militärkirchenwesens
für das Verhältnis von Staat und Kirche (Ztschr.
f. Pol., 1908, Bd. 1, S. 471 ff.); Pohl, in der
Zeitschr, der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte,
Kanonistische Abteilung, 1914, S. 588—591; dem-
nächst beabsichtigt derselbe Autor ein größeres
Werk über die katholische Militärseelsorge Preußens
1797— 1888 zu veröffentlichen. — b) Uber das Ver-
fahren bei Anstellung der evangelischen Straf-
anstaltsgeistlichen vgl. Reskr. des Min. d. Inn. v.
2. Okt. 1853 (M. Bl. d. i. Verw. 1853, S. 265),
Reskr. des Min. d. geistl. Ang. v. 28. Nov. 1853
(Aktenst. aus der Verwalt. des O. K. R., Bd. 1, Heft 6,
S. 24 f.), Reskr. des Ev. O. K. R. v. 15. Dez.
1852 (das. S. 21—24), Reskr. des Ev. O. K. R.
v. 15. Nov. 1854 (Aktenst., Bd. II, S. 7), Restkr.
des Min. d. Inn. v. 29. Dez. 1857 (M. Bl.
d. i. Verw. 1858, S. 7), Resktr. dess. Min. v.
29. Juni 1859 (a. a. O. 1859, S. 180), Erlaß
des Ev. O. K. R. v. 22. Juli 1859 (Aktenst.,
Bd. V, Heft 11, S. 36), Reskr. des Min. d.
Inn. v. 31. März 1862 (M. Bl. d. i. Verw.
1862, S. 128); Braun, Disziplinargewalt über
Kirchendiener, S. 296 ff.
: Uber das Patronatrecht im allgemeinen vgl.
die Lehrbücher des Kirchenrechts und die dort zitierten
Spezialschriften; neuestens Hinschius-Smend,
Art. Patronat in v. Stengel-Fleischmanns
W. St. V. R.2 Bd. III, S. 47 ff.; Niedner,
Die Entwicklung des städtischen Patronats in der
Mark Brandenburg, in Stutz' Kirchenrechtl. Ab-
handlungen, Heft 73 u. 74, 1911; Jacobi, Pa-
tronate juristischer Personen, das. Heft 78, 1912;
Friedberg, Kirchenrecht 2, 1909, S. 377 ff.;
Schoen, Kirchenrecht 2, Bd. II, 1910, S. 1 ff.;
Hinschius-Stutz, Art. Patronat in Haucks
Realenchklopädie 3 Bd. XV, 1904, S. 13 ff.;
Schulte, Art. P. im Kirchl. Handlexikon, Bd. II,
1912, S. 1367 ff.
8 Die Verf. Komm. der Nat.-Vers. hatte im
Art. 20 ihres Verf. Entw. die Bestimmung auf-
genommen, daß das Kirchenpatronat sowohl des
Staates als der Privaten aufzuheben sei und
diese Aufhebung durch ein besonderes Gesetz ge-
regelt werden solle. Die Motive dazu bemerken,
daß das Kirchenpatronat seinem Begriff nach so
sehr der Autonomie der Religionsgesellschaften
widerspreche und in der Anwendung zu so er-
heblichen Übelständen führe, daß das Bedürfnis
seiner Aufhebung keiner weiteren Rechtfertigung
bedürfe; doch könne die Aufhebung nur im Wege
der Gesetzgebung mit Berücksichtigung der Pa-
tronatslasten erfolgen (Rauers Verhandl. der
Verf. Komm. der Nat. Vers., S. 105 u. 124).
Die Verf. Urk. v. 5. Dez. 1848, Art. 14 (aus wel-
cher Art. 17 der revid. Verf. Urk. entstanden ist)
hatte zwar noch die Bestimmung, daß das Kirchen-
patronat aufzuheben sei, indes ist dies bei der
Revision dahin abgeändert worden, daß es auf-
gehoben werden könne. Die amtl. Erläuter. des
Min. d. geistl. Ang. zu diesem Artikel (S. 11—
12) sprechen sich dahin aus, daß die unbedingte
Aufhebung des Patronats gerade die Autonomie
der Religionsgesellschaften verletzen könne. Wolle
z. B. die kathol. Kirche den kanonischen Grundsatz
beibehalten und füglich den Stiftern einer Kirche
das Präsentationsrecht samt den anderen Befug-
nissen zugestehen, so würde es sich nicht recht-
fertigen lassen, wenn ihr der Staat wegen der
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