Vorbemerkungen. (8. 126.) 185
Könige zu ihrer Regierung bestellt waren und staatlichen Charakter trugen. Sie hatte
sich vermöge der geschichtlichen Entwicklung genötigt gesehen, sich unter den besonderen
Schutz des Landesherrn zu begeben; diesem, der ihr allein Schutz zu gewähren ver—
mochte, war solchergestalt auch das Kirchenregiment (die bischöfliche Gewalt) zu—
gefallen, so daß in der evangelischen Kirche bischöfliche Gewalt und Staatsoberaufsicht
in einer Hand vereinigt waren. Die Landesherren aber, welche sich im 16. Jahr-
hundert des Regimentes der evangelischen Kirche nur aus Not angenommen hatten,
haben es späterhin nicht tunlich gefunden, dieses Regiment wieder an die Kirche zurück-
zugeben.?
II. Art. 15 der Verfassungsurkunde enthielt außer dem Anerkenntnis der Selbstän-
digkeit der evangelischen und der römisch-katholischen Kirche ferner noch die Bestimmung,
daß diese Kirchen „im Besitz und Genuß der für ihre Kultus-, Unterrichts= und Wohl-
tätigkeitszwecke bestimmten Anstalten, Stiftungen und Fonds“ bleiben. Diese Bestimmung
war bereits in §. 12 des der Nationalversammlung von der Staatsregierung vorgelegten
Verfassungsentwurfes enthalten gewesen, jedoch von der Verfassungskommission der Na-
tionalversammlung für entbehrlich und teilweise sogar für bedenklich gehalten worden.
Indes war schon die Zentralabteilung der Nationalversammlung zu dem Regierungs-
entwurf zurückgekehrt, um den weitverbreiteten Besorgnissen zu begegnen, welche aus der
Weglassung der Bestimmung geschöpft worden waren, und die oktroyierte Verfassungs-
urkunde v. 5. Dez. 1848 hatte zunächst (Art. 12) diese Bestimmung beibehalten, welche
schließlich auch in den Art. 15 der revidierten Verfassungsurkunde v. 31. Jan. 1850 über-
gegangen war." Der Inhalt dieses Satzes des Art. 15 ist aus dem Reichsdeputations-
hauptschluß v. 25. Febr. 1803 entnommen, welcher katholisch-geistliche Gebiete unter die
Herrschaft evangelischer Fürsten, evangelische Stiftsgebiete und Stadtterritorien unter die
Herrschaft katholischer Fürsten gestellt und weiterhin (Art. 63) bestimmt hat, daß den
evangelischen wie den katholischen Religionsgesellschaften in den abgetretenen Gebieten
der Besitz und ungestörte Genuß ihres eigentümlichen Kirchengutes und ihrer Schulfonds
ungestört verbleiben solle. Diese Bestimmung findet sich im Art. 15 der Verfassungs-
urkunde in unveränderter Fassung wieder. Ihr Zweck war, a) der evangelischen und
der römisch-katholischen Kirche sowie den übrigen Religionsgesellschaften den Fortbestand
ihrer damaligen (bei Erlaß der Verfassungsurkunde bestehenden) Eigentumsverhältnisse in
ihren verschiedenen Richtungen und Gestaltungen 5, b) die Fortdauer derjenigen Leistungen,
welche bisher zu ihren Gunsten von dem Staate erfolgt waren7, zu gewährleisten. Wenn-
1 Oben §. 122 zu III, S. 170f.; Schoen
a. a. O., S. 154 ff.
2 Die Kirchenrechtslehrer dagegen suchten die
unangemessene Wirklichkeit durch künstliche Systeme
zu begründen (vgl. oben §. 122, S. 170, Anm. 4).
2 Die Motive des Entw. der Verf. Komm. be-
merken hierzu: Man ging davon aus, daß es
keiner besonderen Bestimmungen bedürfe, um den
Religionsgesellschaften ihr Eigentum zu sichern,
daß es von der Beurteilung des jedesmaligen
Falles abhänge, inwiefern ein Eigentumsanspruch
begründet sei, und daß spezielle Zusicherungen
und Klauseln in einer solchen Sache immer etwas
Bedenkliches haben, da sie der Mißdentung leicht
unterliegen können. (Rauers Verhandl. der Verf.
Komm. der Nat. Vers., S. 223, 101, 107;
v. Rönne, Verf. Urk., S. 38).
4 Anschütz, Verf. Urk., Bd. I, S. 282—286,
30 ff
5v. Meyers Corpus Juris Conförder. German.,
3. Aufl., Bd. I, S. 7f.
6 Diese Bestimmung schließt sich mithin an die
übrigen deutschen Verf. Urk. an, welche, obschon sie
ebenfalls allem Eigentum den Schutz des Staates
zusichern, dennoch im Hinblick auf bekannte Lehren
und Vorgänge noch eine besondere, Garantie zu
erteilen für angemessen erachten (Übersicht über
die betr. Bestimmungen anderer deutscher Verf.
Urk. in Zöpfls Grunds. des gem. D. St. R.,
5. Aufl., Bd. II, §. 539, S. 880, Anm. 16). Vgl.
insbes. für Hannover §§. 75 u. 79 des Landesver-
fassungsges. v. 6. Aug. 1840 nebst §§. 27 u. 31 des
Verfassungsänderungsges. v. 5. Sept. 1848, für
Kurhessen §. 138 der Verf. Urk. v. 5.Jan.1831. Da-
bei ist es indes nicht die Absicht gewesen, einen neuen
Grundsatz über den Eigentümer aufzustellen; viel-
mehr wird auch in der Folge jeder streitig gewordene
Fall nach seiner besonderen Natur aufzufassen und
zu entscheiden sein, während es der Verfassung
nur darauf ankam, den Religionsgesellschaften die
Zusicherung zu erteilen, daß der Staat in den
Eigentumsverhältnissen den bestehenden Zustand
anerkenne (Erläuter, des Min. d. geistl. Ang. zu
Art. 12 sjetzt Art. 15] der Verf. Urk., S. 9). An-
schütz, Verf. Urk., Bd. I, S. 330 ff., 334 ff.
* a) Die amtlichen Erläuter, des Min. d. geistl.
Ang. (S. 9 ff.) bemerken hierzu, daß die Ver-
sassung hierdurch nur eine Forderung der Gerechtig-
keit erfülle, weil jene Leistungen teils auf einer
speziellen, teils auf einer allgemeinen Verpflichtung