Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Dritter Band. Erste Abteilung. (3_1)

192 Staat und Kirche. (8. 127.) 
doch kam es nicht zu deren Berufung.! Der Minister der geistlichen Angelegenheiten. 
forderte am 15. Jan. 1849 abermals Gutachten von den Konsistorien, den evangelisch- 
theologischen Fakultäten und einigen namhaften Kirchenrechtslehrern ein.? Diese sollten 
sich, nachdem der Grundsatz der Selbständigkeit durch die Verfassung festgestellt sei, über- 
die Maßregeln aussprechen, deren es bedürfe, um der evangelischen Kirche auf dem recht- 
lichen Wege zu einer Verfassung zu verhelfen, welche ihr sowohl eine Vertretung ihrer 
Rechte und ihres Interesses gegenüber dem Staat und den übrigen Religionsgesellschaften 
als eine selbständige Leitung ihrer Angelegenheiten sichere.3 Durch königl. Erlaß v. 26. Jan. 
18494“ wurde die provisorische Kirchenverwaltung einer besonderen kollegialen, dem 
Ministerium der geistlichen Angelegenheiten angegliederten „Abteilung für die inneren 
evangelischen Kirchensachen“ übertragen. Der Erlaß erklärt die Abteilung für eine selb- 
ständige, von dem Minister unabhängige Behörde zur obersten Verwaltung der inneren 
evangelischen Kirchensachen 5 und bestimmt, daß bis zu dem Zeitpunkte, wann die evan- 
  
licht worden (Wahlgesetzentwurf im Preuß. Staats= Verzögerung der Ausführung hauptsächlich nur 
anzeiger v. 26. April 1848). Der Entwurf des mit der Erwägung, daß erst der verfassungsmäßige 
Wahlgesetzes spricht in seinem Eingang die bereits Rechtsboden gegeben sein müsse, unter welchen 
bei früheren Veranlassungen vom König bekun= Bedingungen und Formen die Trennung der Kirche 
dete Überzeugung aus, daß die evangel. Kirche vom Staate geschehen solle (Erlaß v. 13. Juli 1848 
des Landes nicht ihre Verfassung durch eine Maß= im Preuß. Staatsanzeiger). 
regel des bestehenden Regiments empfangen, son- 2 Diese Gutachten sind unter dem Titel: „Amt- 
dern sich aus sich selbst erbauen müsse, und daß liche Gutachten, die Verfassung der evangel. Kirche 
mit der erfolgten Veränderung der Staatsver= in Preußen betreffend. Im Auftrage zum Druck 
fassung die unveränderte Fortdauer der gegen= befördert durch Dr. L. Richter, Berlin u. Leipzig 
wärtigen Organisation der Kirche nicht vereinbar 1849“ veröffentlicht worden. Das Vorwort 
sein würde. In der Begründung wird gesagt, daß enthält auch den Min. Erl. v. 15. Jan. 1849, 
die neue Verfassung der Kirche nicht einseitig vom durch welchen diese Gutachten erfordert wurden, 
König verliehen werden könne, sondern aus der nebst der darin in bezug genommenen Denkschrift 
eigenen Tat der Kirche hervorgehen müsse, wes= des Ministeriums. Außer den Gutachten der 
halb das bestehende Kirchenregiment lediglich die Konsistorien und theologischen Universitätsfakul- 
Aufgabe habe, diejenigen Anordnungen zu treffen, täten werden die Gutachten der Professoren Stahl, 
durch welche der eigene Entschluß der Kirche ver= Jakobson, Mejer und Wasserschleben mit- 
mittelt werden könne. Der Referent der Kom= geteilt. 
mission, Prof. Richter, hat seinen Vortrag über- * Die Denkschrift sagt ausdrücklich: „Nach 
sichtlich geordnet veröffentlicht in der Schrift: dem Art. 12 der Verf. Urk. kann die evangel. Kirche 
„Vortrag über die Berufung einer evangel. Landes= nicht länger in ihrem geschichtlichen Verhältnisse 
synode. Dem Königl. Min. d. geistl. Ang. zur zu der Staatsregierung verbleiben, sondern es ist 
weiteren Veranlassung überreicht von Dr. L. dahin zu wirken, daß dieselbe sich aus sich selbst 
Richter“ (Berlin 1848). In diesem Vortrag be= eine Verfassung erzeuge“. 
weist er die Unmöglichkeit der unveränderten Beii G. S. 1849, S. 125. 
behaltung der landesherrlichen Kirchengewalt und 5 Das Restkr. des Min. v. Ladenberg v. 7. Febr. 
ihre Unvereinbarkeit mit konstitutionellen Grund= 1849 (M. Bl. d. i. Verw. 1849, S. 14) rechtfertigt 
sätzen, sowie die Notwendigkeit einer konstituieren= diese Anordnung wie folgt: Esmüsse bis zur Aus- 
den Synode, womit auch die Kommission sich führung des Art. 12 der Verf. Urk. für die evangel. 
vollständig einverstanden erklärte. Uber den Weg= Kirche wenigstens ein Provisorium eintreten, wel- 
fall des landesherrlichen Kirchenregiments als ches ihr eine genügende Vertretung ihrer Rechte 
notwendige Voraussetzung der kirchlichen Selbst= nach außen und eine selbständige Leitung ihrer 
verfassung herrschte damals solches Einverständnis, Angelegenheiten im Innern sichere. Denn die 
daß sogar viele, die später auf das lebhafteste seine Leitung der Kirche durch den einer konfessionell 
Unantastbarkeit verteidigten, mit Scharfsinn seine gemischten Volksvertretung gegenüberstehenden 
Unmöglichkeit bewiesen. So z. B. Stahl in der verantwortlichen Minister werde, selbst bei dem 
Ev. Kirchenzeitung 1848, Nr. 55. Ebenso bestand pflichtmäßigen Streben, die Bereiche des Staates 
damals großes Einverständnis über die Ver= und der Kirche unvermischt zu erhalten, den Schein 
fassung der Kirche durch sich selbst und die Berufung des Territorialismus an sich tragen, der ein fort- 
einer Landessynode. (Amtliche Gutachten, die dauerndes Mißtrauen rege zu halten und jeden 
Verf. der evangel. Kirche in Preußen betreffend. Schritt in seinen Erfolgen zu gefährden geeignet 
Im Auftrage zum Druck befördert von Dr. L. sei. Die evangel. Kirche müsse aber dagegen ge- 
Richter, Berlin und Leipzig 1849, S. IV). sichert sein, daß ihr Regiment nach politischen 
1 Die Amtsführung des Ministers Grafen Rücksichten geführt werde. Dazu bedürfe es für 
v. Schwerin war zu kurz gewesen, um den Plan sie eines von dem Minister der geistlichen Ange- 
einer konstituierenden Synode zur Ausführung zu legenheiten unabhängigen Organs, durch dessen 
bringen. Sein Nachfolger v. Ladenberg eignete Errichtung die Besorgnis vor dem Eindringen 
sich die Grundsätze der Verwaltung des Grafen politischer Rücksichten in die Leitung des inneren 
v. Schwerin vollständig an und rechtfertigte die Kirchenwesens beseitigt werde. 
  
 
	        
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