Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Dritter Band. Erste Abteilung. (3_1)

Evangelische Kirche. (8. 127.) 197 
bestimmt, daß für die Verhandlungen der Provinzialsynoden die Grundsätze der rheinisch- 
westfälischen Kirchenordnung analog zur Anwendung zu bringen seien. Diese außer- 
ordentlichen Provinzialsynoden sind demnächst zusammengetreten und haben ihre Gutachten 
abgegeben; aber erst nachdem Falk das Kultusministerium übernommen? und Herrmann t 
an die Spitze des Evangelischen Oberkirchenrats getreten war, erhielt das abermals ins 
Stocken geratene Werk weiteren Fortgang. Aus den Beratungen des Evangelischen Ober- 
kirchenrats und seinen Konferenzen mit dem Ministerium der geistlichen Angelegenheiten 
war endlich der „Entwurf einer Kirchengemeinde= und Synodalordnung für die Provinzen 
Preußen, Brandenburg, Pommern, Posen, Schlesien und Sachsen“ hervorgegangen. In 
dem Allerh. Erlaß v. 10. Sept. 1873“ erteilte der König „kraft der ihm als Träger 
des landesherrlichen Kirchenregiments zustehenden Befugnisse“ diesem Entwurf seine Sanktion 
und verkündete die Kirchengemeinde= und Synodalordnung als kirchliche Ordnung.= 
Die durch die Kirchengemeinde= und Synodalordnung herbeigeführten Anderungen be- 
schränken sich auf die kirchliche Verfassung. Bekenntnisstand und Union werden, wie der 
Allerh. Erlaß v. 10. Sept. 1873 ausdrücklich erklärt, durch die neue Ordnung in keiner 
Weise berührt. Zur Ausführung der neuen Ordnung beauftragte der Erlaß, soweit die- 
selbe nicht zu ihrer Regelung vorab noch einer Mitwirkung der Landesgesetzgebung (wie 
insbesondere hinsichtlich der Vermögensverwaltung der Gemeinden und der Beteiligung 
des Patronats dabei) bedürfe, den Evangelischen Oberkirchenrat, im Einverständnis mit 
dem Minister der geistlichen Angelegenheiten das Weitere zu veranlassen, und bestimmte 
zugleich, daß zum vollständigen Abschluß der Arbeiten für die evangelische Kirchenver- 
fassung der acht älteren Provinzen eine außerordentliche Generalsynode zusammentreten 
solle, über deren Aufgabe, Zusammensetzung und Tätigkeit der König durch die dem 
Allerh. Erlaß v. 10. Sept. 1873 beigefügte Verordnung 6 die erforderlichen Anordnungen 
traf. Dem Landtage wurde der „Entwurf eines Gesetzes betreffend die evangelische Kirchen- 
gemeinde= und Synodalordnung v. 10. Sept. 1873 für die Provinzen Preußen, Branden- 
burg, Pommern, Posen, Schlesien und Sachsen“ zur verfassungsmäßigen Beschlußnahme 
vorgelegt." Das Abgeordnetenhaus erklärte sich mit der Auffassung der Staatsregierung 
  
1 Zur Ausführung des Allerh. Erlasses vom|] S. 418—444, erfolgt. Novellen v. 9. März 1891 
5. Juni 1869 ist die im Einverständnis mit dem (G. S., S. 43) und 10. Mai 1893. 
Min. d. geistl. Ang. erlassene Instr. des Ev. * Diese Verordnung ist als Anl. II des Er- 
O. K. R. vom 21. Juli 1869 (M. Bl. d. i. lasses v. 10. Sept. 1873 in der G. S. 1873, 
Verw. 1869, S. 158) ergangen. Vgl. auch den S. 445, veröffentlicht. 
Entwurf der den außerordentlichen Provinzial- 7 Die Motive dieses Gesetzentwurfes (Stenogr. 
synoden vorgelegten Provinzialsynodal-Ordn. im Ber. des A. H. 1873—74, Anl. Bd. II, Nr. 168, 
Königl. Preuß. Staatsanzeiger 1869, Nr. 275, S. 1166 ff.) führen aus, daß die neue Ordnung 
und in Stenogr. Ber. des A. H. 1868—69, Anl. die Aufgabe habe, den evangel. Kirchengemeinden 
Bd. IV, S. 1574, Nr. 290, und die Propositio= durch Bildung geeigneter Organe zu einer selbst- 
nen des Ev. O. K. R. im Königl. Preuß. Staats= #tätigen Beteiligung an der Verwaltung ihrer be- 
anzeiger 1869, Nr. 285. sonderen und gemeinsamen Angelegenheiten mehr 
2 Der Min. v. Mühler hatte sich, was die als bisher Gelegenheit zu geben, und daß, soweit 
Ausführung des Art. 15 der Verf. Urk. be= sie sich hierbei auf das kirchliche Gebiet beschränkt 
züglich der evangel. Kirche betrifft, dem Stand= habe, also rein kirchlichen Inhaltes sei, ihre Fest- 
punkte seines Amtsvorgängers Bethmann Holl= setzung nach Art. 15 der Verf. Urk. lediglich der 
weg angeschlossen. Vgl. die Erklär. in der Komm. kirchlichen Gesetzgebung anheimfalle, daß indes, 
des A. H. zur Beratung des Krause-Techowschen um sie nach allen Seiten hin in Vollzug zu 
Antrages wegen Ausführung des Art. 15 der setzen, ihre kirchliche Konstituierung nicht aus- 
Verf. Urk. im Komm. Ber. v. 16. Sept. 1862, reiche. Durch die geschichtliche Entwicklung sei 
Stenogr. Ber. des A. H. 1862, Bd. VIII, Nr. 141, ein großer Teil der rein kirchlichen Ordnung in 
S. 1508; ferner die Erklär. des Min. v. Müh= die Hände des Staates gelangt, durch staatliche 
ler in der Sitz. des H. H. vom 2. Okt. 1862, Gesetze geregelt worden, und keine neue kirchliche 
Stenogr. Ber. des H. H. 1862, Bd. I, S. 152 Anordnung habe als solche die Kraft, diese for- 
—153. mell bestehenden Staatsgesetze außer Geltung zu 
* v. Kirchenheim, Emil Herrmann und die stellen. Soweit die letzteren reichten, sei daher 
preuß. Kirchenverfassung, 1912. die Autonomie der Kirche behindert und die Wirk- 
4 G.S. 1873, S. 417; Aktenst. Heft 21, S. 169. samkeit ihrer Normen von einem Akte abhängig, 
Wegen späterer Anderungen und Ergänzungen welcher die mit ihnen unvereinbaren älteren, auf 
der K. G. u. S. O. vgl. Schoen, Bd.l. S. 89". staatlicher Grundlage beruhenden kirchlichen Ord- 
5 Diese Verkündigung ist als Anl. I des Er= nungen im Wege der Staatsgesetzgebung beseitige. 
lasses v. 10. Sept. 1873 in der G. S. 1873, Jede neue Rechtsbildung der Kirche finde ferner 
 
	        
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