Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Dritter Band. Erste Abteilung. (3_1)

Das geltende Recht der ev. Kirche. (§S. 128.) 201 
gelische Kirche der Provinz wird durch die Provinzialsynode vertreten. Diese besteht 
aus Abgeordneten der Kreissynoden, den bis zur Zahl von ½ derselben vom König zu 
ernennenden Mitgliedern, sowie einem Mitgliede der evangelisch-theologischen Fakultät der 
Provinzialuniversität. (In den beiden westlichen Provinzen einige Abweichungen.) Die 
Provinzialsynode tritt in der Regel alle drei Jahre zusammen und wird zwischendurch 
von ihrem Vorstand vertreten.? Die evangelische Landeskirche der neun älteren Pro- 
vinzen wird durch die Generalsynode 3 vertreten, welche aus den Generalsuperinten- 
denten, 151 von den Provinzialsynoden und der Kreissynode Hohenzollern zu wählenden, 
aus 6 von den evangelisch-theologischen Fakultäten der Landesuniversitäten zu wählenden, 
und aus 30 landesherrlich zu ernennenden Mitgliedern besteht. Die Generalsynode tritt 
in der Regel alle sechs Jahre zusammen; sie wird zwischenzeitlich durch den General- 
synodalvorstand vertreten, welcher aus der Generalsynode hervorgeht und nach Verein- 
barung mit dem Evangelischen Oberkirchenrate von seinem Vorsitzenden berufen wird.“ 
Die wichtigsten staatskirchenrechtlichen Grundsätze der neuen Kirchenverfassung der 
neun älteren Provinzen sind folgende: 
1. Das früher angezweifelte und angefochtene landesherrliche Kirchenregiment? 
ist ausdrücklich anerkannt. Der König erscheint aber auf diesem Gebiet nicht in seiner 
Eigenschaft als Monarch oder Oberhaupt des Staates, sondern als Träger bestimmter 
auf die Leitung der Gesamtkirche bezüglicher Befugnisse. Daher muß das Kirchenamt 
des Königs auch äußerlich möglichst bestimmt von seinen Funktionen als Staatsober= 
haupt geschieden werden; dies geschieht insbesondere dadurch, daß seine kirchenregiment- 
lichen Akte nicht von einem Staatsminister, sondern von dem Präsidenten des Evangelischen 
Oberkirchenrates gegengezeichnet werden.“ 
2. Indem die neue Kirchenverfassung von dem Grundsatz ausgeht, daß landeskirch- 
liche Gesetze von dem König kraft seines Rechtes als Träger des Kirchenregiments (nicht 
als Staatsoberhaupt) erlassen werden, erkennt sie den kirchlichen Charakter der kirch- 
lichen Gesetzgebung?, welche seither mit der staatlichen Gesetzgebung vermischt wurde, 
ausdrücklich an. Landeskirchliche Gesetze bedürfen der Zustimmung der Generalsynode s 
(welche auch das Recht hat, solche Gesetze vorzuschlagen), werden vom König erlassen und 
zur Beglaubigung von dem Präsidenten des Evangelischen Oberkirchenrates gegengezeichnet 
(Generalsynodalordnung, §. 6, Abs. 1 und 2).9 Ein Kirchengesetz erhält seine verbind- 
liche Kraft durch die Verkündung in dem unter Verantwortlichkeit des Evangelischen Ober- 
kirchenrates erscheinenden Kirchlichen Gesetz= und Verordnungsblatt 1; sie beginnt, sofern in 
  
1 Für Westpreußen: Königsberg; für Posen: 
Breslau. 
2 Vgl. K. G. u. S. O. v. 10. Sept. 1873, 
88. 58—70 (§8§ 59, 61, 62 sind durch 88. 44 - 46 
der G. S. O. v. 20. Jan. 1876 ersetzt); Staatsges. 
v. 3. Juni 1876, Art. 10, 11, 13, 16; rhein.= 
westfäl. K. O., §§. 44—52. 
s Marcus, Der rechtliche Charakter der Gene- 
ralsynode in der evangel. Landeskirche Preußens, 
1909; Niedner, Die rechtliche Natur der Gene- 
ralsynode der älteren Provinzen, Preußisches Pfarr- 
archiv, Bd. I, S. 289 ff. 
4 G. S. O. vom 20. Jan. 1876, S§. 1—40; 
Kirchenges. v. 19. Sept. 1898, §. 2, Nr. 1; Staatsges. 
v. 3. Juni 1876, Art. 14—21. 
5 Zorn, Art. Evangel. Kirche in v. Stengel- 
Fleischmanns W. St. V. R.2, Bd. I, S. 744. 
" G. S. O. vom 20. Jan. 1876, §. 6; Ges. 
v. 3. Juli 1876, Art. 21. Die Gegenzeichnung 
hat nur die Bedeutung einer Beglaubigung, nicht 
die der Ubernahme einer konstitutionellen Minister- 
verantwortlichkeit. Zit. §. 6. 
7 Schoen, Kirchenr., Bd. II, 1910, S. 248 ff.; 
  
E. Meier, Die Rechtsbildung in Staat und 
Kirche, 1861; Bierling, Gesetzgebungsrecht 
evangel. Landeskirchen im Gebiete der Kirchen- 
lehre, 1869; Zorn, Art. Evangel. Kirche in 
v. Stengel-Fleischmanns W. St. V. R.2, Bd. I, 
S. 746f. 
§s Doch kennt das preuß. Kirchenrecht auch sog. 
Notverordnungen. Rebitzki, Das Verordnungs- 
recht des Königs, insbes. das Recht der Notver- 
ordnung, nach preuß. Landeskirchenrecht, 1912, 
auch in der D. Ztschr. f. Kirchenr., Bd. XXII, 
S. 60 f.; Friedmann, Geschichte und Struktur 
der Notstandsverordnungen unter besonderer Be- 
rücksichtigung des Kirchenrechts, in Stutz' Kirchen- 
rechtl. Abhandl., Heft 5, 1903. 
!* Darüber, welche Gegenstände ausschließlich 
der landeskirchlichen Gesetzgebung unterliegen, vgl. 
§. 7 der G. S. O.; §. 8 daselbst ermächtigt die 
Kirchenregierung wie die Generalsynode, auch 
über andere Gegenstände der kirchlichen Ordnung, 
deren allgemeine kirchengesetzliche Regelung heil- 
sam erachtet wird, Gesetzesvorschläge zu machen. 
10 Dieses Gesetz= und Verordnungsblatt (K. G. 
u. V. Bl.) erscheint seit dem 28. Nov. 1878.
	        
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