Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Dritter Band. Erste Abteilung. (3_1)

208 Staat und Kirche. (§. 129.) 
Art. 24 vorgeschrieben, in welchen Fällen die Beschlüsse der kirchlichen Organe zu ihrer 
Gültigkeit der Genehmigung der staatlichen Aufsichtsbehörde bedürfen. Diese Fälle sind 
folgende: a) bei dem Erwerb, der Veräußerung oder der dinglichen Belastung von Grund- 
eigentum; b) bei der Veräußerung von Gegenständen, welche einen geschichtlichen, wissen- 
schaftlichen oder Kunstwert haben; c) bei Anleihen, soweit sie nicht bloß zu vorüber- 
gehender Aushilfe dienen und aus der laufenden Einnahme derselben Voranschlagsperiode 
zurückerstattet werden können; d) bei der Einführung und Veränderung von Gebühren- 
taxen; e) bei der Errichtung neuer, für den Gottesdienst, die Geistlichen oder andere 
Kirchendiener bestimmter Gebäude; 1#) bei der Anlegung oder veränderten Benutzung von Be- 
gräbnisplätzen; 8) bei der Ausschreibung, Veranstaltung oder Abhaltung von Sammlungen 
außerhalb der Kirchengebäude; h) bei einer Verwendung des kirchlichen Vermögens zu 
anderen als den bestimmungsmäßigen Zwecken; dagegen bedürfen Bewilligungen aus der 
Kirchenkasse an andere Gemeinden oder zur Unterstützung evangelischer Vereine und An- 
stalten, sofern dieselben einzeln 2 Proz. und im Gesamtbetrage eines Etatsjahres 5 Proz. 
der Solleinnahme nicht übersteigen, der Genehmigung der Staatsbehörde nicht. Auch 
bedürfen die kirchlichen Organe nach Art. 26 des Gesetzes zur Führung von Prozessen 
keiner Ermächtigung von seiten einer Staatsbehörde. Dagegen räumt der Art. 27 
der Staatsbehörde ein weitgehendes allgemeines Aufsichtsrecht über die kirchliche Vermögens- 
verwaltung ein. Dieser Artikel bestimmt nämlich in Abs. 1, daß die Staatsbehörde 
berechtigt ist, von der kirchlichen Vermögensverwaltung Einsicht zu nehmen, zu diesem 
Behuf die Etats und Rechnungen einzufordern, sowie außerordentliche Revisionen vorzu- 
nehmen und auf Abstellung der etwa gefundenen Gesetzwidrigkeiten durch Anwendung der 
gesetzlichen Zwangsmittel zu dringen. Ferner bestimmt Art. 27, Abs. 2 und 3, daß, wenn 
ein Gemeindekirchenrat oder eine Gemeindevertretung sich weigert, gesetzliche Leistungen, 
welche aus dem kirchlichen Vermögen zu bestreiten sind oder den Pfarreingesessenen ob- 
liegen, auf den Etat zu bringen, festzusetzen oder zu genehmigen, sowohl das Konsistorium 
als auch die Staatsbehörde unter gegenseitigem Einvernehmen befugt ist, die Eintragung 
in den Etat zu bewirken und die weiter erforderlichen Anordnungen zu treffen (Recht der 
sog. Zwangsetatisierung). Wenn die Gemeindeorgane die Gesetzwidrigkeit der beanstandeten 
Posten oder die Verpflichtung zu der auf Anordnung des Konsistoriums und der Staats- 
behörde in den Etat eingetragenen Leistungen bestreiten, so entscheidet auf Klage der 
Gemeindeorgane im Verwaltungsstreitverfahren das Oberverwaltungsgericht.1 
§. 129. 
B. Landeskirchen der neueren Provinzen. 
Den im Jahre 1866 mit der preußischen Monarchie vereinigten Landesteilen wurde 
bei der Einverleibung ihre bisherige Kirchenverfassung belassen. Die Landeskirchen der 
neuen Gebietsteile blieben als solche unverändert fortbestehen. Sie haben auch heute 
noch mit der evangelischen Landeskirche der neun älteren Provinzen der Monarchie keinen 
organischen Zusammenhang und stehen deshalb nicht unter dem Evangelischen Oberkirchen- 
rate, sondern unter dem Ministerium der geistlichen und Unterrichtsangelegenheiten. Das 
  
1 Art. 28 des Ges. v. 3. Juni 1876 überwies 
die Bestimmung der Staatsbehörden, welche die 
Rechte des Staates gegenüber der evangel. Lan- 
deskirche auszuüben haben, einer königl. Verord- 
nung. Diese am 9. Sept. 1876 (G. S. 1876, 
S. 395, heutige Fassung v. 30. Jan. 1893, G. S., 
S. 10) ergangene Verordnung hat die Bestimmung 
darüber, welche Anderung in der Zuständigkeit 
der Staatsbehörden für die in Art. 23 des Ges. 
v. 3. Juni 1876 bezeichneten Rechte einzutreten 
habe, wieder einer besonderen Verordnung vor- 
behalten, welche am 5. Sept. 1877 (G. S. 1877, 
S. 215) ergangen ist, im übrigen in den Fällen 
  
des Art. 24 (oben im Text) zu a (bei Werten 
über 100 000 (%), b, e, g (wenn die Samm- 
lung in mehr als einer Provinz stattfinden soll), 
sowie in allen Fällen der Art. 24 und 27, 
Abs. 1, wenn die Rechte des Staates gegenüber 
dem Ev. O. K. R. geltend zu machen sind, den 
Min. d. geistl. Ang., in den Fällen des Art. 24 
zu h (wenn die Sammlung in mehr als einem 
Regierungsbezirk stattfinden soll) den Oberpräsi- 
denten, in allen übrigen Fällen der Art. 24 und. 
27 den Regierungspräsidenten als die zuständige 
staatliche Aufsichtsbehörde bezeichnet. Wegen Berlin 
vgl. die Verordn. v. 20. Juli 1904 (G. S. 190),
	        
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