Landeskirchen der neueren Provinzen. (§. 129.) 213
Lage des Landes und die beständigen Landteilungen der Entwicklung der kirchlichen Ver-
hältnisse hindernd entgegen. Die Vorschriften der schleswig-holsteinschen Kirchenordnung
vom Jahre 15421 sind nur kurze Zeit unverändert in Geltung gewesen. Nur zeit-
weise hat eine kirchliche Vereinigung der verschiedenen Lande stattgefunden. Seit dem
Jahre 1636 wurden zwei Generalsuperintendenten bestellt und Landoberkonsistorien angeordnet;
seit 1646 wurden geistliche Synoden abgehalten, welche jedoch später wieder eingingen.
Während der dänischen Herrschaft war von einer kirchlichen Verbindung der beiden
Herzogtümer keine Rede. Der König von Dänemark als Landesherr übte sein Kirchen-
regiment zunächst durch ein ihm unmittelbar referierendes und vorschlagendes, auch seine
Entschließungen unmittelbar empfangendes Kollegium, die schleswig-holsteinsche, später
schleswig-holstein-lauenburgische Kanzlei in Kopenhagen aus; unter den Mitgliedern dieser
Behörde befand sich kein Geistlicher, doch wurden die Entscheidungen und Gesetze in der
Regel erst auf den Bericht der kirchlichen Behörden erlassen. Im Jahre 1834 wurden
die bis dahin vereinten obersten Verwaltungs= und Gerichtsbehörden? auch für kirchliche
Angelegenheiten getrennt; die Verwaltungsgeschäfte gingen auf die unter der Kanzlei und
in ziemlicher Abhängigkeit von ihr stehende neuerrichtete schleswig-holsteinsche Provinzial-
regierung auf Gottorf über. Ihr waren die zahlreichen unteren Kirchenbehörden (Kirchen-
visitatoren, Konsistorien) unterstellt, welche die spezielle Aufsicht und Verwaltung über das
Kirchen-, Schul= und Armenwesen ihres Distrikts auszuüben hatten. Die Teilnahme der
Gemeinden am Kirchenregiment äußerte sich in den Städten namentlich darin, daß Schul-
kollegien bestanden, welche aus den Predigern, einigen Magistratspersonen und meistens
auch den Schulvorstehern zusammengesetzt waren, und daß, wie auch auf dem Lande,
Schul= und Armenvorstände und für die kirchliche Vermögensverwaltung sog. Kirchen-
juraten dem Pfarrer zur Seite traten.) Im Jahre 1848 ging sowohl die schleswig-
holsteinsche Provinzialregierung als auch die schleswig-holstein-lauenburgische Kanzlei in
den neuerrichteten „Ministerien für das Herzogtum Schleswig und die Herzogtümer Hol-
stein und Lauenburg“ auf.“
Nach der Einverleibung der beiden Herzogtümer in die preußische Monarchie wurde
zunächst durch die Verordnung v. 26. Juni 1867 5 die noch bestehende geistliche Gerichts-
barkeit aufgehoben, sodann durch die Verordnung v. 24. Sept. 1867° für die Provinz
ein evangelisch-lutherisches Konsistorium in Kiel errichtet, welches unter Leitung eines
weltlichen Vorsitzenden aus den beiden für Holstein und Schleswig fungierenden General-
superintendenten und einer Anzahl von geistlichen und weltlichen Räten aus beiden Be-
zirken gebildet wurde. Der Wirkungskreis des Konsistoriums begreift im allgemeinen die
Beaufsichtigung und Leitung der gesamten evangelisch-lutherischen Kirchenangelegenheiten
in der Provinz, soweit nicht nach den den Geschäftskreis der Regierungen normierenden
gesetzlichen Bestimmungen?' einzelne Gegenstände und Angelegenheiten dieser Art dem
amtlichen Wirkungskreise dieser letzteren 3 überwiesen sind. Es untersteht dem Minister
der geistlichen Angelegenheiten, an welchen in Fällen, welche über die Kompetenz des
Konsistoriums hinausgehen, zu berichten ist." Durch den Allerh. Erlaß v. 16. Aug.
Privatrechts, Bd. III, §§. 119—134; Jensen,
Schlesw.-holst. Kirchengeschichte, 1878; Momm-
sen-Chalybaeus, Die K. G. u. S. O. für
Schleswig-Holstein, mit Kommentar, 1878;
Schoen, Bod. I, S. 93 ff.
1 Im Auszuge bei Richter, Evangel. Kirchen-
ordnungen des 16. Jahrh., Bd. 1, S. 353 ff.;
ogl. Schoen, Bd. I, S. 948.
2 Die beiden Obergerichte oder Oberkonsistorien
zu Gottorf und Glückstadt.
3 Vgl. hierüber sowie über abweichende (freiere)
Verfassung in den Probsteien Norder= und Süder-
dithmarschen: Friedberg, Die evangel. und die
kathol. Kirche der neu einverleibten Länder, S. 30fff.
4 Schoen, Bd. 1, S. 101.
5 G. S. 1867, S. 1073.
6 G. S. 1867, S. 1669.
* Nämlich nach der Instr. v. 23. Okt. 1817,
der Kab. O. v. 31. Dez. 1825, der Verordn. v.
27. Juni 1845 und den diese erläuternden, er-
gänzenden und abändernden Bestimmungen.
8 Jetzt der für die ganze Provinz gemeinschaft-
lichen Regierung zu Schleswig (Allerh. Erlaß v.
20. Juni 1868, G. S. 1868, S. 620).
9 S. 3 der Verordn. v. 24. Sept. 1867 be-
stimmte in dieser Beziehung, daß für die Kom-
petenz des Konsistoriums im Verhältnis zu dem
Min. d. geistl. Ang. die in der vorigen Anm.
erwähnten Verordnungen maßgebend sein sollten,
daß dagegen durch dieselben in den amtlichen
Befugnissen der Generalsuperintendenten, der
Kirchenpröpste, der Kirchenvisitatorien, der Kir-
chenpatrone, Kirchenkollegien und Gemeinden vor-
läufig nichts geändert werde. Vgl. jedoch die