Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Dritter Band. Erste Abteilung. (3_1)

214 Staat und Kirche. (§. 129.) 
1869 1 wurde eine „Gemeindeordnung für die evangelisch-lutherischen Kirchengemeinden in 
der Provinz Schleswig-Holstein“ publiziert und der Minister der geistlichen Angelegenheiten 
angewiesen, diese durch das Konsistorium zur Ausführung zu bringen. Die Gemeinde- 
ordnung ordnet als Verwaltungsorgane der einzelnen Kirchengemeinden Kirchenvorstände 
und Gemeindevertretungen an und trifft nähere Bestimmungen über ihren Wirkungskreis 
und ihre Befugnisse. Der Allerh. Erlaß v. 16. Aug. 1869 bestimmte ferner, daß nach 
Herstellung einer rechtlich geordneten Vertretung der Kirchengemeinden eine aus Abge- 
ordneten der Geistlichen und der Kirchenvorstände zusammengesetzte außerordentliche Pro- 
vinzialsynode berufen werden solle, um die weiteren zur Ausführung des Art. 15 der 
Verfassungsurkunde erforderlichen Maßnahmen für die Provinz Schleswig-Holstein zu 
beraten. Nach Einführung der kirchlichen Gemeindeordnung wurde durch den Allerh. 
Erlaß v. 9. Aug. 18712 die Berufung einer außerordentlichen Provinzialsynode genehmigt 
und zugleich über ihre Zusammensetzung und Zuständigkeit näheres bestimmt. Der von 
dieser außerordentlichen Provinzialsynode beratenen 3 „Kirchengemeinde= und Synodal- 
ordnung für die evangelisch-lutherische Kirche der Provinz Schleswig-Holstein mit Aus- 
schluß des Kreises Herzogtum Lauenburg“ erteilte der König am 4. Nov. 1876 4 „kraft 
der ihm als Träger des landesherrlichen Kirchenregiments zustehenden Befugnisse“ seine 
Sanktion und verkündete sie als kirchliche Ordnung 5 mit dem Bemerken, daß „die Ande- 
rungen, welche durch die neue Ordnung herbeigeführt werden, sich ausschließlich auf die 
kirchliche Verfassung beziehen, der Bekenntnisstand der evangelisch-lutherischen Kirche der 
Provinz Schleswig-Holstein durch diese Ordnung nicht berührt und eine Anderung dieses 
Bekenntnisstandes damit in keiner Weise bezweckt“ werde. Ursprünglich war die Kirchen- 
gemeinde= und Synodalordnung nur für die Herzogtümer Schleswig und Holstein bestimmt; 
da es indes für unbedenklich und angemessen erachtet wurde, sie auch auf das durch das 
Gesetz v. 23. Juni 1876 5 mit der Monarchie vereinigte, der Provinz Schleswig-Hol- 
stein zugeteilte Herzogtum Lauenburg auszudehnen, so ist dies nach Anhörung der auf 
Grund des Allerh. Erlasses v. 19. Mai 18777 gewählten außerordentlichen Synode für 
Lauenburg durch die Verordnung v. 7. Nov. 1877 8 geschehen.? Die staatsgesetzliche 
Bestätigung der Kirchengemeinde= und Synodalordnung erfolgte durch das Gesetz v. 6. April 
1878 betreffend die evangelische Kirchenverfassung in der Provinz Schleswig-Holstein 10, das 
zugleich eine grundsätzliche Auseinandersetzung der kirchlichen und staatlichen Aufsichtsrechte 
herbeiführte und die Zuständigkeit des Konsistoriums in Kiel um die Verwaltung der Externa. 
erweiterte. 11 Die höhere Instanz über dem Konsistorium und zugleich die oberste Kirchen- 
behörde der schleswig-holsteinschen Landeskirche blieb der Minister der geistlichen Ange- 
legenheiten.2 Spätere Ergänzungen dieser im übrigen unverändert gebliebenen schleswig- 
  
demnächsterlassene Gemeindekirchenordn. v. 16.Aug. 
1869 (G. S. 1869, S. 978 ff.). 
1 G. S. 1869, S. 977 ff. 
2 G. S. 1871, S. 338. 
* Amtliche Ausgabe der Verhandl. bei Ehlers 
in Rendsburg. , 
4 G. S. 1876, S. 415 ff.; Novelle v. 25. April 
1896 (G. S. 95). 
* G. S. 1876, S. 416—450. 
* G. S. 1876, S. 170. 
*7 G. S. 1877, S. 166. 
s Ebenda S. 232 ff. 
Die Organisation, welche hiernach durch die 
K. G. u. S. O. v. 4. Nov. 1876 und durch 
die Verordn. v. 7. Nov. 1877 geschaffen ist, be- 
schränkt sich, gemäß der historischen Entwicklung 
der staatlichen Verhältnisse, auf die evangelisch- 
lutherische Kirche. In Schleswig-Holstein, wo 
die überwiegende Mehrzahl der Einwohner der 
lutherischen Kirche angehört, wurde früher (Ver- 
fassungsverordn. v. 15. Juni 1854) lediglich die 
evangel.-luther. Kirche als öffentlich-rechtlich an- 
erkannte Religionsgesellschaft angesehen. Es sind 
dort nur zwei reformierte Gemeinden (Altona 
  
und Friedrichstadt) vorhanden, welche aber ganz 
nach presbyterialer Ordnung eingerichtet sind und 
schon mangels Unterstellung unter das Kirchen- 
regiment des Landesherrn von der kirchlichen Or- 
ganisation nicht erfaßt werden konnten. In Lauen- 
burg bestehen reformierte Gemeinden überhaupt 
nicht (Motive zum Entw. des Ges. v. 6. April 
1878, Stenogr. Ber. des A. H. 1877—/78, Anl. 
Bd. 1, Nr. 114, S. 977, Sp. 2). 
10 G. S. 1878, S. 145; Novellen v. 14. Juli 
1895 (G. S. 281) und v. 25. April 1896 (G. S. 
95); Entw. des Ges. v. 6. April 1878 nebst Mo- 
tiven in den Stenogr. Ber. des A. H. 1877—78, 
Anl. Bd. 1, Nr. 114, S. 972 ff.; Komm. Ber. v. 
29. Juni 1878, das. Anl. Bd. II, Nr. 224, 
S. 1579 ff.; Verhandl. das. Bd. II, S. 1095 ff., 
1800 ff., 1838 ff., und Stenogr. Ber. des H. H. 
1877—78, Bd. , S.395 ff.; Ausführungsverordn. 
v. 19. Aug. 1878 (G. S. 287), bzw. 30. Jan. 1893 
(G. S. 10) und v. 9. Juni 1879 (G. S. 365). 
11 Schoen, Bd. I, S. 103; Verordn. v. 9. Junie 
1879 (G. S. 365). 
12 Der Vertreter der Staatsregierung erklärte 
in dieser Beziehung in der Komm. des A. H.
	        
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