216 Staat und Kirche. (8. 129.)
Landesherrn verbleibe und daß in liturgischen Sachen der evangelischen Kirchen keine
Neuerung ohne die Zustimmung einer von der Staatsregierung zu berufenden Synode
stattfinden dürfe. Vor der Vereinigung Kurhessens mit der preußischen Monarchie hat
indes keine Berufung von Synoden stattgefunden. 1 Auch in dem vom Großherzogtum
Hessen-Darmstadt 1866 an Preußen abgetretenen Landesteil Biedenkopf und Kreis Vöhl?
existierte noch keine Synodalverfassung; dagegen beteiligen sich zufolge des Edikts v.
6. Juni 1832 betreffend die Organisation der Kirchenvorstände diese an der äußeren
Kirchenzucht wie an der Verwaltung des Kirchenvermögens.
Nach der Einverleibung des ehemaligen Kurfürstentums Hessen und der vom Groß-
herzogtum Hessen abgetretenen Landesteile in die preußische Monarchie bestimmte zunächst
§. 11 der Verordnung v. 22. Febr. 1867 3, daß die daselbst für die Verwaltung des
Kirchen= und Schulwesens bestehenden Organe, soweit ihre Funktionen nicht instruktions-
mäßig auf die neu errichteten Behörden? übergingen, in ihrer bisherigen Wirksamkeit
beibehalten werden sollten 5, behielt jedoch die Einsetzung eines Konsistoriums für die
beiden Regierungsbezirke Kassel und Wiesbaden vor. Dieser Vorbehalt wurde jedoch nicht
ausgeführt, sondern durch die Verordnung v. 22. Sept. 1867“ die Errichtung eines
besonderen evangelischen Konsistoriums für den Regierungsbezirk Wiesbaden angeordnet,
sodann durch den Allerh. Erlaß v. 13. Juni 18687 bestimmt, daß die drei im
Regierungsbezirk Kassel bisher bestehenden Konsistorien in Kassel, Marburg und Hanau
zu einem gemeinschaftlichen, der Aufsicht des Ministers der geistlichen Angelegenheiten
unterstellten Konsistorium für alle zum Regierungsbezirke Kassel gehörigen Landesteile mit
dem Sitze in Marburg vereinigt und bei dessen Zusammensetzung auf eine Vertretung
der verschiedenen Konfessionen Rücksicht genommen werden sollte. Dieser Erlaß, welcher
nicht zur Ausführung gelangte, weil das Abgeordnetenhaus die Bewilligung der für das
Konsistorium geforderten Summe von der Vorlage eines Gesetzes über seine Besetzung
und Zuständigkeit abhängig machte 8, wies dem gemeinschaftlichen Konsistorium die Aufgabe
zu, das Recht der verschiedenen Konfessionen und der in einem Teile des Landes be-
stehenden Union, sowie die auf dem Grunde dieses Rechtes ruhenden Einrichtungen zu
schützen und zu pflegen; in den zu seiner Entscheidung gelangenden Angelegenheiten
sollte kollegiale Beschlußfassung nach Stimmenmehrheit der Mitglieder stattfinden; in
solchen Sachen jedoch, welche das Bekenntnis unmittelbar berührten, sollte die konfessio-
nelle Vorfrage lediglich nach den Stimmen der Mitglieder der betreffenden Konfession
1 Die kurhessische Regierung hat zweimal den
Versuch hierzu gemacht. Im Jahre 1821 wurde
eine Kirchenkommission zusammenberufen, welche
einen der rhein.-westfäl. Kirchenordnung ähnlichen
Entwurf ausarbeitete. Im Jahre 1848 verfaßte
eine neue Kirchenkommission eine Wahl= und Ge-
schäftsordnung der gesamten evangel. Landeskirche,
welcher die Kirchengewalt im wesentlichen über-
tragen werden sollte. Beide Entwürfe sind nicht
zur Ausführung gelangt (Friedberg, a. a. O.,
S. 24).
2 Von diesen Landesteilen gehört jetzt der Kreis
Vöhl zum Reg. Bez. Kassel, der Kreis Biedenkopf
zum Reg. Bez. Wiesbaden (88. 1 u 2 der Verordn.
v. 22. Febr. 1867, G. S. 1867, S. 273).
3 G. S. 1867, S. 277.
4 Das Oberpräsidium, die Regierung und die
Landräte.
* Hiernach behielten die kurhessischen Konsi-
storien ihre bisherige Wirksamkeit, soweit die Ge-
schäfte nicht zufolge §. 6 der Verordn. v. 22. Febr.
1867 auf die Bezirksregierung zu Kassel nach
Maßgabe der Reg. Instr. v. 23. Okt. 1817 und
deren Ergänzungen übertragen wurden.
* G. S. 1867, S. 1569.
7 G. S. 1868, S. 583.
s Das A. H. hat wiederholt beschlossen, die
von der Staatsregierung geforderten Kosten der
Gründung des durch den Erlaß v. 13. Juni 1868
angeordneten Gesamtkonsistoriums für den Reg.
Bez. Kassel nicht zu bewilligen (Stenogr. Ber. des
A. H. 1868—69, S. 761; 1869—70, S. 879),
wodurch die Ausführung des Erlasses vorläufig
unmöglich gemacht wurde (vgl. die Erklär. des
Ministers, a. a. O., S. 877). — Von dem Min.
d. geistl. Ang. wurde aus Veranlassung des
Bes schrusses des A. H. v. 14. Dez. 1868 (Stenogr.
Ber. 1868—69, S. 761) in der Session 1869
—70 auf Grund der Allerh. Ermächtigung vom
1. Nov. 1869 der Entw. eines Gesetzes betr. die
Ressortverhältnisse der kirchl. Verwaltungsbehör-
den im Reg. Bez. Kassel (Drucks. des A. H. 1869
— 70, Nr. 65; Stenogr. Ber. 1869—70, Anl.
Bd., S. 391, Nr. 65) vorgelegt, welcher indes
wegen Schluß der Session nicht zur Beratung
gelangte. Der Komm. Ber. v. 11. Febr. 1870
(Drucks. des A. H. 1869—70, Nr. 345; Stenogr.
Ber. 1869—70, Anl. Bd. III, S. 1512, Nr. 345)
beantragte die Errichtung eines evangel. Gesamt-
konsistoriums in Kassel an Stelle der drei bis-
herigen Konsistorien, und bezüglich seiner Zu-
ständigkeit wesentliche Abänderungen des von der
Staatsregierung vorgelegten Entwurfs.