Landeskirchen der neueren Provinzen. (8. 129.) 219
mals freien Stadt Frankfurt bestehenden Konsistorien wurden (§. 3 a. a. O.) bis auf
weiteres in Wirksamkeit belassen. Synodale Einrichtungen hatten bis dahin nicht be-
standen. Durch den Allerh. Erlaß v. 27. Aug. 18692 wurde eine „Gemeinde-
ordnung für die evangelischen Kirchengemeinden im Bezirke des Konsistoriums zu Wies-
baden“ publiziert und der Minister der geistlichen Angelegenheiten angewiesen, mit ihrer
Einführung sofort vorzugehen. Durch diese Gemeindeordnung wurde in dem Bekenntnis-
stand der Gemeinden und ihrer Stellung zur Union nichts geändert. Die Gemeinde-
ordnung ordnet Kirchenvorstände und größere Gemeindevertretungen an, welche gemein-
schaftlich die Kirchenvorsteher wählen. Sie bestimmt Näheres über den Geschäftskreis
der Kirchenvorstände und der größeren Gemeindevertretungen. Der Allerh. Erlaß v.
27. Aug. 1869 bestimmte ferner, daß, sobald durch Einführung der Gemeindeordnung
eine rechtlich geordnete Vertretung der Gemeinden hergestellt sei, mit der Einrichtung von
Kreissynoden und einer Bezirkssynode vorgegangen werden solle, um mit ihrer Mitwir-
kung die Gemeindeordnung zu revidieren und die weitere kirchliche Verfassung festzustellen.
Durch den Allerh. Erlaß v. 9. Aug. 1871 3 wurde der vom Konsistorium zu Wies-
baden entworfenen Kreissynodalordnung die königliche Genehmigung erteilt und unter
Bezugnahme auf den Erlaß v. 27. Aug. 1869 sodann durch Erlaß v. 8. Nov. 1875“
die Berufung einer außerordentlichen Bezirkssynode zu dem im Erlaß v. 27. Aug. 1869
gedachten Zwecke angeordnet; das Nähere über deren Zusammensetzung und Zuständigkeit
regelte die Verordnung v. 8. Nov. 1875.5 Nach Vernehmung des Gutachtens der
außerordentlichen Bezirkssynode erteilte der König „kraft der ihm als Träger des landes-
herrlichen Kirchenregimentes zustehenden Befugnisse“ der „Kirchengemeinde= und Synodal-
ordnung für die evangelischen Gemeinden im Amtsbezirke des Konsistoriums zu Wies-
baden“ durch Allerh. Erlaß v. 4. Juli 1877 seine Sanktion und verkündete dieselbe
als kirchliche Ordnung.“ Die staatsgesetzliche Bestätigung erfolgte durch das Gesetz v.
6. April 18787 unter Erweiterung der Zuständigkeit des Wiesbadener Konsistoriums.
Ergänzungen der Kirchenverfassung brachte später das Kirchengesetz betreffend die Erhebung
von Kirchensteuern in den evangelischen Kirchengemeinden im Amtsbezirke des Konsistoriums
zu Wiesbaden v. 10. März 1906 nebst dem Staatsgesetz v. 22. März 1906.5
3. Landeskirche des Konsistorialbezirks Frankfurt a. M. In der zum Regierungs-
bezirk Wiesbaden gehörigen ehemals freien Stadt Frankfurt 10 stehen seit dem Organi-
sationspatent v. 10. Okt. 1806 11 die lutherische und die reformierte Konfession in gleich-
berechtigter öffentlicher Religionsübung nebeneinander. Die Konstitutionsergänzungsakte
Unterstaatssekretär Lehnert, erklärte in der Sitz.
des A. H. v. 23. Jan. 1868 (Stenogr. Ber. 1867
—68, Bd. II, S. 1093), daß es bis dahin in
dem vormaligen Großherzogtum Nassau an jeder
oberen kirchlichen Behörde gefehlt habe, und daß
es daher notwendig gewesen sei, eine Behörde
einzusetzen, welche sowohl die staatlichen Inter-
essen gegenüber der Kirche, als auch die kirchlichen.
Interessen zu vertreten habe. Der Min. d. geistl.
Ang. bemerkte in der Sitz. des A. H. v. 11. Dez.
1868 (Stenogr. Ber. 1868—69, Bd. 1, S. 449),
daß das Konsistorium zu Wiesbaden eine Pres-
byterialordnung in Anlehnung an die Bestimmun-
gen der rhein.-westfäl. K. O. v. 1835 entworfen
und zu ihrer weiteren Durchführung die Geneh-
migung der Regierung erhalten habe; dieser Ent-
wurf solle nach Begutachtung durch die Kirchen-
vorstände in Nassau in Kraft gesetzt werden.
1 Im Jahre 1848 wurden solche verheißen.
Vgl. Verordn. des Min. v. 2. Mai 1848, betr.
die Anordnung einer Spezial= und Generalsynode
zur Beratung einer Verfassung der evangel. Landes-
kirche (Verordnungsbl. für Nassau 1848, S. 104);
Regierungsverordn. v. 16. Juni 1848, betr. die
Spezialsynoden zur Vorbereitung einer freieren
Verfassung der evangel. Kirche (das. S. 117) nebst
Wahlordnung (das. S. 119) und Regierungsver-
ordn. v. 1. Aug. 1849, betr. die Berufung einer
Kommission zur Prüfung der Verfassung (das. 1849,
S. 431).
2 G. S. 1869, S. 1027# ff.
: G. S. 1871, S. 332 ff.
4 G. S. 1875, S. 607.
* Ebenda S. 608 ff.
· G. S. 1877, S. 181 ff.
* Vgl. oben S. 214, Anm. 10.
8 G. S. 1878, S. 145; Novelle v. 14. Juli 1895
(G. S. 281); Ausführungsverordn. v. 19. Aug.
1878 (G. S. 287), 9. Juni 1879, 1. Nov. 1886,
30. Jan. 1893.
" G. S. 1906, S. 46; dazu Ausführungs-
verordn. v. 23. März 1906 (G. S. 55).
10 Kirchner, Geschichte der Stadt Frankfurt
a. M., Bd. II, S. 810; Trommershausen,
Beitrag zur Geschichte des landesherrlichen Kirchen-
regiments in den evangel. Gemeinden zu Frank-
furt a. M., 1897; Schoen, Bd. I, S. 121ff.
11 Pölitz, Sammlung der Verf. Urk. der deut-
schen Staaten, Bd. I, Abt. 2, S. 1125.