Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Dritter Band. Erste Abteilung. (3_1)

Der Weg der Gesetzgebung. (8. 110.) 13 
ist. Denn es ist nach dieser Vorschrift der Verfassungsurkunde ein verfassungsmäßiges 
Vorrecht des Hauses der Abgeordneten, mit Finanzgesetzentwürfen zuerst und bevor 
dieselben an das Herrenhaus gelangen, befaßt zu werden. Finanzgesetze sind solche Ge— 
setze, deren Inhalt das System der Staatsfinanzen betrifft, wie Steuer- und Anleihe— 
gesetze, nicht aber solche, in denen nebenbei einzelne finanzrechtliche Punkte, wie Geld— 
strafen, geregelt sind.. Wenn es selbst dann, wenn die Krone von ihrem Rechte der 
Initiative Gebrauch macht, nicht zulässig ist, die von dieser ausgehenden Finanzgesetz- 
entwürfe zum Gegenstande der Beratung und Beschlußfassung des Herrenhauses zu machen, 
bevor nicht das Haus der Abgeordneten darüber beraten oder beschlossen hat, so könnte 
hieraus gefolgert werden, daß es noch viel weniger dem Herrenhause zustehe, aus seiner 
eigenen Initiative dergleichen Gesetzentwürfe zu beschließen. Der Grund der Vorschrift 
des Abs. 3 des Art. 62 der Verfassungsurkunde liegt darin, daß im Abgeordnetenhause 
die eigentliche Vertretung der steuerlichen Interessen des Landes beruht und dieses daher 
mit voller Unbefangenheit und ohne das Präjudiz in die Beratung der Steuerfragen 
eintreten muß, welches möglicherweise daraus entstehen könnte, wenn die anderen Faktoren 
der Gesetzgebung sich schon vorher, wenn auch nur vorläufig, über eine solche geeinigt 
hätten, und daß es dem Geiste dieses Grundsatzes nicht entsprechen würde, wenn das 
Herrenhaus aus eigener Initiative einen Finanzgesetzvorschlag machen wollte. Dieser 
Grund ist jedoch nicht durchschlagend: dem Abgeordnetenhause muß nur das verfassungs- 
mäßige Recht der ersten Beratung und Beschlußfassung gesichert bleiben; damit ist 
jedoch eine Initiative des Herrenhauses für Finanzgesetzentwürfe wohlvereinbar. 2 
Vollends wird nicht bestritten werden können, daß dem Herrenhause gleich dem Abgeord- 
netenhause die Befugnis zusteht, auch in Finanzfragen Petitionen und Anträge zu be- 
raten und darüber Beschlüsse zu fassen. 5 
4. In betreff der von der Staatsregierung ausgehenden Gesetzvorschläge sind die 
Bestimmungen der Verfassungsurkunde über die Art und Weise der Ausübung des 
Rechtes der Initiative der Krone Gegenstand des Streites geworden. Die Frage ist 
die, ob der Staatsregierung das Recht zustehe, ihre Gesetzentwürfe gleichzeitig in beiden 
Kammern einzubringen, oder ob dieselbe nur das Recht hat, zu wählen, welcher von 
beiden Kammern sie ihre Vorlage zuerst machen will. Aus dem Umstande, daß die 
Verfassungsurkunde die Gleichzeitigkeit der Vorlegung nicht ausdrücklich verbietet, ist der 
Schluß gezogen worden, daß solche in der Regel für zulässig anzusehen sei." Nur 
  
1 Arndt, Verf. Urk., S. 261; Schwartz, 
Verf. Urk., S. 204; hierüber s. auch unten. 
2 A. A. war v. Rönne, 4. Aufl., Bd. I, S. 359. 
Ebenso auch Schwartz, Verf. Urk., S. 213; 
G. Meyer-Anschütz, S. 566, N. 7. Richtig 
Arndt, Verf. Urk., S. 267; v. Stengel, S. 169; 
Bornhak?:, I, S. 524; vgl. auch Fleisch- 
mann, S. 103f. 
3 Die hier besprochene Frage ist im H. H. in 
der Sitzung v. 14. März 1861 (Stenogr. Ber. des 
H. H. 1861, Bd. I, S. 200—206) zur Erörterung 
gelangt, wozu der Antrag des Grafen v. Arnim- 
Boytzenburg und Gen. wegen Vorlegung eines 
Gesetzentwurfes zur Einführung einer erhöhten 
Einkommensteuer vom fundierten Einkommen 
(Drucks. des H. H. 1861, Nr. 25, und Stenogr. 
Ber. desselben 1861, Bd. II, Anl. 14, S. 71 ff.) Ver- 
anlassung gegeben hat. Der Fin. Min. hat sich 
im Namen der Staatsregierung über die Frage 
im verneinenden Sinne ausgesprochen (vgl. den 
Komm. Ber. vom 8. März 1861, Drucks. des H. H. 
1861, Nr. 52, und Stenogr. Ber. a. a. O., S. 88). 
Die Richtigkeit dieser Ansicht ist im Plenum insbe- 
sondere von den Herrenhausmitgliedern Camp- 
hausen, Baumstark und Tellkampf ver- 
  
treten worden, wogegen Stahl sich (unter Be- 
streitung der Richtigkeit der Ausführungen des 
Fin. Min.) dahin erklärte, daß in der Verf. Urk. 
nicht bestimmt ausgesprochen sei, ob Finanzge- 
setzentwürfe vom H. H. ausgehen können, und 
daß er es weder bejahen, noch verneinen wolle. 
Das Mitglied v. Kleist-Retzow suchte dagegen 
auszuführen, daß der Art. 62, Abs. 3 dem H. H. 
dies Recht keineswegs entziehe (vgl. die angeführten. 
Stenogr. Ber. über die Sitzung vom 14. März 
1861). — Im A. H. ist die Frage in der Sitzung 
vom 14. Juni 1865 (Stenogr. Ber. 1865, S. 2152 
—57) zur Erörterung gelangt. Das A. H. hat die 
Richtigkeit der verneinenden Ansicht ausdrücklich 
anerkannt und demgemäß die Beratung eines 
aus der Initiative des H. H. hervorgegangenen 
Finanzgesetzentwurfes (betr. die Unterstützung der 
hilfsbedürftigen Krieger) als verfassungsmäßig 
unstatthaft abgelehnt. — Vgl. auch H. Schulze, 
Pr. St. R., Bd. II, §. 171, S. 219, und 
G. Meyer-Anschütz, §. 158, S. 565 f. 
4 In der 14. Sitzung der 2. K. v. 24. Jan. 
1853 (vgl. Stenogr. Ber. 1852—53, Bd. L, S. 147) 
hat der Kommissar der Staatsregierung behauptet, 
„daß der letzteren verfassungsmäßig das Recht 
zustehe, ihre Entwürfe beiden Häusern zugleich
	        
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