Kathol. Kirche seit Erlaß der Verfassungsurkunde. (§. 131.) 239
und Gesamtverbänden, dessen Inhalt dem der evangelischen Kirchensteuergesetze durchaus
analog gestaltet ist.
Nachdem so die Aufsicht über die Vermögensverwaltung in den katholischen Kirchen-
gemeinden die erforderliche Regelung erfahren hatte, blieb noch übrig, die Aussichts-
rechte des Staates bei der Vermögensverwaltung in den katholischen Diözesen staats-
gesetzlich zu ordnen. Der Umfang dieser Rechte war keineswegs klar. Vor Einführung
der Verfassungsurkunde waren diese in den verschiedenen Landesteilen verschieden; durch die
nachher ergangenen Verwaltungsakte waren sie teils verdunkelt, teils praktisch aufgegeben
worden. Das Gesetz v. 7. Juni 1876 über die Aufsichtsrechte des Staates bei der
Vermögensverwaltung in den katholischen Diözesen hat den Gegenstand für die ganze
Monarchie einheitlich neu geordnet. Die Bestimmungen des Gesetzes regeln die Aussicht
des Staates über die Verwaltung a) der für die katholischen Bischöfe, Bistümer und
Kapitel bestimmten Vermögensstücke, b) der zu kirchlichen, wohltätigen oder Schul-
zwecken bestimmten und unter die Verwaltung oder Aufsicht katholisch-kirchlicher Organe
gestellten Anstalten, Stiftungen und Fonds, welche nicht von dem Gesetz v. 20. Juni
1875 betroffen werden, in einer letzterem Gesetze völlig analogen Weise. Insbesondere
werden die Fälle, in welchen die verwaltenden Organe der Genehmigung der staatlichen
Aufsichtsbehörde bedürfen, in ganz gleicher Weise festgestellt.? Ein gewisses kirchliches
Besteuerungsrecht erhielten die katholischen Diözesen durch das Gesetz betreffend die Bil-
dung kirchlicher Hilfsfonds für neu zu errichtende katholische Pfarrgemeinden v. 29. Mai
1903 (G. S. 1903, S. 182) und das Gesetz betreffend die Erhebung von Abgaben
für kirchliche Bedürfnisse der Diözesen der katholischen Kirche in Preußen v. 21. März
1906 (G. S. 1906, S. 105).
Endlich ist hier noch des Gesetzes v. 4. Juli 1875 betreffend die Rechte der alt-
katholischen Kirchengemeinschaften“ an dem kirchlichen Vermögen #
zu gedenken, welches
1 Das Ges. v. 29. Mai 1903 betr. die Bildung von
Gesamtverbänden in der kathol. Kirche (G. S. 1903,
S. 179) ist auf Anregung des preußischen Epi-
skopats und im Einverständnis mit ihm erlassen
worden. Dazu die Verordnung über die Aus-
übung der Rechte des Staates v. 4. Jan. 1904
(G. S. 1904, S. 1). Foerster, Die preuß.
Gesetzgebung über die Vermögensverwaltung in
den kathol. Kirchengemeinden und Diözesen#, 1913,
S. 157, 189.
2 G. S. 1905, S. 281; königl. Verordn. v.
23. März1906 (G. S., S. 52), Ausführungsanw. v.
24. März 1906, M. Bl. d. i. Verw. 1906, S.121 ff.;
Gegenüberstellung der einzelnen §§. des Gesetzes
und derjenigen der evang. Kirchensteuergesetze bei
Crisolli-Schultz, Die preuß. Kirchensteuerge-
setze, 1907, S. 330; Giese, Kirchensteuerrecht,
S. 114 ff., 303 ff.; Kommentar von Schmed-
ding und Tourneau, 1905.
* Näheres hierüber in den Motiven zum Ent-
wurf eines Gesetzes über die Aufsichtsrechte des
Staates bei der Vermögensverwaltung in den
kathol. Diözesen (Stenogr. Ber. des A. H. 1876,
Anl. Bd. I, Nr. 32, S. 401 ff.).
G. S. 1876, S. 149 ff. Entwurf dieses Ge-
setzes (nebst Motiven) in den Stenogr. Ber. des
A. H. 1876, Anl. Bd. I, Nr. 32, S. 399 ff.;
Komm. Ber. v. 28. April 1876; das. Anl. Bd. II,
Nr. 167, S. 1168 ff.; Verhandl. in den Sitz. des
A. H. v. 7. u. 8. März 1876 (Stenogr. Ber. des
A. H. 1876, Bd. I, S. 477—500), v. 11. Mai
1876 (Stenogr. Ber., Bd. II, S. 1317—1340) und
v. 15. Mai 1876 (Stenogr. Ber., Bd. II, S. 1430
—1447); Verhandl. in den Sitz. des H. H. v. 22.
zu. 24. Mai 1876 (Stenogr. Ber. des H. H. 1876,
Bd. l, S. 179, 231—233). Kommentar: Hin-
schius, Das preuß. Kirchenges. v. 14. Juli 1880
nebst den Ges. v. 7. Juni 1876 und 13. Febr.
1878, Nachtragsheft, 1881, S. 39 ff.; Foerster,
Preuß. Gesetzgebung über die Vermögensverwal-
tung 3, 1913. Vgl. auch Giese, Art. Kirchen-
vermögen (II. Verwaltung, 1. Preußen) in
v. Stengel-Fleischmanns W. St. V. R., Bd.
II, S. 533f.
5 §. 10 des Gesetzes schreibt vor, daß durch
königl. Verordnung zu bestimmen ist, welche
Staatsbehörden die in den §. 2—5 und 7—9
angegebenen Aufsichtsrechte auszuüben haben.
Diese königl. Verordn. v. 29. Sept. 1876 (G.
S. 1876, S. 401), heute v. 30. Jan. 1893 (G.
S. 1893, S. 11), hat die Aufsichtsrechte teils dem
Min. d. geistl. Ang., und zwar, soweit das
Ressort des Min. d. Inn. beteiligt ist, unter
Zuziehung des letzteren, teils dem Fin. Min. und
dem Min. d. geistl. Ang., teils der Oberrechnungs-
kammer, teils endlich den Oberpräsidenten über-
tragen.
* Giese, Kirchensteuerrecht, S.
—316; Foerster a. a. O.
V Friedberg, Aktenstücke, die altkathol. Be-
wegung betreffend, mit einem Grundriß der Ge-
schichte derselben, Tübingen 1876.
§ G. S. 1875, S. 333. — Dieses Gesetz ist
aus der Initiative des A. H. (Antrag des Abg.
Petri, Stenogr. Ber. des A. H. 1875, Anl.
Bd. I, Nr. 77, S. 738) hervorgegangen. Vgl.
darüber die Verhandl. in der Sitz. des A. H. v.
10. März 1875 (Stenogr. Ber. des A. H. 1875,
Bd.Ll, S. 621—6510, den Komm. Ber. v. 21. April
1875 (Stenogr. Ber. des A. H. 1875, Anl. Bd.
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