Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Dritter Band. Erste Abteilung. (3_1)

Der Weg der Gesetzgebung. 
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) Das Recht der Teilnahme an der Gesetzgebung ist für beide Kammern ein 
gleiches. 
Hiervon findet eine Ausnahme nur statt in bezug auf das Staatshaushalts- 
gesetz (Art. 99 der Verfassungsurkunde), welches, nachdem es von der zweiten (zuerst 
  
Teil, sondern auch der sog. Eingang und 
die Unterschrift. Der Eingang des Gesetzes ent- 
hält oft nur die gewöhnlich übliche Publikations= 
formel, bisweilen aber auch ein Mehreres, näm- 
lich die Erwähnung der Art, in welcher der Inhalt 
des Gesetzes vorbereitet, und des verfassungs- 
mäßigen Grundes, aus welchem der Entwurf durch 
die königliche Vollziehung mit Gesetzeskraft ver- 
sehen worden. Auch enthält der Eingang bis- 
weilen die Veranlassungsgründe des Gesetzes und 
doktrinelle Bemerkungen (verba enuntiativa 
im Gegensatze zu den eigentlichen Dispositiv- 
worten, welche den wirklich verbindlichen Teil des 
Gesetzes bilden, wogegen den bloß enuntiativen 
Sätzen die verbindende Kraft nicht beizulegen ist, 
wohl aber die Bedeutung eines Auslegungsmittels). 
Nicht minder kommt es vor, daß in den Eingang 
Bestimmungen über den Umfang der Wirksamkeit 
des Gesetzes, insbesondere nach Raum und Zeit, 
aufgenommen werden. In bezug auf den sog. 
Eingang des Gesetzes ist nun streitig geworden, 
ob den Kammern auch hierbei eine Mitwirkung zu- 
stehe, oder ob die Staatsregierung für sich allein 
das Recht habe, solchen zu normieren. Die letztere 
hat das ausschließliche Recht für sich in Anspruch 
genommen, indem sie sich auf die Bestimmung 
des Art. 45 der Verfassungsurkunde stützt, welche 
dem Könige die „Verkündigung der Gesetze“ bei- 
legt. Praktisch hat sich die Sache dahin gestaltet, 
daß in vielen Fällen (ohne Widerspruch der Staats- 
regierung) die Eingangsformel von den Kammern 
mit festgestellt, in manchen sogar erst hinzuge- 
fügt, in anderen Fällen dagegen von den Kammern 
gar nicht mit beraten, sondern ihre Normierung 
seitens der Staatsregierung einseitig erfolgt ist. 
Daß die Praxis, welche überdies nicht gleich- 
förmig gewesen ist, nicht über den Grundsatz ent- 
scheiden kann, ist einleuchtend. Der Grund aber, 
aus welchem die Staatsregierung ihr alleiniges 
Recht folgert, ist unzutreffend. Denn nicht das 
wird bestritten, daß dem Könige ausschließlich das 
Recht zusteht, die Verkündigung der Gesetze zu 
befehlen, sondern die Streitfrage ist vielmehr die, 
ob dem Könige das Recht zusteht, einen Teil des 
Gesetzes (nämlich dessen Eingang) einseitig und 
mit Ausschließung der beiden anderen Faktoren 
zu machen. Diese Befugnis ist aus dem Art. 45 
nicht herzuleiten; denn die Handlung der Ver- 
kündigung ist etwas anderes, als die Festsetzung 
der einen Teil des (von dem Könige allein zu 
verkündigenden) Gesetzes bildenden Eingangs- 
formel. Wer das Gesetz zu machen hat, bestimmt 
der Art. 62, und es bleibt unbestreitbar, daß der, 
welcher hierzu ohne Einschränkung mitberufen ist, 
das Recht hat, an dem ganzen Gesetze sich zu 
beteiligen, folglich auch an dessen Eingangsformel. 
Dies kann sicher am wenigsten zweifelhaft sein, 
wenn der Eingang ein Mehreres enthält, als die 
gemeinübliche Eingangsformel, namentlich wenn 
dieselbe Sätze in sich aufnimmt, welche darin 
zwar enthalten sein dürfen (z. B. Zeit= und Naum- 
beschränkungen der Wirksamkeit des Gesetzes), 
welche aber nicht darin enthalten zu sein brauchen, 
v. Rönne-Zorn, Preuß. Staatsrecht. 
  
5. Aufl. III. 
sondern ebensogut in den dispositiven Teil des 
Gesetzes aufsgenommen werden können und in der 
Regel in diesem zweckmäßiger ihre Stelle finden. 
Zugegeben mag nur das werden, daß, wenn (wie 
z. B. in England) die Eingangsformel ein= für 
allemal gleichförmig durch Vereinbarung der sämt- 
lichen Faktoren der Gesetzgebung feststeht, darüber 
eine Verhandlung und Beschlußnahme der Kammern 
niemals erforderlich ist. Wo aber, wie in Preußen, 
eine solche Praxis nicht besteht, da bildet auch 
die Eingangsformel, als Teil des Gesetzes, einen 
Gegenstand der Vereinbarung der gesetzgebenden 
Faktoren, von welchen der eine zwar das alleinige 
Recht hat, die Verkündigung des Gesetzes zu be- 
fehlen, nicht aber das Recht, einen Teil des (zu 
verkündigenden) Gesetzes allein zu machen. Völlig 
verfehlt ist es, das Gegenteil daraus herleiten zu 
wollen, daß die Ausführung der Gesetze nach 
Art. 45 dem Könige allein gebührt. Denn es 
sind drei verschiedene Tätigkeiten: a) die Verein- 
barung des Gesetzes, b) die Verkündigung des- 
selben, c) die Ausführung des als vereinbart ver- 
kündeten Gesetzes. Die Richtigkeit des hier ver- 
teidigten Grundsatzes ergibt sich überdies noch 
daraus, daß umfangreichere Gesetze durch beson- 
dere Publikationspatente oder Einführungsgesetze 
speziell publiziert zu werden pflegen. Wäre die 
Festsetzung der Art und Weise der Verkündigung 
ein ausschließliches Recht der Krone, so müßte 
behauptet werden können, daß diese auch in Fällen 
der soeben gedachten Art das Recht habe, das 
Einführungsgesetz einseitig zu erlassen. Dies 
Recht hat indes die Krone selbst nicht für sich in 
Anspruch genommen. Offfenbar liegt dem ganzen 
Streite die Verwechslung der Begriffe der die 
Verkündigung befehlenden Handlung mit der Art 
und Weise der Verkündigung selbst und dem In- 
halte des zu Verkündigenden zugrunde. Die Hand- 
lung der Verkündigung ist eine Prärogative der 
Krone (Art. 45), welche auch berechtigt ist, solche 
zu unterlassen und solchergestalt ihr absolutes Veto 
auszuüben; die Art und Weise des Aktes der Ver- 
kündigung ist ein für allemal gesetzlich geordnet 
(Art. 106); endlich der Inhalt des zu Verkündigen- 
den ist das Gesetz, welches vereinbart worden und 
seinem ganzen Inhalte nach zwischen den drei 
Faktoren vereinbart werden muß (Art. 62). Zu 
dem Gesetze gehört aber auch dessen Eingang, 
und dieser kann außer der gemeinüblichen „Ver- 
kündigungsformel“ auch anderes enthalten. Soll 
er von der gemeinüblichen Verkündigungsformel 
Abweichendes, oder soll er ein Mehreres (sei es 
enuntiativen oder dispositiven Inhaltes) enthalten, 
so bildet das Abweichende oder Mehrere einen Teil 
des vor der Verkündigung notwendig zu Verein- 
barenden.“ Vgl. Stenogr. Ber. der 1. K. 1853—54, 
Bd. l, S. 69—70 und S. 245—248; desgl. der 
2. K. 1853—54, Bd. I, S. 53—64, Stenogr. Ber. 
des A. H. 1855—56, Bd. II, S. 555 ff., und des 
H. H. 1861, Bd. I, S. 308 ff., 1863, Bd. I, 
S. 127 ff. Der Gegenstand ist übrigens bereits 
bei Revision der oktr. Verf. Urk. v. 5. Dez. 1848 
zur Sprache gekommen, wo es sich darum handelte, 
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