Ausführungsverordnungen. (§S. 113.) 31
ist, wie sich bereits aus dem ersten Satze dieses Artikels ergibt, ein Ausfluß der dem
Könige allein zustehenden vollziehenden Gewalt und versteht sich insofern von selbst,
als eben der Art. 45 diese letztere dem Könige allein ausdrücklich vorbehalten hat.
Da das Recht zum Erlaß solcher Vollzugs= oder Ausführungsverordnungen dem Könige
grundsätzlich zusteht, so ist es nicht notwendig, daß das betreffende Gesetz (wie bisweilen
geschieht) ausdrücklich auf solche Vollzugsverordnungen Bezug nimmt; durch den Zweck
bloßer Ausführungsverordnungen ist es indes geboten, daß dieselben sich stets inner-
halb des Rahmens der Gesetze halten und nicht bloß den Worten des Gesetzes,
sondern auch dem Geiste desselben entsprechen. Die Gesetze stellen in der Regel mehr
oder weniger allgemeine Grundsätze auf und erfordern daher zu ihrer praktischen An-
wendung vielfach noch nähere Bestimmungen, welche sie erst durch die Ausführungs-
verordnung erhalten können. Diese letztere bildet also insofern eine notwendige Ergänzung
vieler Gesetze; sie darf aber stets nur die formelle Ordnung und die Anwendung der
Rechtssätze, welche das Gesetz ausspricht, zum Gegenstande haben, niemals aber selbst
neue Rechtsnormen aufstellen, und in dieser Hinsicht muß bei der schwankenden Grenze
zwischen dem Bereich des Gesetzes und dem der Verordnung insbesondere auch von dem
Grundsatze ausgegangen werden, daß alles, was einmal in das Gebiet der Gesetz-
gebung gezogen ist, nicht wieder durch Verordnung, sondern nur durch Gesetz geändert
werden darf.! Wenn aber eine Ausführungsverordnung diese ihr gezogenen Grenzen
nicht innehalten, sondern in das Gebiet der eigentlichen Gesetzgebung übergreifen sollte,
so ist unzweifelhaft, daß die Kammern? so berechtigt als verpflichtet sind, die Frage
der Rechtsgültigkeit der betreffenden Verordnung zu prüfen, also die etwa stattgefundene
Verletzung zur Sprache zu bringen und entweder die Zurücknahme der betreffenden Ver-
ordnung, oder die Nachholung der verfassungsmäßigen Zustimmung der Volksvertretung
zu verlangen.3
II. Wenn Art. 45 der Verfassungsurkunde dem Könige das Recht zum Erlaß
von Ausführungsverordnungen beilegt, so versteht sich von selbst, daß dieses Recht nicht bloß
durch Erlaß königlicher Verordnungen ausgeübt werden kann, sondern auch durch Erlaß
von Verordnungen seitens solcher Behörden, welche der König speziell damit beauftragt,
oder welchen die Berechtigung hierzu als ein Ausfluß derjenigen Stellung gebührt, welche
diese Organe innerhalb des Organismus der Staatsverwaltung einnehmen." Die auf
Grund des Art. 45 erlassenen Verordnungen können aber sowohl in der Form all-
gemeiner Anordnungen (Verwaltungsverordnungen, Reglements, Instruktionen usw.) als
auch in der Form konkreter Verfügungen erlassen werden. Auf dem Gebiete der Ver-
waltung, wo die niederen Verwaltungsorgane zu den höheren in dem Verhältnisse der
Unterordnung stehen, ist der Erlaß von Ausführungsverordnungen durch die höheren
Verwaltungsorgane auch ohne besondere gesetzliche Ermächtigung zulässig, hier finden
solche Verordnungen ihre Schranke nur in den bestehenden Gesetzen und in der der Be-
hörde übertragenen Zuständigkeit. Auf diesem Gebiete können daher — abgesehen von
den Verordnungen des Königs — Verwaltungsverordnungen sowohl von den zuständigen
Zentralbehörden (Ministerien) als auch von den oberen Provinzialbehörden erlassen werden
und es bildet jede Verordnung einer höheren Verwaltungsbehörde für die ihr unter-
1 Vgl. auch v. Schulze, Pr. St. R., Bd. II,
S. 27 u. 28, u. v. Gerber, Grundzüge, 3. Aufl.,
§. 48, S. 156, Note 2.
2 Nach Art. 106 der Verf. Urk. sind alle in
gesetzlicher Weise bekannt gemachten Verordnungen
verbindlich und es steht nicht den Behörden, son-
dern nur den Kammern die Prüfung der Rechts-
gültigkeit gehörig verkündeter königlicher Ver-
ordnungen zu.
3 Es versteht sich von selbst, daß diejenigen
Minister, welche solche in die Rechte der gesetz-
gebenden Gewalt übergreifende Verordnungen
„gegengezeichnet haben, wie auch der Art. 44 der
Verf. Urk. ausdrücklich bestimmt, verantwortlich
sind. Hierin ändert der Umstand, daß zurzeit
das im Art. 61 vorbehaltene Ministerverantwort-
lichkeitsgesetz noch nicht erlassen worden, nichts,
sondern es steht gegenwärtig nur so, daß mangels
dieses Gesetzes zwar die Anklage gegen die be-
treffenden Minister erhoben werden, der Sache
aber keine weitere Folge gegeben werden kann.
Das Anklagerecht der Kammern bleibt also vor-
behalten und kann jederzeit zur Ausübung ge-
bracht werden.
4 Arndt, Verf. Urk., S. 189; Bornhak#, I,
S. 480 f.; v. Stengel, S. 173; Anschütz in
v. Holtzendorff-Kohlers Enzyklop.', Bd.IV, S. 125f.