34 Die Gesetzgebung. (§. 114.)
lichen Punkten abgeändert, diese letzteren Vorschriften teilweise wiederum durch Bestim-
mungen des Gesetzes v. 26. Juli 1876, betreffend die Zuständigkeit der Verwaltungs-
gerichtsbehörden im Geltungsbereiche der Provinzialordnung v. 29. Juni 1875 1, ergänzt
worden. Sowohl die Kreisordnung v. 13. Dez. 1872 als die Provinzialordnung v.
29. Juni 1875 und das Kompetenzgesetz v. 26. Juli 1876 hatten indes nur Geltung
in den Provinzen Preußen, Brandenburg, Pommern, Schlesien und Sachsen?, so daß
also deren das Gesetz v. 11. März 1850 abändernde Bestimmungen auf alle übrigen
Landesteile keine Anwendung fanden.
Das für den gesamten Umfang der Monarchie ergangene Gesetz v. 26. Juli 1880
über die Organisation der allgemeinen Landesverwaltung 3 traf in den 8§. 72—81
abermals abändernde Vorschriften über das Polizeiverordnungsrecht, durch welche
auch die Bestimmungen des Gesetzes v. 11. März 1850 bzw. der Verordnung v.
20. Sept. 1867 und des lauenburgischen Gesetzes v. 7. Jan. 1870 modifiziert
wurden. Diese Vorschriften des mit dem 1. April 1881 in Kraft getretenen Gesetzes
v. 26. Juli 1880 sollten indes zufolge §. 89 in den Provinzen Posen, Schleswig-
Holstein, Hessen-Nassau, Westfalen und der Rheinprovinz erst dann in Kraft treten, wenn
für diese auf Grund besonderer Gesetze neue Kreis= und Provinzialordnungen erlassen
sein würden, und es wurde vorbehalten, den betreffenden Zeitpunkt für jede dieser Pro-
vinzen durch königliche Verordnung zu bestimmen. Bis dahin blieben daher für diese
Provinzen die bisher in ihnen geltend gewesenen Bestimmungen über das Polizeiverord-
nungsrecht in Geltung. Inzwischen ist diese Voraussetzung für die sämtlichen Provinzen
mit Ausnahme von Posen erfüllt und es hat demgemäß eine Neuregelung der Materie
stattgefunden durch das Gesetz über die allgemeine Landesverwaltung v. 30. Juli 1883.7
Damit ist der gesetzgeberische Abschluß der Materie für die ganze Monarchie erreicht.
Durch diese Gesetzgebung über das Polizeiverordnungsrecht ist das bisherige Polizei-
verordnungsrecht der Regierungen aufgehoben und an seine Stelle das Polizeiverordnungs-
recht des Regierungspräsidenten getreten, ergänzt durch das neugeschaffene Polizei-
verordnungsrecht des Oberpräsidenten; beide Kategorien des Rechtes sind derart unter
die Kontrolle von Selbstverwaltungsorganen gestellt, daß der Oberpräsident nur mit
Zustimmung des Provinzialrates, der Regierungspräsident nur mit Zustimmung
des Bezirksausschusses Polizeiverordnungen erlassen kann. Es ist ferner dem Land-
rate das Recht beigelegt, mit Zustimmung des Kreisausschusses Polizeiverord-
nungen für mehrere Ortspolizeibezirke oder für den ganzen Umfang des Kreises zu er-
lassen. Mit Rücksicht darauf, daß die Minister auf den Erlaß von Polizeivorschriften
nicht mehr denselben Einfluß ausüben können wie vordem, wo diese Befugnis den Re-
gierungen zustand, und daß andererseits das Bedürfnis eintreten kann= Polizeivorschriften
auch für den Bereich von mehr als einer Provinz zu erlassen, ist den Ministern ein
Polizeiverordnungsrecht beigelegt, jedoch nur, soweit die Gesetze ausdrücklich auf den Er-
laß besonderer polizeilicher Vorschriften durch Zentralbehörden hinweisen.
Endlich ist durch diese Gesetzgebung auch das seit alters bestehende Polizeiverord-
nungsrecht der Ortspolizeibehörden neu unter stärkerer Berücksichtigung der Selbstverwal-
tung geregelt worden. — Während somit nach früherem Recht das Polizeiverordnungs-
recht sich erschöpfte in der Unterscheidung von „Ortspolizei“ und „Landespolizei“ (Regierung),
ist durch die neueste Gesetzgebung eine sehr viel reichere Gliederung dieser Materie ein-
ctreten.
B) Die gegenwärtig geltenden Bestimmungen über das Polizeiverordnungsrecht?
sind folgende:
1. Die Behörden der örtlichen Polizeiverwaltung in Städten — das sind die Bürger-
1 G. S. 1876, S. 297. 3 G. S. 1880, S. 291 ff.
2 Die Kr. O. v. 13. Dez. 1872 ist zwar auch 4 Friedrichs, Das Landesverwaltungsgesetz
für die Provinz Posen ergangen, jedoch im (Komment.), 1910.
§. 182 derselben bestimmt, daß sie auf diese Pro- 5s Über die Art und Weise der Publikation
vinz bis auf weiteres keine Anwendung finden, der Polizeiverordnungen vgl. das Nähere unten
sondern es einstweilen bei den bestehenden Vor= in §. 115 und über die Bedingungen ihrer Rechts-
schriften bewenden solle. verbindlichkeit §. 116.