Das Polizeiverordnungsrecht. (8. 114.) 35
meister 1 mit Ausnahme der Städte, die staatliche Polizeiverwaltung haben — sind be-
fugt, unter Zustimmung des Gemeindevorstandes 2 ortspolizeiliche, für den Umfang der
Gemeinde gültige Vorschriften zu erlassen und gegen ihre Nichtbefolgung Geldstrafen bis
neun Mark, in Stadtkreisen bis zum Betrage von dreißig Mark anzudrohen. Ver-
sagt der Gemeindevorstand die Zustimmung, so kann diese auf Antrag der Behörde durch
Beschluß des Bezirksausschusses ergänzt werden. In Fällen, welche keinen Aufschub zu-
lassen, ist die Ortspolizeibehörde befugt, die Polizeivorschrift vor Einholung der Zustim-
mung des Gemeindevorstandes zu erlassen. Wird diese Zustimmung nicht innerhalb vier
Wochen nach dem Tage der Publikation der Polizeivorschrift erteilt, so hat die Behörde
die Vorschrift außer Kraft zu setzen. — Auf Vorschriften der Sicherheitspolizei bezieht
sich diese Bestimmung kraft ausdrücklicher Vorschrift des Gesetzes nicht; für Vorschriften
der Sicherheitspolizei genügt vielmehr „Beratung“ mit dem Gemeindevorstand. Für
Vorschriften der Landwirtschaftspolizei dagegen ist Zustimmung der Gemeindevertretung,
d. i. der Stadtverordnetenversammlung, erforderlich.“ Außer den Polizeibehörden der
Stadtkreise haben die Polizeibehörden nur dann das Recht, Polizeiverordnungen mit
Strafandrohungen bis zu dreißig Mark zu erlassen, wenn der Regierungspräsident
seine Genehmigung dazu erteilt hat.“
2. Was die ländliche Polizeiverwaltung angeht, so ist in den Provinzen, für
welche die Kreisordnung v. 13. Dez. 1872 bzw. 19. März 1881 gilt, das der
Ortspolizeibehörde für den Umfang einer Gemeinde erteilte Recht zum Erlaß von Polizei-
verordnungen auf den Amtsvorsteher, und zwar mit der Maßgabe übertragen, daß er
nicht nur für den Umfang einer einzelnen Gemeinde oder eines einzelnen Gutsbezirkes,
sondern auch für den Umfang mehrerer Gemeinden oder Gutsbezirke und für den Um-
fang des ganzen Amtsbezirkes unter Zustimmung des Amtsausschusses, auch gemäß §. 7
des Gesetzes v. 11. März 1850 in Sachen der Landwirtschaftspolizei, derartige Verord-
nungen zu erlassen befugt ist, und mit der Bestimmung, daß, wenn der Amtsausschuß
die Zustimmung versagt, dieselbe auf Antrag des Amtsvorstehers durch den Kreisausschuß
ergänzt werden kann; der Beschluß des Kreisausschusses ist endgültig.7
3. In den Provinzen des Geltungsbereiches der Kreisordnung v. 13. Dez. 1872
bzw. 19. März 1881 war gemäß §. 78 der Landrat befugt, unter Zustimmung des
Kreisausschusses nach Maßgabe der Vorschriften des Gesetzes v. 11. März 1850 für
mehrere Ortspolizeibezirke oder für den ganzen Umfang des Kreises gültige Polizeivor=
schriften zu erlassen und gegen die Nichtbefolgung derselben Geldstrafen bis zum Betrage
von dreißig Mark anzudrohen.3 Diese Befugnis des Landrates ist durch §. 142 des
1 S. hierüber St. O. v. 30. Mai 1853, §. 62.
2 Durch diese Vorschrift — L. V. G., §. 143
— sind die früheren Vorschriften, Landtagsver-
handlungen und Streitfragen über diesen Punkt
(s. darüber v. Rönne, 4. Aufl., Bd. 1, S. 332 f.,
Note 4) gegenstandslos geworden. Über die Art
des Zusammenwirkens der Polizeibehörde und
des zur „Zustimmung“ berechtigten Organs s.
Rosin, S. 228 ff.; eine Initiative haben diese
Organe nicht, wohl aber das Recht von Ab-
änderungsbeschlüssen, die anzunehmen oder abzu-
lehnen der Polizeibehörde freisteht. Uber den
„Gemeindevorstand“ s. Schön, Recht der Kom-
munalverbände, 187f.; Rosin, S. 238 f.
3 Ges. v. 11. März 1850, §. 5, Abs. 1; Ver-
ordnung v. 20. Sept. 1867, §. 5, Abs. 1, Satz 1,
Lauenburg. Ges. v. 7. Jan. 1870, §.5 mit L. V. G.,
§. 143; Rosin, S. 198 ff.
4 S. Rosin, S. 240 ff., bes. auch über die
Begriffe „Landwirtschafts-“ und „Sicherheits-
polizei“.
5 Für den Geltungsbereich der Prov. O. v.
29. Juni 1875 hatte der §. 82, Abs. 1 bestimmt,
daß die Erteilung dieser Genehmigung nicht der
Bezirksregierung, sondern dem Oberprä-
sidenten zustehen solle; der §. 80 des Ges. v.
26. Juli 1880 und weiterhin des §. 144, Abs. 1
des jetzt geltenden L. V. G. v. 30. Juli 1883
hat indes bestimmt, daß die Erteilung dieser
Genehmigung fortan dem Regierungspräsi-
denten zustehen soll.
6 Vgl. Ges. v. 11. März 1850, §. 5, Abs. 2;
Verordnung v. 20. Sept. 1867, §. 5, Abs. 2;
Lauenburg. Ges., §. 6, Abfs. 2.
7 In denjenigen Gemeinden, welche einen
eigenen Amtsbezirk bilden, fällt beim Erlaß von
Polizeiverordnungen der Gemeindevertretung die-
jenige Mitwirkung zu, welche bei zusammenge-
setzten Amtsbezirken dem Amtsausschusse gebührt
(Erk. des Ob. Trib. v. 16. Juni 1876; Just.
M. Bl. 1876, S. 203; Goltdammers Atrch.,
Bd. XXIV, S, 678; Oppenhoffs Rechtspr.,
Bd. XVII, S. 440). In den Gutsbezirken, die
zugleich Amtsbezirke bilden, ist der Gutsvorsteher
allein Ortspolizeibehörde.
s Ein R. des Min. des Inn. v. 25. Aug.
1878 (Min.-Bl. d. i. V. 1879, S. 161) führte
aus, daß nach §. 78 der Kreisordn. v. 13. Dez.
3*