Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Dritter Band. Erste Abteilung. (3_1)

Das Polizeiverordnungsrecht. (8. 114.) 39 
weisen, also nicht allgemein für den Umfang ihrer Zuständigkeit, sind die Minister 
befugt, innerhalb ihres Ressorts dergleichen Vorschriften für den ganzen Umfang der 
Monarchie oder für einzelne Teile derselben zu erlassen und gegen die Nichtbefolgung 
dieser Vorschriften Geldstrafen bis zum Betrage von hundert Mark anzudrohen. Im 
L. V. G. selbst sind nur die folgenden Spezialdelegationen ausgesprochen: a) dem Mi- 
nister der öffentlichen Arbeiten in betreff der Ubertretung der Vorschriften des Eisenbahn- 
polizeireglements; b) dem Minister für Handel und Gewerbe in betreff der zur Regelung 
der Strom-, Schiffahrts= und Hafenpolizei zu erlassenden Vorschriften, sofern dieselben 
sich über das Gebiet einer einzelnen Provinz hinaus erstrecken sollen; c) zum Erlasse 
der in §. 367 Nr. 5 des Strafgesetzbuchs für das Deutsche Reich gedachten Verord- 
nungen — über die Aufbewahrung oder Beförderung von Giftwaren, Schießpulver oder 
anderen explodierenden Stoffen oder Feuerwerken, oder über Ausübung der Befugnis zur 
Zubereitung oder Feilhaltung dieser Gegenstände, sowie der Arzneien — sind auch die 
zuständigen Minister befugt. Eine Subdelegation des Polizeiverordnungsrechtes ist un- 
zulässig; ebenso ist es unzulässig, daß eine vorgesetzte Instanz das Polizeiverordnungs- 
recht einer unteren Instanz selbst ausübt; wohl aber muß es als zulässig erachtet 
werden, daß eine höhere Instanz die untere Instanz anweist, eine Polizeiverordnung be- 
stimmter Art zu erlassen oder andererseits dies nicht zu tun (Gesetz v. 11. März 1850, 
§. 1, Abs. 2).2 
10. Nach §. 9, Abs. 1 des Gesetzes v. 11. März 18503 ist der Regierungspräsident 
befugt, jede ortspolizeiliche Vorschrift durch einen förmlichen Beschluß unter Angabe der 
Gründe außer Kraft zu setzen, und nach §. 10 a. a. O. findet diese Bestimmung auch 
auf die Abänderung oder Aufhebung ortspolizeilicher Vorschriften Anwendung. Dieselben 
Bestimmungen enthalten die §§. 9 und 10 der Verordnung v. 20. Sept. 1867 und 
die §§. 10 und 11 des Gesetzes für Lauenburg v. 7. Jan. 1870, jedoch mit der Ab- 
weichung, daß hier die gedachte Befugnis nicht dem Regierungspräsidenten, sondern 
der Regierung beigelegt ist. Für die Provinzen des Geltungsbereiches der Provinzial- 
ordnung v. 29. Juni 1875 hat zunächst deren §. 83 vorgeschrieben, daß die Befugnis, 
orts= oder kreispolizeiliche Vorschriften außer Kraft zu setzen, an Stelle des Regierungs- 
präsidenten fortan dem Oberpräsidenten unter Zustimmung des Provinzialrates zustehen 
solle; diese Bestimmung ist jedoch durch den §. 81, Abs. 1 des Gesetzes v. 26. Juli 
1880 dahin abgeändert worden, daß die Befugnis, orts= oder kreispolizeiliche Vorschriften 
außer Kraft zu setzen, wiederum dem Regierungspräsidenten übertragen ist; zugleich ist 
bestimmt, daß, mit Ausnahme von Fällen, welche keinen Aufschub zulassen, diese Befug- 
nis nur unter Zustimmung des Bezirksrates ausgeübt werden darf. Jetzt gilt gemäß 
L. V. G., §. 145, Abs. 1 für die ganze Monarchie die Vorschrift, daß dem Negie- 
rungspräsidenten die Befugnis zusteht, orts= und kreispolizeiliche Vorschriften aufzuheben, 
in der Regel mit Zustimmung des Bezirksausschusses, in Fällen, die keinen Aufschub 
zulassen, auch ohne diese. Als Rechtsmittel hiergegen kommt nur die Beschwerde an den 
Minister in Betracht. 
§. 16 des Gesetzes v. 11. März 1850 bzw. §. 14 der Verordnung v. 
20. Sept. 1867 und §. 15 des lauenburgischen Gesetzes v. 7. Jan. 1870 haben 
auch dem Minister des Innern“ die Befugnis beigelegt, soweit Gesetze nicht entgegen- 
stehen, jede polizeiliche Vorschrift durch einen förmlichen Beschluß außer Kraft zu setzen; 
  
— 
1 L. V. G., §. 136 (vorher Ges. v. 26. Juli 1880, 
§. 72, §. 85 der Prov. O. v. 29. Juni 1875, 
bzw. §. 115, Abs. 2 des Kompetenzges. v. 26. Juli 
1876), s. dazu Rosin, S. 126 ff. 
2 S. über diese Fragen Rosin, S. 214 ff.; 
Arndt, Verordn. R., S. 169ff. 
88. 9 des Ges. v. 11. März 1850 enthält in Abs. 2 
auch noch die (in der Verordn. v. 20. Sept. 1867 
und in dem lauenburg. Ges. v. 7. Jan. 1870 nicht 
enthaltene) Bestimmung, „daß dem Aufhebungs- 
  
beschlusse des Regierungspräsidenten, mit Aus- 
nahme dringender Fälle, eine Beratung mit dem 
Bezirksrate vorhergehen müsse“ diese Bezirksräte 
sind aber nie ins Leben getreten. 
4 In dem lauenburg. Ges. v. 7. Jan. 1870 
heißt es: „dem Ministerium für Lauenburg“. 
Nach der Aufhebung des letzteren sind dessen 
Geschäfte auf den Min. d. Inn. übergegangen. 
Vgl. Ges. v. 23. Juni 1876, §. 3 (G. S. 1876, 
S. 170).
	        
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