Sanktion und Publikation der Gesetze und Verordnungen. (§. 115.) 41
Arbeitszeit die Gesundheit der Arbeiter gefährdet wird, Dauer, Beginn und Ende der
täglichen Arbeitszeit und der zu gewährenden Pausen vorzuschreiben und die zur Durch-
führung dieser Vorschriften erforderlichen Anordnungen zu erlassen“.
14. Die Anwendung von Polizeiverordnungen erfolgt durch den Strafrichter nach
Strafprozeßordnung 8§. 453 ff. bzw. durch polizeiliche Verfügung gemäß Gesetz v.
23. April 1883; erachtet der Richter die Verordnung als ungültig, so hat er frei-
zusprechen; die „Notwendigkeit oder Zweckmäßigkeit“ der Verordnung zu prüfen, ist ihm
jedoch ausdrücklich durch das Gesetz untersagt; der Richter darf auch nicht etwa die
Verordnung selbst aufheben, sondern kann ihr nur im einzelnen Falle wegen Ungültigkeit
die Anwendung versagen. Das richterliche Prüfungsrecht ist aber ein ganz allgemeines
nach Maßgabe der hierfür geltenden Rechtsgrundsätze, nicht, wie dies nach dem Wortlaut
des §. 17 scheinen könnte, an bestimmte Vorschriften des Gesetzes gebunden.1
S. 115.
Sanktion und Publikation der Gesetze und Verordnungen.
I. Wenn nach der Beratung in den Kammern s ein von der Krone vorgelegter oder
aus der Initiative einer der beiden Kammern hervorgegangener Gesetzentwurf die Zu-
stimmung beider Häuser unbedingt oder mit Abänderungen erhalten hat, geht er an die
Staatsregierung , und es liegt nunmehr dem Ministerpräsidenten ob, den von den Kam-
mern angenommenen Gesetzentwurf dem Könige zur Beschlußnahme vorzulegen. Dem
Könige gebührt alsdann die Entschließung darüber, ob er dem Gesetzentwurfe seine Ge-
nehmigung (Sanktion) erteilen will oder nicht. Die Erteilung der königlichen
Sanktion ist derjenige Akt, welcher einem Gesetzentwurfe erst den Charakter
eines Gesetzes verleiht, und die der Sanktion vorausgehenden Akte haben
lediglich die Bedeutung, die Vorbedingungen festzustellen, welche erfüllt sein
müssen, damit die Sanktion erfolgen kann. Die Erteilung dieser letzteren
aber ist, wie in allen deutschen monarchischen Staaten, so auch im preußi-
schen Staate, ausschließlich das Recht des Monarchen. Die Sanktion ist die
Erklärung des Königs, „daß das Gesetz gelten solle“; diese Erklärung gibt erst dem
Gesetze die bindende Kraft im Staate, welche auf der rechtlichen Macht des Königs be-
ruht, den Staatsbürgern gültige Verpflichtungen aufzuerlegen. Die gesetzgebenden Körper-
schaften üben zwar in ihrer Teilnahme an der gesetzgebenden Gewalt ein öffentliches Recht,
aber keine Obergewalt, welche allein dem Könige zusteht, dem daher das Sanktionsrecht
gebührt. 3 Obgleich demnach die Sanktion des Königs das entscheidende Moment in der
Gesetzgebung ist, so bleibt dieselbe doch nach preußischem Staatsrecht ein rein innerer
1 Ges. v. 11. März 1850, §. 17; Verordn. v.
20. Sept. 1867, §. 15; Ges. v. 24. Juni 1892,
§. 209 (Abs. 3) für die Oberbergämter, vgl. dazu
Rosin, S. 283 f. Uber die verwaltungsrecht-
liche bzw. verwaltungsgerichtliche Prüfung der
Gültigkeit einer Polizeiverordnung infolge von
Beschwerde oder Klage gegen eine polizeiliche Ver-
fügung gemäß L. V. G., §. 127—129 s. Rosin,
S. 294 ff.
2 Vgl. Zachariä, D. St. u. B. R., 3. Ausg.,
Rhd. II, S. 176 ff.; Held, System des Verf. R.,
Bd. II, S. 92 ff.; R. v. Mohl, Staatsr., Völkerr.
und Politik, Bd. II, S. 597 ff.; G. Meyer-An-
schütz, S. 566 ff.; Laband, St. R., II,
S. 4 ff.; v. Schulze, Preuß. St. R., Bd. II,
S. 21 ff.; Bornhak?, I, S. 547 ff.; bes. jetzt
Lukas, Gesetzespublikation (1903); Hubrich
in Hirths Annalen 1907, S. 23 ff., 83 ff. und
im Verwaltungsarchiv, Bd. XIII, S. 471 und
Bd. XVII, S. 62ff.
3s Über das Recht der Minister sowie der zu
ihrer Vertretung abgeordneten Staatsbeamten,
bei der Beratung in den Kammern zu jeder
Zeit gehört zu werden, vgl. Art. 60, Abs. 1 der
Verf. Urk.
4 Nach den Vorschriften der Geschäftsordnungen
erfolgt die Uberweisung an die Staatsregierung
durch den Präsidenten des zuletzt mit dem Gesetz-
entwurf befaßt gewesenen Hauses. Gesch. O.
des H. H., 8§. 75, 77, Gesch. O. des A. H.,
S. 73.
5 Diese Sätze, welche den staatsrechtlichen Cha-
rakter der Sanktion ganz scharf und richtig kenn-
zeichnen, rühren von v. Rönne. Inzwischen ist
der Sanktionsakt mehrfach der Gegenstand an-
regender und interessanter juristischer Untersuchun-
gen gewesen, so insbesondere von Laband,
St. R. s, II, S. 5 f., 29 ff.; Jellinek, Ges.
u. Verordn., S. 314 ff.; Rosin?, S. 230. Weitere
Literatur bei Meyer-Anschütz, §. 157, N. 4.