Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Dritter Band. Erste Abteilung. (3_1)

Sanktion und Publikation der Gesetze und Verordnungen. (§. 115.) 47 
Eine Ausnahme hiervon besteht jedoch bezüglich „landesherrlicher Erlasse“. 
Die Terminologie des preußischen Staatsrechtes macht einen Unterschied zwischen Ver- 
ordnungen und Erlassen, der sich begrifflich nicht begründen läßt, seine juristische Fest- 
stellung vielmehr dadurch erfährt, daß der Inhalt der „Erlasse“ genau bezeichnet ist. 
Diese „Erlasse““ und die durch sie beglaubigten und genehmigten Urkunden werden nicht 
mehr durch die Gesetzsammlung, sondern durch die Amtsblätter der Regierungen mit 
rechtsverbindlicher Kraft bekannt gemacht, wenn sie betreffen 1. die Verleihung des Ex- 
propriationsrechtes, 2. die Verleihung des Rechtes zur Entnahme von Chaussee= und 
Wegebau= und Unterhaltungsmaterialien, 3. die Verleihung des Rechtes zur Erhebung 
von Chaussee= und Wegegeld, 4. die Statuten der Deichverbände und der Genossen- 
schaften zu Meliorationen durch Entwässerung und Bewässerung, 5. die Erteilung von 
Konzessionen zum Bau und Betriebe von Eisenbahnen, sowie die Statuten der Unter- 
nehmer, 6. die Reglements für die öffentlichen und Privat-Feuersozietäten, 7. die Regle- 
ments für die landschaftlichen Kreditvereine und ähnliche Kreditinstitute, 8. die Ein- 
richtung des Landarmen= und Korrigendenwesens, 9. die Privilegien zur Ausgabe von 
Papieren auf den Inhaber. Auf dieselbe Weise erfolgt die Bekanntmachung von Er- 
gänzungen und Abänderungen der bezeichneten Erlasse und Urkunden, auch wenn diese 
selbst durch die Gesetzsammlung bekannt gemacht worden sind. Die Bekanntmachung er- 
folgt durch die Blätter derjenigen Bezirke, in welchen in den Fällen Nr. 1 bis 5 das 
betreffende Unternehmen ausgeführt werden soll oder ausgeführt worden ist, der Eisen- 
bahnunternehmer (Nr. 5) und der Ausgeber der Papiere (Nr. 9) ihren Sitz oder Wohn- 
sitz haben, oder für welche die Feuersozietät (Nr. 6), der Kreditverein oder das Kredit- 
institut (Nr. 7) bestimmt und das Landarmen= oder Korrigendenwesen (Nr. 8) eingerichtet 
worden ist. Eine Anzeige jedoch von jedem hiernach verkündeten Erlasse ist in die 
Gesetzsammlung aufzunehmen 1; dadurch gewinnt diese Art der Publikation den Charakter 
eines abgekürzten Verfahrens. 
8) Ist in einem durch die Gesetzsammlung verkündeten Erlasse der Zeitpunkt, mit 
welchem derselbe in Kraft treten soll, nicht bestimmt, so beginnt dessen verbindliche Kraft 
in dem ganzen Umfange der Monarchie mit dem vierzehnten Tage nach dem Ablaufe 
desjenigen Tages, an welchem das betreffende Stück der Gesetzsammlung in Berlin 
ausgegeben ist." Wenn in einem landesherrlichen Erlasse, dessen Bekanntmachung nicht 
  
an dieselben über die Art der Ausführung der 
Gesetze und Verordnungen, soweit die vorgesetzten 
Behörden zu deren Erlaß zuständig und verfas- 
sungsmäßig berechtigt sind. Vgl. in dieser Be- 
zichung auch G. Meyer-Anschütz, §. 169, der 
behauptet, daß Verordnungen, welche Rechts- 
vorschriften enthalten, die dem einzelnen Unter- 
tanen unmittelbare Verpflichtungen auferlegen, 
in der für Gesetze vorgeschriebenen Weise publi- 
ziert werden müssen, daß dagegen eine solche 
Publikation für Verwaltungsverordnungen 
nicht erforderlich sei, sondern genüge, wenn die- 
selben den betreffenden Behörden durch eine be- 
sondere Zufertigung mitgeteilt oder in Blättern. 
abgedruckt werden, welche diese zu halten ver- 
pflichtet sind. S. über den hier gemachten Unter- 
schied der Verordnungen oben S. 20f. Gegen 
v. Rönne auch Schwartz, Verf. Urk., S. 335 
und die feststehende Praxzis. Das Ob. Trib. hat 
in dem Erk. v. 30. Jan. 1846 (Präj. Nr. 1682, 
Entsch. Bd. XII, S. 145) den Grundsatz aus- 
gesprochen, daß die Behörden verpflichtet seien, 
Erlasse in Staatswirtschaftsangelegen- 
heiten zu befolgen, wenn sie auch nicht auf 
dem gesetzlich angeordneten Wege publiziert 
worden sind. Dasselbe hat auch der Kompetenz- 
gerichtshof (in dem Erk. v. 5. April 1851) von 
königl. Erlassen angenommen, welche das Ver- 
  
hältnis der Beamten betreffen und das dienstliche 
Verhältnis derselben normieren, und zu dieser 
Gattung auch eine nur ihrem Inhalte nach durch 
einen Erlaß des Just. Min. v. 12. Nov. 1830 
(v. K. Jahrb., Bd. XXXVI, S. 294) mitgeteilte 
Kabinettsbestimmung gerechnet, wonach keinem 
Beamten wegen Verkürzung von Diensteinkünften 
oder Ermäßigung von Diäten= oder Auslagen- 
liquidationen der Rechtsweg gestattet war (Just. 
M. Bl. 1851, S. 191). 
1 Ges. v. 10. April 1872, §8§. 1, 2 u. 5 (G. S. 
1872, S. 357). Vgl. den Entwurf dieses Gesetzes 
(nebst Motiven) in den Stenogr. Ber. des A. H. 
1871—72, Anl. Bd. I, Aktenst. Nr. 81, S. 250 ff., 
den Ber. der Just. Komm. des A. H. v. 26. Febr. 
1872, ebenda Bd. II, Aktenst. Nr. 205, S.1161 ff., 
die Verhandl. darüber in der Sitz. des A. H. v. 
9. März 1872 (Stenogr. Ber. 1871-——72, Bd. II, 
S. 1190—93) und die Verhandl. des H. H. in 
der Sitz. v. 23. März 1872 (Stenogr. Ber. 1871 
—72, Bd. I, S. 345—48). 8§. 3 des Ges. v. 
10. April 1872 bestimmt, daß der Unternehmer, 
die Sozietät, der Verband, das Kreditinstitut oder 
der Ausgeber der Papiere die Kosten der durch 
dasselbe angeordneten Bekanntmachung trägt. 
2 Ges. v. 16. Febr. 1874, §. 1, Abs. 1 (G. S. 
1874, S. 23). Vgl. den Entwurf dieses Gesetzes 
(nebst Motiven) in den Stenogr. Ber. des H. H.
	        
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