Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Dritter Band. Erste Abteilung. (3_1)

60 Die Gesetzgebung. (§. 116.) 
lichem Wege zur Geltung gebracht werden müssen. 1 Jedenfalls aber sind auch für jede 
Verwaltungsbehörde unverbindlich: a) alle Verordnungen, welche unter Nichtbeachtung 
einer wesentlichen Form erlassen worden sind, z. B. Verordnungen des Königs ohne Gegen- 
zeichnung, b) Verordnungen, deren Inhalt mit einer klaren und unzweideutigen Gesetzes- 
bestimmung m Widerspruche steht, c) diejenigen Verordnungen der höheren Instanzen, 
welche gänzlich außerhalb der Kompetenz des verordnenden Organes liegen, z. B. Ver- 
ordnungen eines Ministers über Gegenstände, die einem ganz anderen Ministerialressort 
angehören. 
II. Außer den königlichen Verordnungen sind auch die von den gesetzlich hierzu ermächtig- 
ten Behörden erlassenen Polizeiverordnungentvgl. oben §. 114) mit allgemein verbindlicher 
Kraft bekleidet. Wenn polizeiliche Erlasse in der vorgeschriebenen Art und Weise verkündigt 
worden sind, so sind die Gerichte verbunden, dieselben bei ihren Entscheidungen über alle 
Zuwiderhandlungen gegen solche Verordnungen zugrunde zu legen; es ist ihnen untersagt, 
hierbei die Notwendigkeit oder Zweckmäßigkeit jener Vorschriften in Erwägung zu ziehen; 
sie dürfen vielmehr nach der Bestimmung des §. 17 des Gesetzes v. 11. März 1850 
über die Polizeiverwaltung : bzw. des §. 15 der Verordnung v. 20. Sept. 1867 über 
die Polizeiverwaltung in den neuerworbenen Landesteilen 3, sowie des §. 16 des Gesetzes 
v. 7. Jan. 1870 über die Polizeiverwaltung im Herzogtum Lauenburg und des §. 209 
des Allgemeinen Berggesetzes v. 24. Juni 1865 5 in der Fassung der Novelle v. 
24. Juni 1892 6 nur die gesetzliche Gültigkeit jener Vorschriften nach den Bestim- 
mungen der §§. 5, 11 und 15 des Gesetzes v. 11. März 1850 bzw. der 88. 5, 11 
und 13 der Verordnung v. 20. Sept. 1867 und der §§. 6, 11 und 14 des Gesetzes 
v. 7. Jan. 1870 in Erwägung ziehen. Die Behörden sind mithin berechtigt und ver- 
pflichtet, bei der Anwendung der in Rede stehenden Polizeiverordnungen nicht bloß zu 
prüfen, ob deren Verkündigung in der vorgeschriebenen Art und Weise erfolgt sei, son- 
dern auch, ob dieselben rechtsgültig sind.“ Die Rechtsgültigkeit derselben wird aber 
durch folgende Momente bedingt: 
a) Es müssen die Formen erfüllt sein, von deren Beobachtung ihre Gültigkeit 
abhängt (§. 5, Abs. 3 und §. 11, Abs. 2 des Gesetzes v. 11. März 1850, und der 
Verordnung v. 20. Sept. 1867, §. 6, Abs. 2 und §. 12, Abs. 2 des Gesetzes v. 
7. Jan. 1870, §. 140 des L. V. G. v. 30. Juli 1883).3 Bei den Polizeiverordnungen 
der mit der örtlichen Polizeiverwaltung beauftragten Behörden gehört (nach §. 5, Abs. 1 
und §. 7 des Gesetzes v. 11. März 1850 bzw. der Verordnung v. 20. Sept. 1867, 
nach §. 6, Abs. 1 und §. 8 des Gesetzes v. 7. Jan. 1870) zu diesen Formen ins- 
besondere die vorgängige Zustimmung der Gemeindevertretung; dies gilt auch bezüglich 
der (nach §. 62 der Kreisordnung v. 13. Dez. 1872) erforderlichen Zustimmung des 
Amts= bzw. des Kreisausschusses zu Polizeiverordnungen des Amtsvorstehers, sowie be- 
züglich der (nach §§. 143, 144 des L. V. G. v. 30. Juli 1883) erforderlichen Zu- 
stimmung des Gemeindevorstandes zu ortspolizeilichen Vorschriften in Städten, soweit sie 
nicht zum Gebiete der Sicherheitspolizei gehören, und bezüglich der (nach §. 142 des L. V. G.) 
  
1 Vgl. Schwartz, Verf. Urk., S. 333; Urk. behauptet worden, daß die Frage über die 
v. Rönne geht m. E. zu weit, wenn er (4. Aufl., 
Bd. 1, S. 410) sagt: „dagegen ist jede Verwal- 
tungsbehörde in denjenigen Fällen, wo die Gesetz- 
mäßigkeit einer Verordnung zweifelhaft ist, ver- 
pflichtet, die Auffassung der ressortmäßig vorge- 
setzten Behörde für sich als maßgebend zu er- 
achten.“ 
2 G. S. 1850, S. 265. 
2 G. S. 1867, S. 1532. 
4 Offiz. Wochenbl. für Lauenburg 1870, S. 16. 
5 G. S. 1865, S. 7 
6* G. S. 1892, S. 3 
7 Obwohl der §. 17 des Ges. v. 11. März 
1850 dies ausdrücklich bestimmt, ist dennoch unter 
Berufung auf den Abs. 2 des Art. 106 der Verf. 
  
Rechtsverbindlichkeit der hier in Rede stehenden 
Polizeiverordnungen, nachdem diese in vorschrifts- 
mäßiger Form bekannt gemacht worden, einer 
weiteren Prüfung nicht unterliegen könne. Das 
Ob. Trib. hat indes in den Erk. v. 3. Mai 1854, 
(Just. M. Bl. 1854, S. 268; Goltdammers 
Arch., Bd. II, S. 684) und v. 6. Sept. 1855 
(Entsch., Bd. XXXI, S. 314) diese Behauptung 
auf Grund des §. 17 a. a. O. und weil der Abs. 2 
des Art. 106 der Verf. Urk. sich nur auf königl. 
Verordnungen beziehe und daher die Prüfung 
der Gültigkeit einer im Gefolge des Ges. v. 11. März. 
1850 erlassenen polizeilichen Vorschrift nicht hin- 
dere, zurückgewiesen. 
*s Vgl. hierüber oben §. 114.
	        
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