Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Dritter Band. Erste Abteilung. (3_1)

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Die Gesetzgebung. 
G. 117.) 
Gerichtshof der Monarchie 1 in vereinigten Senaten entscheidet“. Dieser Gerichtshof ist 
durch die deutsche Gerichtsverfassung aufgehoben; das deutsche Reichsgericht ist für 
preußische Ministeranklagen nicht als zuständig erklärt; somit fehlt auch nach dieser 
Richtung dem Art. 61 der Verfassungsurkunde zurzeit die Möglichkeit der Ausführung.? 
IV. Die verfassungsmäßige Verantwortlichkeit der Minister erfordert auch, daß in 
dieser Beziehung die Ausübung des Begnadigungsrechtes der Krone ausgeschlossen 
oder doch wesentlich eingeschränkt wird.“ 
Deshalb bestimmt die Verfassungsurkunde 
(Art. 49), daß der König das Recht der Begnadigung und Strafmilderung zugunsten 
eines wegen seiner Amtshandlungen verurteilten Ministers nur auf Antrag derjenigen 
Kammer ausüben darf, von welcher die Anklage ausgegangen ist." 
  
werden. Uber die Begriffsbestimmungen von: 
„Verfassungsverletzung“, „Bestechung“ und „Ver- 
rat“ vgl. die §§. 1—3 des Entw. eines Minister- 
verantwortlichkeitsgesetzes und den Bericht der 
Kommission der 2. Kammer darüber in den Ste- 
nogr. Ber. der 2. K. 1850—51, Bd. III, S. 187 ff., 
wo insbes. der Begriff der Verfassungsverletzung 
dahin definiert wird, daß eine solche von einem 
Minister begangen werde durch jede der Verfas- 
sung zuwiderlaufende Handlung oder Unterlas- 
sung, deren Verfassungswidrigkeit dem Schuldi- 
gen bekannt war oder nicht ohne sein grobes 
Verschulden entgehen konnte. Vgl. hierüber auch 
Zachariä, D. St. u. B. R., 3. Aufl., Bd. I, 
S. 313—315, und Zöpfl, Grundsätze des gem. 
D. St. N., 5. Aufl., Bd. II, S. 425 ff. Selbstver- 
Verf. Urk. die Bestimmungen des R. Str. G. B. 
über Hoch= und Landesverrat (8§. 80—93) und 
Bestechung (§§. 331—332) in Kraft und können 
jederzeit auf Minister Anwendung finden; vogl. 
Schwartz, Verf. Urk., S. 193. 
1 Nach §. 33 des von der Staatsregierung 
vorgelegten Verfassungsentwurfs v. 20. Mai 1848 
sollte das Anklagerecht nur der 2. Kammer zu- 
stehen und die 1. Kammer den Staatsgerichtshof 
zur Entscheidung über solche Anklagen bilden. 
Der Art. 54 des Entwurfs der Verfassungskom- 
mission der Nationalversammlung dagegen, wel- 
cher jeder der beiden Kammern für sich das Recht 
der Anklage beilegte, übertrug die Entscheidung 
über solche Anklagen dem obersten Gerichtshofe 
der Monarchie, indem er in den Motiven hierzu 
bemerkte: „Als erkennendes Gericht mußte der 
höchste Gerichtshof der Monarchie mit Ausschluß 
der 1. Kammer um so mehr bezeichnet werden, da 
diese letztere ebenfalls aus der Volkswahl her- 
vorgeht und darum in derselben Weise, wie die 
2. Kammer, das Recht der Ministeranklage aus- 
zuüben befugt ist.“ Dabei hat es der Art. 59 
der oktr. Verf. Urk. v. 5. Dez. 1848 belassen, 
aus welchem die Bestimmung unverändert in den 
Art. 61 der revid. Verf. Urk. übergegangen ist. 
2 Der Art. 61 der Verf. Urk. fügt noch hin- 
zu: „Solange noch zwei oberste Gerichtshöfe be- 
stehen, treten dieselben zu obigem Zwecke zusam- 
men.“ Diese vorübergehende Bestimmung hat 
ihre Erledigung gefunden. Denn die Vorschrift 
des Art. 92 der Verf. Urk., daß in Preußen nur 
Ein oberster Gerichtshof bestehen soll, und die 
darauf bezügliche, in Art. 116 unter den Über- 
gangsbestimmungen befindliche Vorschrift, daß die 
noch bestehenden beiden obersten Gerichtshöfe zu 
einem einzigen vereinigt werden sollen, sind durch 
  
das Ges. v. 17. März 1852 zur Ausführung ge- 
langt, welches die Vereinigung des Obertribunals 
und des Rheinischen Revisions= und Kassations- 
hofes zu Einem obersten Gerichtshofe für die 
ganze Monarchie, welcher die Benennung: „Ober- 
tribunal“ führt, ausgesprochen hat. Nachdem in- 
des durch den §. 12 des Ausführungsgesetzes v. 
24. April 1878 zum Deutschen Gerichtsverfassungs- 
gesetze (G. S. 1878, S. 232) das Obertribunal 
(mit dem 1. Okt. 1879) aufgehoben worden ist, 
fehlt es gänzlich an einer Bestimmung über die 
zur Entscheidung über Ministeranklagen zustän- 
dige Instanz. Vgl. auch Schwartz, Verf. Urk., 
S. 192. 
8 Die Verzichtleistung des Königs auf das Be- 
gunadigungsrecht in diesem Falle erfolgte in Eng- 
ständlich stehen unberührt von Art. 61 der preuß. 
  
land durch die Akte, welche das Haus Braun- 
schweig auf den Thron berief (act of settlement 
1701), weil die Erfahrung gezeigt hatte, daß 
sonst jede Ministeranklage und Verurteilung durch 
Abolition oder Begnadigung wirkungslos gemacht 
werden könne. Der Prozeß Lord Danbys (1678), 
der die Begnadigung des Königs eventuell im 
voraus erhalten hatte, hatte die Notwendigkeit 
dieser Bestimmung gezeigt (ogl. Dahlmanns 
Politik, S. 107). Die meisten deutschen Verf. 
Urk. enthalten gleichfalls Vorschriften, welche das 
Begnadigungs= und Abolitionsrecht des Souve- 
räus in dieser Beziehung ausschließen oder wesent- 
lich beschränken (vgl. darüber Zöpfl, Grunds. 
des gem. D. St. R., 5. Aufl., Bd. II, S. 436 ff.). 
4 Die im Terxte mitgeteilten Bestimmungen 
des Art. 49 der Verf. Urk. ergeben, daß dem 
Könige zwar das Recht der Begnadigung und 
Strafmilderung bezüglich der wegen ihrer Amts- 
handlungen verurteilten Minister nicht gänzlich 
entzogen, daß er indes in der Ausübung dieses 
Rechtes dergestalt beschränkt ist, daß er davon 
nur auf Antrag derjenigen Kammer, von welcher 
die Anklage ausgegangen ist, Gebrauch machen 
darf. Diese Bestimmungen des Art. 49 sprechen 
indes nur von dem Recht der Begnadigung und 
Strafmilderung nach rechtskräftiger Ver- 
urteilung (dem eigentlichen Begnadigungs- 
und Milderungsrechte), nicht aber von dem Rechte 
der Niederschlagung eines strafrechtlichen Ver- 
fahrens vor dem Strafurteile (abolitio). Ob- 
gleich nun der dritte Satz des Art. 49 festsetzt, 
daß der König bereits eingeleitete Unter- 
suchungen nur auf Grund eines besonderen Ge- 
setzes (also mit Zustimmung der Kammern) nie- 
derschlagen darf, so besteht doch keine Vorschrift, 
welche dem Könige verbietet, das Abolitions- 
recht vor Einleitung einer Untersuchung
	        
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