Die besonderen Garantien der Verfassung. (§S. 117.) 81
die Staatsregierung die Erwartung auszusprechen, daß sie in Ausführung des Art. 61
der Verfassungsurkunde ein Gesetz, betreffend die Verantwortlichkeit der Minister, den
Häusern des Landtages in der nächsten Session vorlegen werde“. 1 In Verfolg dieser
Aufforderung wurde in der Session von 1862 von der Staatsregierung ein Gesetz-
entwurf über die Verantwortlichkeit der Minister eingebracht 2; dieser ist indes nicht in
Ausführung des Art. 61, sondern mit Abänderung der Art. 61 und 49 der Ver-
fassungsurkunde gefaßt und ändert sowohl die Straffälle wie das Anklagerecht der beiden
Häuser wie die Zusammensetzung des entscheidenden Gerichtshofes gegen die Verfassungs-
urkunde ab. Das Herrenhaus nahm den Gesetzentwurf sowie die damit verbundenen
Verfassungsänderungen mit einigen Abänderungen an; die Beratung im Acgeordneten-
hause wurde indes von dem an die Stelle des aufgelösten Abgeordnetenhauses getretenen,
neugewählten Hause für unstatthaft erklärt.3 In der Session von 1863 wurde sodann
im Abgeordnetenhause der Antrag eingebracht, einem beigefügten Entwurfe eines Minister-
verantwortlichkeitsgesetzes die Zustimmung zu erteilen.
nahm denn auch diesen Entwurf mit unwesentlichen Anderungen an ;
Das Haus der Abgeordneten
im Herrenhause
Bd. II, S. 1154—1157). In späteren Sessionen
hat der Abgeordn. Weutzel (unterstützt von den
Abgeordn. v. Patow, v. Auerswald u. a.)
wiederholt einen Gesetzentwurf über die Minister-
verantwortlichkeit in das A. H. gebracht, welcher
mit dem revid. Entw. v. 3. Febr. 1851 identisch
ist. Es geschah dies im Jan. 1852, im Jan.
1853 und im Febr. 1855 (vgl. Drucks. der 2. K.
1851—52. Nr. 34, 1852—53, Nr. 45, u. 1854
—55, Nr. 143); diese Entwürfe sind indes weder
in der Justizkommission noch im Plenum des
Hauses zur materiellen Beratung gekommen.
1 Die Abgeordn. v. Carlowitz und Gen. hat-
ten (im März 1861) den Antrag gestellt, „gegen
die Staatsregierung die Erwartung auszusprechen,
daß sie in Ausführung des Art. 61 der Verf. Urk.
ein Ministerverantwortlichkeitsgesetz noch im
Laufe der Session vorlegen werde“ (vgl. Drucks.
des A. H. 1861, Bd. II, Nr. 84, und Stenogr.
Ber. dess. 1861, Bd. V, Anl. 72, S. 473); die
Abgeordn. Behrend (Danzig) und Gen. hatten
beantragt, einem beigefügten Gesetzentwurfe, der
mit redaktionellen Anderungen wiederum mit dem
revid. Entw. v. 3. Febr. 1851 übereinstimmte,
die Zustimmung zu erteilen (vgl. Drucks. des
A. H. 1861, Bd. II, Nr. 87, und Stenogr. Ber.
dess. 1861, Bd. V. Anl. 73, S. 453—456). Die
zur Beratung beider Anträge ernannte Kommis-
sion stellte in ihrem Berichte v. 20. April 1861
(Drucks. des A. H. 1861, Bd. IV, Nr. 156, und
Stenogr. Ber. dess. 1861, Bd. VI, Anl. 133,
S. 955 ff.) den oben im Texte mitgeteilten, in
der Plenarsitz. des A. H. v. 29. April 1861 mit
großer Mehrheit angenommenen Antrag (pygl.
die Stenogr. Ber. des A. H. 1861, Bd. II, S. 937
—969)9.
2 Die Einbringung erfolgte auf Grund der
Allerh. Ermächtigung v. 11. Jan. 1862 durch den
Just. Min. v. Bernuth (vgl. den Entw. nebst
Motiven in den Drucks. des H. H. 1862, Bd. I,
Nr. 7, und in den Stenogr. Ber. dess. 1862,
Bd. II, Anl. 3, S. 6—15).
3 Der Entwurf wurde von dem Just. Min.
v. Bernuth im H. H. in der Sitz. v. 23. Jan.
1862 (Stenogr. Ber. 1862, Bd. I, S. 18) vor-
gelegt. Der darüber erstattete Komm. Ber. v.
25. Febr. 1862 (Drucks. des H. H. 1862, Bd. 1,
Nr. 14, und Stenogr. Ber. dess. 1862, Anl. Bd.,
v. Rönne-Zorn, Preuß. Staatsrecht.
5. Aufl. III.
Nr. 3, S. 15—30) kam in den Sitz. des H. H.
v. 4., 5. u. 6. März 1862 zur Beratung und
wurde mit einer Anzahl Anderungen angenom-
men (vgl. Stenogr. Ber. des H. H. 1862, Bd. 1,
S. 30—82). Die zweite Abstimmung über die
damit verbundenen Abänderungen der Art. 61 u.
49 der Verf. Urk. fand indes erst in der Sitz.
des H. H. v. 20. Juni 1862 (a. a. O., Bd. II,
S. 29—30) statt, nachdem inzwischen die Auf-
lösung des A. H., die Neuwahl und neue Kon-
stituierung des anderen Hauses erfolgt war.
Gegen die damit beanspruchte „Kontinuität“ der
Sitzungen des H. H. erhob sich grundsätzlicher
Widerspruch des A. H., welcher auf Grund des
Komm. Ber. über einen Antrag des Abgeordn.
Twesten (vgl. Drucks. des A. H. 1862, Nr. 94)
in der Sitz. des A. H. v. 29. Juli 1862 zu
dem Beschlusse führte, „daß das Haus der Ab-
geordneten in die Beratung der von dem H. H.
mitgeteilten Gesetzentwürfe über die Verantwort-
lichkeit der Minister und Abänderung der Art. 49
u. 61 der Verf. Urk. nicht eintreten könne“
(vgl. Stenogr. Ber. des (neugewählten] A. H.
1862, S. 920).
4 Der Antrag wurde von den Abgeordneten
Schulze (Berlin), Mellien und Immer-
mann gestellt und führte als Motive an „den
Art. 61 der Verf. Urk. und die bereits eingetretene
Verfassungsverletzung“. Der dem Antrage bei-
gefügte Entwurf stimmt im wesentlichen mit dem
auch in der Session von 1861 von dem Abgeordn.
Behrend (Danzig) eingebrachten revid. Entw.
v. 3. Febr. 1851 überein. Vgl. den Antrag und
Entwurf in den Drucks. des A. H. 1863, Bd. II,
Nr. 72, und in den Stenogr. Ber. dess. 1863,
Bd. III, Anl. Nr. 59, S. 245 ff.
5 Vgl. den Bericht der Komm. des A. H. v.
30. März 1863 in den Drucks. dess. 1863, Bd. III,
Nr. 103, in den Stenogr. Ber. dess. 1863, Bd.IV,
Anl. Nr. 87, S. 430 ff., sowie die Schlußredak-
tion des Gesetzentwurfs in den Drucks. des A. H.
1863, Bd. III, Nr. 124, und in den Stenogr.
Ber. dess. 1863, Bd. IV, S. 437—440; desgl.
die Verhandl. in der Plenarsitz. v. 22. April 1863
(Stenogr. Ber. des A. H. 1863, Bd. II, S. 943 ff.)
und die Schlußabstimmung in der Plenarsitz. v.
27. April 1863 (a. a. O., S. 980). — Vgl. über
den in Rede stehenden Gesetzentwurf: H. B. Op-
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